Fünf Jahre Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
Vor rund fünf Jahren trat das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft, das bei Ausschreibungen neben dem Preis auch Kriterien der Qualität und Nachhaltigkeit in den Entscheidungsprozessen etablieren soll.
Quelle: Peter Mosimann, Swiss Parliament, Copyrighted free use
Mit der Überarbeitung der IVöB ist ein grosser Schritt in Richtung Harmonisierung der der Rechtsgrundlagen der Kantone vollzogen worden.
Im Januar 2021 trat auf Bundesebene das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in Kraft. Parallel dazu wurde die Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) revidiert, welches die Auftragsvergabe auf Ebene der Kantone regelt. Hintergrund beider Revisionen war zum einen die der Umsetzung des revidierten Abkommens der Welthandelsorganisation WTO über das öffentliche Beschaffungswesen von 2012 (Government Procurement Agreement, GPA 2012). Die Schweiz ist Gründungsmitglied der 1995 ins Leben gerufenen Nachfolgeorganisation. Zugleich bestand die Notwendigkeit der Harmonisierung und Klärung des nationalen Beschaffungsrechts.
«Fakt ist aber, dass es final Auftraggeber braucht, welche die Kreislaufwirtschaftsprodukte bestellen, und damit stehen die öffentlichen Bauherren in der Mitverantwortung.» In der Schweiz stammen rund 40 Prozent aller Aufträge von öffentlichen Bauherren, und die werden durch die Vorlage verstärkt in die Pflicht genommen. Bereits am 1. Januar 2021 trat das revidierte öffentliche Beschaffungsrecht in Kraft und hat hier einen ersten Anschub gegeben.
Swissbau-Veranstaltungstipp: 5 Jahre BöB
Anlässlich des
fünfjährigen Jubiläums der revidierten Beschaffungsvorschriften (BöB)
richtet sich dieser Anlass an alle, die mit Bauaufträgen, Vergaben und
Zusammenarbeit zu tun haben. Im Zentrum steht die Frage, wie sich
Bauprozesse in Zeiten neuer Rahmenbedingungen entwickeln — und wie
partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und
Auftragnehmern aussehen kann. Dazu eibt es Einblicke und
Erfahrungsberichte von Fachpersonen aus allen Bereichen der
Bauwirtschaft. Mit dabei sind unter anderem Jürg Röthlisberger
(Bundesamt für Strassen, Direktor), Angela Mizrahi(Präsidentin SIA 130)
und Jens Vollmar (Implenia CEO und Vizepräsident Entwicklung Schweiz). (bb)
Dienstag, 20. Januar 2026, 12:30–15:00 Uhr
«Bis zu diesem Zeitpunkt stand vor allem der Preis bei einer öffentlichen Ausschreibung im Fokus, seitdem ist der Preis eine weiterhin sehr wichtige Grösse, aber Qualität und Nachhaltigkeit haben als Vergabekriterien an Bedeutung gewonnen», so Thomas Weibel, Vizedirektor und Leiter Unternehmensführung beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV), gegenüber der Zeitschrift «Bauwirtschaft».
Schritt Richtung Harmonisierung
Mit der Überarbeitung der IVöB wurde ein grosser Schritt in Richtung Harmonisierung der der Rechtsgrundlagen der Kantone vollzogen. Die Revision trat am 1. Juli 2021 in Kraft, mit dem Beitritt der ersten beiden Kantone Appenzell Innerrhoden und Aargau. Inzwischen sind fast alle Kantone der Vereinbarung beigetreten. Das Verfahren läuft nur noch in Genf, Obwalden und Appenzell Ausserrhoden. Dazu kommt als Spezialfall Bern: Der Kanton ist nicht Mitglied des IVÖB, wendet aber die Vereinbarung als kantonales Recht mit eigenem Rechtsweg an.
Auch die gewünschte Harmonisierung mit dem Beschaffungsrecht des Bundes konnte erreicht werden, wobei aber wichtige Unterschiede bestehen bleiben bei den Zuschlagskriterien, dem eigentlichen Kern des Beschaffungswesens. Beiden gemeinsam ist wie bisher die Bestimmung, dass das «vorteilhafteste Angebot» den Zuschlag erhält, wobei neben dem Preis auch qualitative Kriterien zu berücksichtigen sind. «Die Gesetzesänderungen schaffen eine Grundlage, um Materialkreisläufe zu schliessen und die Kreislaufwirtschaft bei Produkten und Bauwerken zu stärken«, sagt Thomas Weibel.
