16:10 BAUPRAXIS

Bau von Riedbergtunnel: Verstärkte Ausbruchsicherung schafft Stabilität

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: zvg

Da der Tunnel Riedberg der Autobahn A9 bei Gampel-Steg VS durch einen Rutschhang führt, sind spezielle Konzepte für Vortrieb und Sicherung sowie für Innenausbau und -schale vorgesehen. Die Planer wählten mit der permanenten Ausbruchsicherung eine Methode, um mit den Bewegungen des Hanges sowie eingehenden Zwangsverschiebungen und Belastungen auf den Tunnel umzugehen.

Bohrjumbo

Quelle: Stefan Schmid

Der Tunnel Riedberg führt durch einen Rutschhang. Als Bauhilfsmassnahme für den Vortrieb wurde ein Rohrschirm erstellt. Dazu wurden mit der Bohrjumbo fächerartig zwölf Meter lange Stahlrohre versetzt. Bild: der Bohrjumbo vor dem Ostportal der Südröhre.

Nach dem Vortrieb im Schutz eines Rohrschirms wird eine permanente Ausbruchsicherung aus Stahlträgern und bewehrtem Ortbeton erstellt. Innerhalb dieser verstärkten Ausbruchsicherung werden der Innenausbau und die Innenschale auf eine Weise auf die zu erwartenden Zwangsverschiebungen ausgelegt, dass ein möglichst flexibles Bauwerk entsteht.

Der Hang bewegt sich

Der zweiröhrige Tunnel befindet sich auf der orografisch linken Seite des Rhonetals am Fusse einer Sackungs- und Rutschmasse, die wegen der mehrphasigen, nacheiszeitlichen Entstehungsgeschichte einen komplexen strukturellen Aufbau des Untergrunds aufweist. Der Baugrund besteht aus verschiedenen Lockergesteinsschichten, teilweise mit hohem Anteil an Blöcken. Beim Riedberg handelt es sich um einen Rutschhang, der Bereiche mit unterschiedlichen Verschiebungsraten aufweist. «Der Hang war über Jahrhunderte immer in Bewegung und ist abgerutscht», erklärt dazu Martin Hutter, Chef der Dienststelle für Nationalstrassenbau (DNSB).

Bereits vor Aufnahme der Bauarbeiten wurde das Gelände mit geodätischen Messpunkten überwacht. Oberhalb der Baustelle in der Nähe der Dörfer Unterbäch und Eischoll hat das permanent installierte Überwachungsdispositiv damals Bewegungen von rund einem Zentimeter pro Jahr registriert. Die Überwachungsmassnahmen werden laufend optimiert und die Resultate regelmässig von mandatierten Ingenieur- und Vermessungsbüros sowie Geologen ausgewertet und analysiert. Hangbegehungen und Sondierbohrungen sollen weitere Erkenntnisse über die Bewegungen des Hangs liefern.

Baustopp und Neubeginn

Der Vortrieb des Tunnels Riedberg begann 2005. Damit sich der Hang an die baulichen Eingriffe anpassen konnte, erfolgte der Vortrieb damals in beiden Röhren um rund 30 bis 35 Meter versetzt. Gleichwohl hatten die Hangbewegungen Auswirkungen auf die Bauarbeiten. Aufgrund der erhöhten Verschiebungen und Belastungen musste der Vortrieb gestoppt und das Terrain im rückwärtigen Bereich und bei den Portalen mittels Jetting-Säulen stabilisiert und verfestigt werden.

Tunnel

Quelle: zvg

Bis zum Baustopp 2006 waren Teile der Tunnels bereits ausgebrochen, der sogenannte «rückwärtige Bereich» (grau gekennzeichnet). Dort wird nun das Profil aufgeweitet und die verstärkte Ausbruchsicherung eingebaut (blau). Diese wurde bei der Wiederaufnahme der Bauarbeiten bereits umgesetzt (grün).

Obwohl bereits beträchtliche Teile der Tunnels ausgebrochen waren, wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Strassen Astra nach Jahren schliesslich ein Baustopp ausgesprochen, was die Auflösung von Verträgen für die Bauausführung nach sich zog. Für das gesamte Projekt hiess das: zurück auf Feld eins. 

