18:31 VERSCHIEDENES

Eisschollen bei Konstantinopel wegen Vulkanausbrüchen auf Island

Teaserbild-Quelle: Gemeinfrei

Eisberge am Bosporus und ein gefrorenes Schwarzes Meer: Vulkanausbrüche auf Island sorgten im Frühmittelalter  für eisige Wintertemperaturen. Das zeigt eine Studie der Universität Bern mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Rekonstruktion des mittelalterlichen Konstantinopel

Quelle: Johannes Preiser-Kapeller/ÖAW, Bild erstellt mithilfe von KI.

Rekonstruktion des mittelalterlichen Konstantinopel. Das Meer rund um die Stadt war im Winter 763/764 zugefroren. Aufgrund von Vulkanausbrüchen auf Island war das Klima kälter geworden.

Im Winter 763/764 froren weite Teile des Schwarzen Meeres zu. Am Boporus sollen Eisberge auf dem Wasser getrieben sein. Davon berichten zeitgenössische Historiker in Aufzeichnungen aus Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Es war einer der kältesten Winter, den die Region jemals erlebt hatte. Der Grund für die krassen Temperaturstürze: Vulkanausbrüche auf Island. - Dies geht aus einer internationalen, fachübergreifenden Studie der Universität Bern mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hervor. 

Bislang war man, was den Einfluss von Vulkanausbrüchen auf das weltweite Klima betrifft, davon ausgegangen, dass es in der Zeit zwischen den Jahren 700 und 1000 eine vulkanische Ruhepause gegeben hatte. Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu den geologischen Befunden aus Island und aus Sulfatkonzentrationen in Eisbohrkernen aus Grönland, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Nature-Portfolio des Fachjournals Communications Earth and Environment publizierten.

Eruptionen auf Island

Zur Ermittlung der Vulkanaktivitäten und der Konzentration klimawirksamer Schwefelaerosole jener Zeit, wurden für die Studie  auf Analysen  sogenannter  Kryptotephra - das sind von blossem Auge unsichtbare Spuren von Vulkanasche - sowie hochauflösende Schwefelisotopenanalysen und andere chemische Indikatoren für vulkanische Eruptionen von Eiskernen aus Grönland genutzt. Das Forschungsteam kam zum Schluss, dass vor allem Eruptionen auf Island die Ursache für eine längere Episode vulkanischer Schwefeldioxid-Emissionen zwischen 751 und 940 gewesen sind.

Das letzte Mal ausgebrochen ist der Vulkan Katla am 12. Oktober 1918, nach einem Erdbeben um 13 Uhr stieg eine rund 14 Kilometer hohe Eruptionssäule in die Höhe. Die Eruptionen hielten in den folgenden 23 Tagen an. - Er gilt als einer der aktivsten Vulkane Islands und befindet sich im Süden der Insel. ( Aufnahme vom Ausbruch des Katla bei der Mýrdalsjökull Eiskappe, um 1918 / Gemeinfrei)

«Bisher wurden Vulkanausbrüche als ein kurzlebiger, zufälliger Klimaantrieb interpretiert, wirksam während maximal ein bis drei Jahren», so Imogen Gabriel und Michael Sigl, die Hauptautorin respektive Hauptautor der Studie von der Universität Bern, in der Medienmitteilung der ÖAW zitiert.

Sterbende Tiere und gefrorene Ernte

«In den historischen Quellen wird nicht nur beschrieben, dass es sehr kalt war, sondern, dass die extremen Temperaturen Tiere sterben und Feldfrüchte erfrieren liessen», erklärt Johannes Preiser-Kapeller, Byzanzforscher am Institut für Mittelalterforschung am ÖAW. «Die Menschen litten nicht nur unmittelbar Not, sondern waren auf verschiedenen Ebenen tief erschüttert.» Als sich im März 764 dann auch noch ein Meteorschauer den Himmel erleuchtete, fürchteten viele Menschen, dass das Ende der Welt gekommen sei. 

Diese Krisenzeit prägte auch auf die politische Wetterlage. Für das damalige Byzantinische Reich, zu dem Preiser-Kapeller forscht, war es eine Zeit innerer Konflikte, die  als «Bilderstreit» in die Geschichte eingegangen ist.  «Man stritt darum, wie man das Göttliche richtig verehrt. Aus Sicht eines Bilderverehrers war der Kaiser schuld, weil er verbot, die Heiligen angemessen zu verehren», so der Historiker.  «Die Krise wurde also politisch instrumentalisiert und als Strafe Gottes interpretiert.».

Vulkane bei Klimamodellen berücksichtigen

Der interdisziplinäre Ansatz der Studie illustriere den bedeutenden Beitrag anhaltender vulkanischer Sulfatemissionen zur vorindustriellen atmosphärischen Aerosolbelastung, der in bisherigen Schätzungen zur Rekonstruktion des Klimas nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, heisst es in der Medienmitteilung. Laut  dem Forschungsteam unterstreicht dies die Notwendigkeit, dass es weitere interdisziplinäre  Forschung braucgt, um mit diesen Phänomenen verbundene Klimarückkopplungen in Vergangenheit und Gegenwart besser zu verstehen. (mai/mgt)

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