12:44 VERSCHIEDENES

Christos letzter Gruss an Paris: Ein Kleid für den Arc de Triomphe

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Benjamin Loyseau © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Der Zauber ist schon wieder vorbei: 16 Tage war Christos zweites Pariser Grossprojekt „L’ Arc de Triomphe, Wrapped"  in seiner vollen Pracht zu bestaunen. Nun wurde die Installation bereits wieder abgebaut. 

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Quelle: Wolfgang Volz © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Luftansicht des "L'Arc de Triomphe, Wrapped"

Paris ist immer eine Reise wert. Aber nun hatte die „Stadt der Liebe“ für kurze Zeit eine ganz besondere Attraktion zu bieten: Der Arc de Triomphe war in metallisch silbern-blau schimmerndes Tuch gekleidet. 60 Jahre hat es gedauert, bis die Idee der Verhüllungskünstler Christo und Jeanne-Claude in die Realität umgesetzt werden konnte.

Bereits die ersten Berichte im Fernsehen waren spektakulär. Also kurz entschlossen auf nach Paris. Mit dem TGV fast ein Katzensprung. In rund fünf Stunden ist man vor Ort. Ein derartiges Erlebnis gibt es vielleicht nie wieder. Es ist vorerst das letzte noch von Christo und Jeanne-Claude geplante Verhüllungsprojekt. 

Christo ist im Mai letzten Jahres verstorben, seine Frau bereits im November 2009. Geplant hatten die beiden die Verhüllung des Arc de Triomphe bereits ab 1962. Die Umsetzung von „The Wrapped Arc de Triomphe“ wurde nun von Christos Team unter der Leitung seines Neffen Vladimir Yavachev umgesetzt. Der gebürtige Bulgare hatte bereits zuvor an der Seite Christos an der Realisation von dessen Projekten mitgearbeitet.

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Quelle: Claudia Bertoldi

Beim Ausgang der Metrostation Charles de Gaulle Etoile bot sich dieses grandiose Bild.

Jahrelange Planung, kurzes Event

Einige Wochen, dann ist das Spektakel jeweils vorbei. Auch in Paris gab es keine Ausnahme. Christos und Jeanne-Claudes Arbeiten waren immer temporäre Installationen. Jahrzehntelang war es nur eine Idee, jahrelang in Planungsphase. Wochenlang haben die Vorarbeiten für die Erstellung des Stahlbaugerüstes gedauert, an dem die silberblauen Bahnen aufgehängt worden waren. Das Monument durfte durch die Aktion nicht beschädigt werden. Metallkonstruktionen schützten auch die vielen Skulpturen an der Fassade. Am 18. Oktober ist die Verhüllung fertiggestellt und der Öffentlichkeit übergeben worden.

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Quelle: Wolfgang Volz © 2020 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Christo in seinem Atelier bei der Arbeit an einer vorbereitenden Zeichnung für "L'Arc de Triomphe, Wrapped".

Und nun bot sich für gut zwei Wochen in Paris dieser einzigartiger Anblick: Der Arc de Triomphe wie ein Paket fest umschnürt. Ein surreales Bild, das wohl keinem, der es selbst miterlebt hat, mehr aus dem Gedächtnis gehen wird. Dazu der gesamte Platz fahrzeugfrei, nur bevölkert von Tausenden von Schaulustigen – wie die Schreiberin eigens dafür von überallher angereist.

Und dennoch lag eine gewisse feierliche Atmosphäre über dem grosszügig abgesperrten Platz, den man erst nach der Kontrolle des Impfzertifikats oder durchgeführten Coronatest betreten durfte. Erst nachts durfte der Verkehr wieder ungehindert rollen.

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Quelle: Claudia Bertoldi

Bei besonders grossem Andrang wie an den Wochenenden war nicht nur der Place Charles de Gaulle mit dem Triumphbogen gesperrt, sondern auch ein Teil der Avenue des Champs Élysées.

Wie in einer Aufführung

Kein Geschrei, kein grosses Gedränge, nur Staunen und Freude, hier vor Ort zu sein. Gemütlich flanieren wie auf der angrenzenden Champs Élysées, einmal oder mehrfach rund um das grosse Portal herum, dann darunter hindurch. Befühlen der dicken, metallischen Stoffbahnen, rütteln an den roten Seilen. Keinerlei Verbote - Berühren unbedingt erlaubt!

Allein der Bereich am Fusse des Triumphbogens, wo seit dem 11. November 1923 die Flamme für den unbekannten Soldaten brennt, war abgesperrt. Auch die Terrasse des Triumphbogens war zugänglich. Gruppenfotos, Selfies, Aufnahmen vom Objekt – man will festhalten, wo man war und was man erlebt hat.

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Quelle: Lubri © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Jugendliche gaben den Besuchern Auskunft zum Kunstprojekt.

Natürlich war es auch für die Pariser selbst ein grosses Erlebnis. Ganze Familienverbände und Gruppen von Freunden waren gemeinsam zum Ausflug aufgebrochen. In der französischen Hauptstadt konnte man bereits 1985 die Verhüllung des Pont Neuf miterleben. 

Damals hatte die Realisierung ganze zehn Jahre in Anspruch genommen. Mit 40'000 Quadratmetern sandfarbenen Polyamidgewebe wurde die älteste Pariser Brücke verhüllt. Rund drei Millionen Menschen besuchten das Projekt.

