Ausflugstipp: Unterwegs im weiten Feld der Forschung in Davos
Davos ist bekannt für unterschiedlichste Forschungsaktivitäten, sei es in der Medizin oder der Lawinenforschung. Ein Buch illustriert, wie vielfältig die Forschungsgebiete dort aktuell sind. Es ist zugleich ein Wanderführer.

Quelle: Roman Zweifel
Der Punktdendrometer misst kontinuierlich, wie sich der Stammradius verändert.
Im Hochgebirge sind sie auf Steinen und Felsen eine Zier. Gelb bis olivgrün leuchten die schwarz umrandeten, eckigen Felder von Rhizocarpon geographicum. Es handelt sich um Landkartenflechten, die zugleich ein Mysterium sind. Denn die Pflanze ist äusserst anspruchslos. Feuchtigkeit holt sie sich aus Nebel oder Tau. Bei Trockenheit fällt sie in eine Ruhestarre, und sie kann Temperaturen weit über oder unter null überstehen. Einzige Bedingung fürs Gedeihen: ein saures Habitat. Wegen der Anpassung an die Extrembedingungen wächst diese Flechtenart lediglich 0,15 Millimeter pro Jahr, wie Forschende herausgefunden haben. Die Flechten können ein hohes Alter erreichen. In Einzelfällen waren es bis zu 9000 Jahre. Kurze Sommer, extreme Temperaturschwankungen, intensive Sonnenstrahlung, starke Winde setzen Fauna und Flora ständig unter Anpassungsdruck.

Quelle: Stefan Margreth
Bremshöcker und ein Auffangdamm sollen die Dorfbachlawine aufhalten.
Im Buch «Wandern, wo andere forschen» sind Überlebensstrategien beschrieben. Die Blüten der Soldanelle beginnen bereits unter der Schneedecke zu wachsen, um später die Vegetationszeit optimal nutzen zu können. Wegen der Schutzfunktion ist dies beim Wald vollkommen anders. Aufforstungen und Lawinenverbauung sind für die Dörfer im Tal und die touristische Infrastruktur existenziell. Ein Kapitel befasst sich mit den Forschungen zur Vegetation im Bereich der Waldgrenze. Klimastationen erfassen dazu Daten über die Sonneneinstrahlung, den Niederschlag sowie die Luft- und Bodentemperatur oder die Schneehöhe.

Quelle: Jochen Bettzieche
Forschungsinstallation am Steilhang für mehr Strassensicherheit in der Schweiz.
Erkenntnisse über der Waldgrenze
Im Rahmen eines Aufforstungsprogramms, liess sich auf Basis der Daten der Schluss ziehen, dass von allen drei gepflanzten Baumarten viele Exemplare oberhalb der Waldgrenze überlebt haben. Dagegen war dies bei den gepflanzten Arven und Berg-Föhren nicht der Fall. Die Erkenntnisse könnten in Zeiten des Klimawandels Hinweise für künftige Aufforstungen geben. Die Berichte im Buch umfassen insgesamt sieben Gebiete rund um Davos, wo die Wissenschaft Feldforschung betreibt. Und es vermittelt innerhalb der Kapitel in geraffter Form viel Wissenswertes über die Forschungsarbeit. Kurze Exkurse zur Geschichte der Talschaft stellen die Forschungsaktivitäten zeitlich in grössere Zusammenhänge. Eine Karte samt Kurzbeschrieb, ein Höhenprofil und Angaben zur Wegstrecke sowie dem Zeitbedarf genügen für die Organisation des Ausflugs ins Forschungsfeld.

Quelle: Christian Rixen
Sogenannte «Open Top Chambers» erhöhen die Lufttemperatur, um den Klimawandel zu simulieren.
Als Vorbereitung für die Entdeckungswanderung bietet jedes Kapitel auf 20 bis 25 Seiten einen Überblick über die wissenschaftlichen Aktivitäten. Dabei bestimmt die Landschaft die Art der Forschung. Der kapitelweise systematische Aufbau und die spannenden Einblicke in die wissenschaftliche Forschung regen an, eigene Entdeckungen zu machen. Mit der Anleitung fürs Beobachten wird auch Unscheinbares zum Ereignis. Und weil die Dokumentation der Forschungsaktivitäten integraler Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit ist, sind die Bilder im Buch von ausgesucht hoher Qualität. Zugleich ist das Buch ein Bekenntnis zur Entschleunigung. Lesen, beobachten, staunen über Flora, Fauna und Gesteinsformationen im hochalpinen Raum. Bei Wanderausflügen in der Region Davos gehört es in jeden Rucksack. Wissenschaft ist auch von Neugier getrieben. Mit diesem Buch ist sie ansteckend.
Buchtipp

Quelle: Michael Zehnder
Wandern, wo andere forschen
Davos und Umgebung
Christine Huovinen / Jochen Bettzieche-Keber / Peter Bebi / Frank Krumm / Sandra Gurzeler / Birgit Ottmer
324 Seiten, durchgehend farbig illustriert, Softcover mit Klappen, CHF 38,00; ISBN 978-3-258-08405-3; Haupt Verlag, Mai 2025