11:32 VERSCHIEDENES

Messmethode könnte Potenzial von Biogas erweitern

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: charles-brongniart – unsplash – eigenes Werk

Verunreinigungen hemmen den Einsatz von Biogas. Eine Analysemethode von PSI-Forschern bietet einen Lösungsansatz, um bei kleinen Biogasanlagen mit wenig Aufwand die Analytik zu verbessern oder dereinst Brennstoffzellen mit Biogas zu betreiben.

PSI Biogas

Quelle: PSI / Markus Fischer

Ayush Agarwal hat sich während seiner Doktorarbeit am Zentrum für Energie- und Umweltwissenschaften des PSI mit der Analyse von Biogas beschäftigt.

Über 160 Biogasanlagen im Land produzieren Gas aus Abfällen, Mist und Gülle. Und Abwasserreinigungsanlagen wird Klärschlamm in Faultürmen zum ähnlich zusammengesetzten Klärgas vergären, einer Unterart des Biogases. Das Gasgemisch besteht zu 50 bis 75 Prozent aus Methan und mindestens einem Viertel Kohlendioxid. Durch Abtrennen des Kohlendioxids entsteht Biomethan, welches sich ins Erdgasnetz einspeisen lässt. Das Biogasgasgemisch und damit auch Biomethan können weitere Substanzen enthalten. Dabei handelt es sich im eigentlichen Sinn um Verunreinigungen. Schon geringste Mengen solcher Verunreinigungen können erhebliche Nachteile für die Nutzung von Biogasen haben. Zum Vergleich: Selbst ein Molekül auf eine Millionen Teilchen kann den breiten Einsatz stark beeinträchtigen. «Diese verursachen trotz ihrer winzigen Konzentration riesige Probleme», sagt Ayush Agarwal, der sich im Rahmen der Doktorarbeit am Paul Scherrer Institut PSI der Analyse von Biogas gewidmet hat und Erstautor einer Studie ist. 

Unerwünschte Reaktionen von Siloxanen

Gefürchtete Störstoffe sind etwa organische Schwefelverbindungen. Sie entstehen, wenn Bakterien Proteine zerlegen, die Schwefelatome enthalten. Siloxane wiederum sind siliziumhaltige Verbindungen, die beispielsweise in Duschgels enthalten sind. Über den Abfluss gelangen die Siloxane in die Kläranlage und von dort schliesslich ins Biogas. Das grüne Gas unterliegt strengen Qualitätskriterien. In der Schweiz gelten wie im Rest von Europa Grenzwerte für Schwefelverbindungen und Siloxane in Biogas − Voraussetzung für die Einspeisung von Biomethan ins öffentliche Gasnetz und für den Betrieb von Biogasanlagen als Kraftstofflieferant.

Doch unerwünschte Folgen haben chemische Reaktionen von Siloxanen auch dann, wenn Biomethan in Gaskesseln für die Energieerzeugung verbrannt wird. Denn dabei bildet sich Siliziumdioxid. «Es verstopft die Brennsysteme, sodass die Anlagen als Folge beispielsweise mehr Energie benötigen, um die gleiche Menge Wasser zu erwärmen», erklärt Agarwal. Die Wirkung lasse sich mit einem Wasserkocher vergleichen, der sich dicht mit Kalk zugesetzt habe. «Selbst in Spuren sind Siloxane und organische Schwefelverbindungen schädlich», führt Agarwal weiter aus.

Verunreinigungen verhindern Einsatz von Biogas bei Brennstoffzellen

Die Verunreinigungen haben allerdings noch einen weiteren Nachteil. Denn sowohl Siloxane als auch organische Schwefelverbindungen verhindern, dass sich Biomethan in einer Brennstoffzelle nutzen lässt. Bei der bewährten Technik werden energiereiche Gase zur Stromproduktion eingesetzt. Mit Biomethan können momentan noch keine Brennstoffzellen betreiben werden, wie das PSI in einem Beitrag schreibt. Störend sind die Verunreinigungen auch bei der Aufbereitung von Biogas zum einleitbaren Biomethan. Erst wenn Art und Menge der Verunreinigungen bestimmt werden können, wären technische Massnahmen möglich, um Biomethan für weitere Anwendung nutzbar zu machen. 

Kleinsten Mengen auf der Spur

Am Zentrum für Energie- und Umweltwissenschaften des PSI haben Forscherinnen und Forscher erstmals eine Analysemethode entwickelt, welche Schwefelverbindungen und Siloxane in Biogas gleichzeitig erfasst. Mit der Methode sind geringste Mengen von Substanzen nachweisbar. In welchen winzigen Dimensionen die Analyse eingesetzt werden kann, zeigt folgender Vergleich: Umfasst die Menge eine Milliarde Teilchen, können genau fünfzehn Moleküle den Substanzen zugeordnet werden, welche die Verunreinigung verursachen.

So funktioniert die Methode 

Ein Gaschromatograph trennt zunächst die Bestandteile im Biogas auf. Die Probenbestandteile werden dabei verdampft, in ihre atomaren Bestandteile zerlegt und zu geladenen Teilchen umgewandelt. Anschliessend werden die Isotope der einzelnen Elemente mittels «Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma» bestimmt und quantifiziert. Der Trick dabei: Das Gerät erfasst gezielt bestimmte, zuvor ausgewählte Elemente, ignoriert aber alle anderen. Auf diese Weise ist es möglich, Schwefel und Silizium auch in sehr geringen Mengen nachzuweisen – neben einer Fülle anderer Verbindungen im Biogas. «Unseres Wissens ist das die erste Methode dieser Art, die Schwefel- und Siliziumverbindungen gleichzeitig bestimmen kann», sagt Agarwal. 

Schub für die Energiewende

Die PSI-Forschenden präsentierten auch für kleine Biogasanlagen eine praktische Lösung, die nicht mit Analysegeräten ausgestattet sind. Dazu werden mit einem mobilen Gerät Biogasproben entnommen, um die Gase in einer Flüssigkeit zu lösen. Auf diese Weise sind selbst geringe Mengen der Verunreinigungen für mindestens 28 Tage im flüssigen Medium nachweisbar. Innerhalb dieser Zeitspanne können die Proben im Labor analysiert werden. Die universelle Anwendbarkeit der Analysemethode ermöglicht einen breiten Einsatz, sodass neue Anwendungsfelder für Biogas erschlossen werden können. «Man kann nur etwas verbessern, wenn man es auch gut messen kann», fasst Agarwal zusammen.

Bei grösseren Biogasanlagen sind Reinigungssysteme installiert, um das Gas von den unerwünschten Substanzen zu säubern. Analysegeräten messen jeweils die Zusammensetzung des eingesetzten Biogases und prüfen die Funktionsweise der Reinigungssysteme. Eine gute Analytik ist somit die Voraussetzung dafür, dass das gesamte System rund um den Einsatz von Biogas funktioniert. «Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir am PSI angewandte Forschung betreiben, die konkrete Lösungen für aktuelle Herausforderungen liefert», doppelt Co-Autor und PSI-Forscher Christian Ludwig nach. 

Der Markt für Biogas wächst: Nach Angaben des Bundesamts für Energie hat die Schweiz im letzten Jahr 471 Gigawattstunden des Energieträgers ins Erdgasnetz eingespeist – in etwa doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Damit wächst auch die Notwendigkeit, schnell und zuverlässig Verunreinigungen in Biogas messen zu können. Die Methode wurde im Fachblatt «Progress in Energy» publiziert. (mgt/sts)

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Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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