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Quelle: Wolfgang Volz © 2020 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Die Näherinnen im Juli 2020 in Lübeck bei der Fertigung der Stoffbahnen. 25.000 Quadratmeter des recyclebaren Stoffs wurden vernäht.

Material und Verarbeitung aus Deutschland

Das Material wurde von der Lübecker Firma „Geo – die Luftwerker“ geliefert. Nach dem grössten Inflatable der Welt, dem „Big Air Package“ im Gasometer Oberhausen im Jahr 2013 und der Installation „Floating Piers“ auf dem im Juli 2016 auf dem Lago di Iseo bei Brescia war es bereits das dritte Projekt, dass mit Christo realisiert wurde.

Das mit Aluminium bedampfte Kunststoffgeflecht wurde von deutschen Näherinnen zusammengefügt. Elf grosse Bahnen von jeweils mehr als 50 Metern Länge mit einem Gewicht von fast einer Tonne Stoffrolle nähten sie zusammen. Insgesamt 25'000 Quadratmeter Stoff und 7000 Meter dickes, rotes Seil wurden verbaut. Wer wollte, konnte sich ein Musterstück des metallischen Materials mitnehmen.

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Quelle: Claudia Bertoldi

Je nach Sonneneinstahlung schimmerte das Gewebe bläulich.

Projekte privat finanziert

Die Verwirklichung der Verhüllung des Arc de Triomphe war ein lang gehegter Traum von Christo und Jeanne-Claude. Die ersten Ideen zur Verhüllung von Bauwerken entstanden bereits in den 1960-er Jahren. Als Christo 1961 ein Zimmer in der Nähe des Triumphbogens mietete, rückte auch der Arc de Triomphe in den Blickpunkt.

Ab 1968 entwarfen das Paar Projekte gemeinsam und setzten sie auch unabhängig um. Die Finanzierung ihrer Projekte wurden immer aus eigen Mittel umgesetzt, unter anderem durch den Verkauf der von Christ gefertigten Zeichnungen für die voranschreitenden Realisierungsphasen der Projekte, davon gefertigte Drucke sowie die Fotorechte für ihre realisierten Werke. Christo akzeptiert kein Sponsoring, keine Schenkungen, keine öffentlichen Gelder.

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Quelle: Benjamin Loyseau © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Je nach Tageszeit und Wetterbedingungen änderte sich das Bild der "Verpackung"..

Bei der Realisierung des aktuellen Projekts wurde Christo durch das Centre Pompidou unterstützt und die Umsetzung in Zusammenarbeit mit dem Centre des Monuments Nationaux realisiert. Der Zutritt war frei, es waren keine Reservierung und kein Ticket nötig. Denn es gehörte zu den Prinzipien Christos und Jeanne-Claudes, allen das Erlebnis der Kunst zu ermöglichen.

Einzig für den Zutritt ins Innere und auf die Plattform des Triumphbogens wurde vom Centre des Monuments Nationaux (CNM) ein Eintrittsgeld erhoben, dessen Erlös dem CMN zugutekommt.

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Quelle: Wolfgang Volz © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Die Skulpturen am Fusse de Monuments mussten vor der Verhüllung mit spezielle Schutzgittern abgesichert werden.

Um ein Jahr verschoben

Die Verhüllung des Arc de Triomphe war ursprünglich für April 2020 geplant. Sie musste zunächst aus Naturschutzgründen auf den Herbst verschoben werden, da sich im Frühjahr Falken am L' Arc de Triomphe eingenistet hatten. 

Dann starb Christo im Mai. Dennoch wurde an der geplanten Umsetzung des Projektes festgehalten. Allerdings musste der Termin wegen Corona nochmals um ein Jahr auf den Herbst 2021 verschoben werden.

Ob sich auch dieses Mal drei Millionen Besucher am Arc de Triomphe einfanden, ist noch nicht bekannt. Ein buntes Sprachengewirr war überall zu hören, wegen Corona waren es wahrscheinlich vor allem Europäer, die auf den Weg gemacht hatten.

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Quelle: Matthias Koddenberg © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Bei Befestigen der Stoffbahnen.

Bleibt die Hoffnung, dass es nicht die letzte Idee des visionären Künstlerpaars ist, die in die Realität umgesetzt wurde. Mit seinem Neffen Vladimir Yavachev hat einen perfekten Realisator seiner Projekte gefunden, 30 Jahre hatten sie zusammengearbeitet.


Geplant ist noch die Realisierung von „The Mastaba“, einer riesigen Skulptur, die in den Arabischen Emiraten in der Wüste von Abu Dhabi mit einem Grundriss von rund 300 mal 225 Metern entstehen soll. Das 150 Meter hohe Gebilde aus 440'000 farbigen 200-Liter-Ölfässern wird das einzige dauerhafte Werk des Künstlers in dieser Grösse und soll nur von aussen betrachtet werden können. 

Eine Pyramide „Mastaba“ wurde bereits im Sommer 2018 auf dem See des Londoner Hyde Park zum Schwimmen gebracht. Auf einer verankerten Plattform wurden 7506 bunt bemalte Metallfässer 20 Meter hoch aufgestapelt.

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Quelle: Benjamin Loyseau © 2021 Christo and Jeanne-Claude Foundation

Nachtansicht des verpackten Denkmals.

Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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