16:26 MANAGEMENT

Zukunftsträchtige Projekte: Warum der Transrapid nie zum Laufen kam

Teaserbild-Quelle: Állatka, rigenes Werk, Gemeinfrei

Warum scheitern Projekt wie zum Beispiel der Transrapid, eine in den 1990er-Jahren geplante Hochgeschwindigkeitsbahn, die ihrer Zeit voraus sind? Unter anderem daran, dass sie im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen stehen. Dies ist einer der Schlüsse, die der Organisationswissenschaftler Marcel Schütz zieht.

Transrapid (Visualisierung)

Quelle: Állatka, rigenes Werk, Gemeinfrei

Verlor im Laufe der Zeit sein Image als Verkehrsmittel der Zukunft: der Transrapid, eine Hochgechwindigkeitsschwebebahn, die einst Berlin mit Hamburg hätte verbinden sollen.

Mit der Hochgeschwindigkeitsmagnetschwebebahn in 60 Minuten von Berlin nach Hamburg sausen. Möglich machen sollte es das in Deutschland entwickelte Transrapid-System. Es galt In den 1990er-Jahren als technisches Wunder: schwebend statt rollend, leise, emissionsarm und mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Stundenkilometern. Milliarden flossen in Forschung und Entwicklung – allen voran in die rund 31 Kilometer lange Teststrecke westlich von Bremen, in der Nähe der niederländischen Grenze. (Sie kann heute noch besichtigt werden. Mehr dazu hier: https://fv-transrapid.de/besucherzentrum/).

Dem ambitionierten Projekt war allerdings kaum Erfolg beschieden. Es kam zum Erliegen, bevor es überhaupt richtig Fahrt aufnehmen konnte: Kurz vor dem Spatenstich für die Strecke Berlin-Hamburg wurde das ambitionierte Milliardenvorhaben nach viel Uneinigkeit zwischen Wirtschaft und Politik im Jahr 2000 überraschend gestoppt.
Doch weshalb scheiterte die Schnellstrecke und mit ihr möglicherweise noch weitere tatsächlich? Weshalb konnte sich die Technologie nicht durchsetzen

Organisationswissenschaftler Marcel Schütz von der Hamburger Northern Business School hat sich mit solchen Fragen befasst, und auch mit den Lehren, die sich aus dem Ende des Transrapid ziehen lassen.

Transrapid kollidierte mit dem ICE

Technologien müssten in bestehende Infrastrukturen, politische Programme, wirtschaftliche Interessen und gesellschaftliche Zukunftsbilder passen, erklärt er. Beim Transrapid war dies laut dem Experten nicht der Fall. Das Projekt kollidierte mit der etablierten Rad-und-Schienen-Infrastruktur, mit einflussreichen Akteuren wie der Deutschen Bahn und einer wechselvollen öffentlichen Stimmung. Dass die Technologie ihrer Zeit voraus gewesen ist, kann laut Schütz ein Nachteil sein. Denn hat ein bestehendes System – in diesem Fall der ICE – bereits Milliarden verschlungen, werden Alternativen oft nicht mehr in Betracht gezogen. Das sei ein klassischer Fall von Pfadabhängigkeit.

Schütz ist der Ansicht, dass das vorzeitige Ende des Transrapid nicht allein an technischen oder ökonomischen Fragen gelegen hat, sondern an der Schwierigkeit, ein Grossprojekt in einem Netzwerk unterschiedlicher Akteure mit teils widersprüchlichen Interessen voranzubringen: Während die Industrieunternehmen Siemens und Thyssen Krupp im Transrapid eine Exporttechnologie sahen, schwand das Interesse der Deutsche Bahn hingegen zunehmend, ein paralleles System zum ICE zu betreiben. Die Bundesregierung sei zuletzt zwischen Förderwillen und Ausstieg geschwankt, am Ende habe niemand mehr an einem Strang gezogen.

Kostenexplosion und Transrapid als Zukunftsvision der Vergangenheit

Eine grosse Rolle spielte gemäss Schutz neben den politischen Schwierigkeiten das Geld: Im Verlauf der Planungen waren die Kostenprognosen dramatisch angestiegen, und zwar von drei Milliarden D-Mark auf Ende zehn Milliarden. Parallel dazu verringerte sich der der Zeitvorteil gegenüber dem ICE, weil dieser infolge der Streckenertüchtigung immer schneller unterwegs war: Zuletzt hätte sich mit dem Transrapid für die Strecke Hamburg–Berlin nur noch eine gute halbe Stunde einsparen lassen  – zu wenig für ein riesiges Milliardenprojekt. Heute allerdings dürfte es sich wohl wieder lohnen: Laut Website der Deutschen Bahn dauert die Fahrt von Berlin nach Hamburg mit dem ICE heute knappe zweieinhalb Stunden. 

Wie Schütz weiter festgestellt hat, scheitern Technologien nur an Fakten, sondern auch an Erzählungen: Der Transrapid sei in den 1980er Jahren für ein Zukunftsbild gestanden, das von starker Geschwindigkeitsfaszination und fundamentalen Hightech-Neuerungen geprägt gewesen sei. Doch Ende der 1990er verschoben sich diese Erzählungen in Richtung Nachhaltigkeit, Systemintegration und Kostenbewusstsein, womit der Zukunftszug wie ein Techniktraum der Vergangenheit erschien.

Innovationen stehen im Kontext mit gesellschaftlichen Prozessen

Schütz erkennt im Transrapid ein Paradebeispiel dafür, dass Innovationen nicht maschinell-technisch isoliert sind, sondern vor allem gesellschaftliche Prozesse darstellen. «Schliesslich sind Technologien soziale Koproduktionen – sie müssen Sinn stiften, Erwartungen erfüllen und Anschluss finden an das, was da ist und genutzt wird», so der Wissenschaftler. «Die Innovation fällt nicht vom Himmel und wird uns nicht durch die Naturgesetze in die Hand gedrückt. All das muss erstmal aufwändig geplant, hergestellt und etabliert werden.» (mgt/mai)

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