Nach der Genehmigung des überarbeiteten Projekts und der erneuten Ausschreibung und Vergabe wurden 2016 erste Vorbereitungsarbeiten wieder aufgenommen. Die eigentlichen Vortriebsarbeiten begannen dann 2017. Diese kamen nur langsam voran, pro Tag schaffte der Vortrieb zeitweise im Durchschnitt nur 25 Zentimeter. Der Grund dafür war, dass ab der Wiederaufnahme des Vortriebs ein auf die gegebenen geologischen Randbedingungen angepasstes Vortriebs- und Sicherungskonzept umgesetzt wurde.

Verstärkte Ausbruchsicherung

Der Vortrieb erfolgte ab Wiederaufnahme im Schutz eines gefächerten Rohrschirms. Hierfür werden zwölf Meter lange Stahlrohre in vorgegebenem Winkel zur Tunnelachse ins Gesteinsmaterial getrieben und danach mit Zement verfüllt. Dadurch erreichen die Ingenieurinnen und Ingenieure, dass ein Kranz von Rohren das Tunnelgewölbe fächerartig umgibt. Pro Etappe umfasst der Rohrschirm zwischen 50 bis 60 Rohre. Seitlich verlaufen die Stahlrohre mit einem Durchmesser von 14 Zentimetern und einer Wandstärke von rund einem Zentimeter schräg nach aussen, im First nach oben.

Durch diese fächerartige Anordnung der Rohre kann in einem Abstand von sechs Metern die nächste Etappe des Rohrschirms in das umgebende Material gebohrt werden. Bei einer horizontalen Anordnung der Rohre wäre das nicht möglich. Somit überlappen sich die Etappen des Rohrschirms um sechs Meter, was einen durchgängigen Schutz des Arbeitsbereichs gewährleistet. Der gefächerte Rohrschirm lagert sich auf der Ausbruchsicherung und dem Baugrund weiter vorne auf und kann dadurch die Lasten im Ausbruchsbereich übernehmen.

Nach jeder Ausbruchsetappe wird der Querschnitt mit Spritzbeton gesichert. Anschliessend wird eine permanent tragende Ausbruchsicherung eingebaut. Diese besteht aus Stahlträgern im Abstand von einem Meter und stark bewehrtem Ortbeton zwischen den Stahlträgern. Die Armierungskörbe werden in der Werkshalle vor dem Tunnel vorfabriziert und dann zwischen den Stahlträgern platziert. Für den Einbau des Ortbetons wird eine Stahlschalung aus mehreren Teilelementen und einer Länge von drei Metern verwendet.

Die verstärkte Ausbruchsicherung stellt sicher, dass der Tunnel den enormen Belastungen aus dem Hang widerstehen kann. Die neue Ausbruchsicherung sei zwar stabiler als die alte, bekräftigt Hutter, doch aufgrund der Baugrundbedingungen und der erforderlichen Etappierung sei dieses Vorgehen auch relativ aufwendig. «Ein Sprengvortrieb durch Felsen ist einfacher», weiss Hutter aus Erfahrung.

Rückwärtigen Bereich aufweiten

Bei der Begehung des während der ersten Vortriebsetappe 2005 bis 2006 aus-gebrochenen Tunnelabschnitts zeigen sich die Auswirkungen der Hangbewegungen bei der alten Ausbruchsicherung. Der Querschnitt ist teilweise deformiert und im Spritzbeton sind Risse und Abplatzungen zu sehen. Nachdem der Durchbruch der beiden Tunnelröhren erfolgt ist, wird deshalb dieser rückwärtige Tunnelabschnitt aufgeweitet, um auch hier Platz zu gewinnen für die verstärkte Ausbruchsicherung. 

Die Aufweitung wird etappenweise in Abschnitten von sechs Metern vorgenommen, jeweils abgestimmt auf den auch hier eingesetzten Rohrschirm in der Kalotte. Die alte Ausbruchsicherung, bestehend aus Gitterträgern und zwei Schichten Spritzbeton mit einem Stahlnetz dazwischen, wird rückgebaut. Dazu wird diese zuerst mit einem kleineren und danach mit einem grösseren Sägeblatt geschnitten und der Beton dann entfernt. Gearbeitet wird jeweils in Etappen von 1,7 bis 2,6 Metern. Die permanente Ausbruchsicherung mit Stahlträgern und bewehrtem Ortbeton wird analog zum Vortriebsbereich auch an diesen Stellen eingebaut.

Grundkonzept: stabil und flexibel

Auch die Innenschale und der Innenausbau wurden den Randbedingungen angepasst. Um die Kräfte aus den Hangbewegungen aufzunehmen, wird nach dem Einbau einer Abdichtungsfolie die 40 Zentimeter dicke, hoch bewehrte Innenschale aus selbstverdichtendem Beton erstellt. Es handelt sich dabei um eine steife, aber auch duktile Innenschale. Die Kräfte dürfen nicht negiert werden, vielmehr ist deren Umlagerung einzukalkulieren. «Denn je steifer der Betonkörper des Gewölbes ist, umso grösser ist die Gefahr, dass es zu Abplatzungen kommt», sagt Hutter.

Längsschnitt

Quelle: zvg

Die Fächer des Rohrschirms überlappen sich jeweils sechs Meter, was die Sicherheit des Ausbruchbereichs durchgehend gewährleistet.

Querschnitt

Quelle: zvg

Die stählernen Rohre werden im Bereich der Kalotte angeordnet und bilden einen Rohrschirm über dem Tunnel.

Die einzelnen Betonieretappen (Blöcke) weisen eine Länge von sechs Metern auf. Damit sind sie weniger lang als herkömmliche Innenschalen von Strassentunnels. Zwischen den Blöcken sind komprimierbare Fugen vorgesehen. Die Betonringe des Tunnelgewölbes bilden dadurch über die gesamte Länge der Tunnel eine flexible Struktur, die sich den Hangverformungen anpassen kann. Bei der Innenschale wird besonders darauf geachtet, dass der Beton bezüglich der Alkali-Aggregat-Reaktion beständig ist. Wegen möglicher eindringender Feuchtigkeit stellen sich zusätzliche Anforderungen an die Sulfatbeständigkeit.

Unterhalb der Fahrbahn wird sich ein Werkleitungskanal befinden, in welchem sowohl die Elektroleitungen als auch die Löschwasser- und Schmutzwasserleitungen verlaufen. Durch die Führung der Leitungen im Werkleitungskanal statt in den Banketten werden die Auswirkungen der Zwangsverformungen des Querschnitts auf die Leitungen minimiert und der Unterhalt vereinfacht. Oberhalb des Werkleitungskanals besteht der Fahrbahnaufbau aus einer mindestens 20 Zentimeter dicken Fundationsschicht und drei Belagsschichten.

Regen verschärfte Problem

Auch nach der Fortsetzung der Bauarbeiten bewegte sich der Hang. Massive Niederschläge im Jahr 2018 verschärften die Situation. «Damals haben die Bewegungen zugenommen», erklärt Hutter. Mittlerweile zeige es sich jedoch, dass die Bewegungen im Hang wieder kleiner werden. Beim Vortrieb gebe es immer Spannungsumlagerungen im Boden, denn durch die baulichen Eingriffe müsse sich ein neues Gleichgewicht der Kräfte einstellen. Das sei auch bei Tunnelröhren, die durch stabile Felsformationen führen, der Fall.

«Die Arbeiten sind aber nicht der Grund dafür, dass der Hang rutscht», betont Hutter. Bewegungen des Hangs werde es auch nach Abschluss der Arbeiten geben. Dass die Bauarbeiten keine Auswirkungen auf die Bewegungen des Hangs haben, sollen die laufenden Messungen nachweisen. Massnahmen, um den Hang zu entwässern oder das Eindringen von Wasser zu verhindern, seien aber sehr aufwendig und vorerst nicht vorgesehen. Dass Wasser in den Tunnelbereich sickert, erachtet Hutter nicht als ein Problem.

Keine andere Streckenführung

Bei der Überarbeitung des Projekts wurde eine neue Streckenführung nicht in Erwägung gezogen. Denn auf der nördlichen Seite der Tunnel sind die Platzverhältnisse beschränkt, zumal sich hier das Rhonetal verengt. Die Kantonsstrasse, die Linien der SBB und der Rotten grenzen unmittelbar an die Baustelle, eine Hochspannungs- und eine Gasleitung queren das Gelände. Auch seien von privaten Hauseigentümern Einsprachen zu erwarten gewesen, sagt Hutter. Zudem sei ein beträchtlicher Teil der Tunnelröhren bereits ausgebrochen gewesen.

Umfangreiche Änderungen bei den Zufahrtsstrecken zu den Tunnelportalen hätten jahrelange Planungen und Überarbeitungen verschiedener Teilprojekte zur Folge gehabt. «Bei einem Entscheid, den Streckenverlauf zu ändern, hätte man ein vollkommen neues Projekt auflegen müssen. Dann hätte es zehn Jahre dauern können bis zur Wiederaufnahme der Bauarbeiten. Tatsache ist aber, dass die Röhren inzwischen ausgebrochen sind. In ein paar Jahren ist der Tunnel in Betrieb», sagt Hutter. Und er verweist auf die Situation bei den beiden Tunnels Eyholz und Visp der Autobahn A9. Auch bei diesen Abschnitten, die durch Felsformationen verlaufen, sei man beim Sprengvortrieb immer wieder auf Störungszonen gestossen.

Mit Projekt auf Kurs

Der Bau des Tunnels wird 2023 in die Endphase kommen. Gemäss Plan sollten die beiden Tunnelröhren des Riedbergs bis 2025 / 26 vollendet sein. Bis dahin wird auch der Vispertaltunnel bei der Umfahrung Visp in das System der Autobahn A9 integriert und auch der gedeckte Einschnitt Raron wird dann voraussichtlich für die Verkehrsnutzung freigegeben sein. Mit dem geplanten Abschluss der Bau- arbeiten in vier Jahren wird dann das  Teilstück der Autobahn A9 im Oberwallis fertiggestellt sein.

Dann wird die Autobahn A9 von Brig bis Leuk-Susten durchgehend befahrbar sein, ein Ereignis, auf welches das Oberwallis mit Ungeduld wartet. Wann der Verkehr über die gesamte Strecke der Autobahn A9 vom Genfersee bis Brig rollen wird, ist noch unklar. Denn dafür müssen die Bauarbeiten für den Abschnitt durch den Pfynwald mit Tunnel und gedeckten Einschnitten zuerst aufgenommen werden. 

Es handelt sich um eines der noch verbleibenden Grossprojekte für die Vollendung des Nationalstrassennetzes. Das generelle Projekt des Abschnitts durch den Pfynwald hat der Bundesrat bereits genehmigt. Hängig sind aber noch Ein-sprachen. Hutter will keine Prognose wagen, ob der Baustart in den nächsten zwei bis drei Jahren erfolgen wird. Seine Erfahrung ist aber auch bei diesem Projekt gefragt – und Langmut.

Wechselvolle Geschichte

Zusammen mit anderen Teilabschnitten der Autobahn A9 begannen die Bauarbeiten beim Tunnel Riedberg 2004 / 05. Aufgrund von erhöhten Hangbewegungen wurden die Bauarbeiten gestoppt. Eine eingesetzte Task-Force beschloss danach verschiedene Massnahmen wie die Verstärkungen im rückwärtigen Bereich und am Portal West mittels Jetting-Säulen.

Am Portal Ost wurde zudem ein Stützkörper aus Beton mit ausgespartem Tunnelprofil erstellt. Nach dem Baustopp wurden die Bauarbeiten 2016 wiederaufgenommen. 2017 begannen die Vortriebsarbeiten. 2018 ereignete sich ein tödlicher Arbeitsunfall. Schliesslich erfolgte im Oktober 2020 der Durchstich der 537 Meter langen Nordröhre, im März dieses Jahres jener der 565 Meter lange Südröhre.

Das Konzept der verstärkten, permanent tragenden Ausbruchsicherung wird in der Schweiz eher selten angewendet. Als speziell bezeichnet Hutter das Verfahren allerdings nicht. Die Arbeiten sind momentan zeitlich auf Kurs. Ende August waren beim Tunnel Nord 48 Prozent der verstärkten Ausbruchsicherung im rückwärtigen Bereich eingebaut, bei der Südröhre 25 Prozent. Für die Fertigstellung des Tunnelabschnitts Riedberg wurden ursprünglich 85 Millionen Franken veranschlagt, laut aktuellem Stand wird insgesamt mit Kosten von 220 Millionen Franken gerechnet. (sts)

Projektbeteiligte

Bauherr: Kanton Wallis, Dienststelle für Nationalstrassenbau (DNSB)
Projektverfasser: Amberg Engineering AG
Örtliche Bauleitung: IG CSD – AFRY
Unternehmen: ARGE Tunnel Riedberg (Prader Losinger AG, Frutiger AG, Interalp Bau AG)

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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