Ökologische und soziale Aspekte
Denn mit der Revision stehen nicht mehr allein wirtschaftliche Kriterien im Zentrum: Auftraggeber sind nun verpflichtet, auch ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte zu berücksichtigen, womit statt eines reinen Preiskampfes ein Qualitätswettbewerb in den Fokus rückt. Eingeführt wurde eine ganze Reihe neuer Zuschlagskriterien wie Lieferbedingungen, Innovationsgehalt, Funktionalität, Servicebereitschaft, Fachkompetenz, Effizienz der Methodik, Nachhaltigkeit sowie Lebenszykluskosten. In Ausschreibungen muss dabei klar definiert sein muss, welche Qualitätskriterien aufgrund welcher Faktoren geprüft und bewertet werden. Generell muss ein Auftraggeber nicht nur die Zuschlagskriterien, sondern auch deren Gewichtung in den Ausschreibungsunterlagen transparent machen.
Auf Bundesebene sind, im Unterschied zu den Kantonen, zwei weitere Kriterien hinzugekommen: Die «Verlässlichkeit des Preises» und die «Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus in den Ländern, in welchen die Leistung erbracht wird». Auf kantonaler Ebene besteht keine Möglichkeit zur Anwendung dieser beiden Kriterien.
Herausfordernde Umsetzung
Was auf dem Papier gut tönt, ist indes in der Umsetzung herausfordernd, betont Thomas Weibel: «In der Praxis stehen ausschreibende Stellen wie Unternehmer immer wieder vor Unklarheiten.» Oft fehle noch ein gemeinsames Verständnis darüber, was gefordert ist und in welcher Form. «Gerade weil qualitative Aspekte schwerer zu bewerten sind als der Preis, braucht es klare Orientierungshilfen», so Weibel weiter.
Um hier Klarheit zu schaffen, lancierten SBV der Baumeisterverband und Infra Suisse, die Branchenorganisation der im Infrastrukturbau tätigen Unternehmen, gemeinsam die webbasierte «Toolbox Nachhaltigkeit». Die digitale Plattform richtet sich an öffentliche Vergabestellen sowie Ingenieurbüros, die Ausschreibungen vorbereiten und auswerten, indem sie Ausschreibende bei der Formulierung praxistauglicher Zuschlagskriterien unterstützt. Mit an Bord ist auch Bauenschweiz, der Dachverband der Schweizer Bauwirtschaft
Die Toolbox ist dreisprachig und basiert auf praxisrelevanten Anwendungsbeispielen. «Zentral ist das gemeinsame Verständnis», so Weibel. «Nur wenn Vergabestellen und Submittenten dasselbe meinen, kann nachhaltige Beschaffung gelingen.» Die Toolbox bietet aktuell elf Kriterien von der Materialbewirtschaftung über faire Arbeitsbedingungen bis zum Nachweis von Klimazielen. Geordnet sind Nutzer finden einen Katalog nachhaltigkeitsbezogener Zuschlagskriterien, Textbausteine, Formulare, Bewertungstabellen sowie rechtliche und praktische Erläuterungen. Im März fanden die ersten Webinare zur neuen Toolbox statt, weitere sind geplant.
Nachgefragt...
... bei Thomas Weibel, Vizedirektor und Leiter Unternehmensführung beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV).
Wie schätzen Sie die bisherige Wirkung des revidierten BÖB bezüglich Nachhaltigkeit ein?
Die erkennbare Anwendung von Zuschlagskriterien zur Nachhaltigkeit ist vielversprechend. Offenbar scheint ein Paradigmenwechsel stattzufinden: Weg von «nur der Preis zählt» hin zu Qualität vor Preis.
Es besteht allerdings die Gefahr, dass aufgrund der Unkenntnis von Beschaffungsstellen nun Kriterien gewählt werden, die entweder nicht klar messbar sind oder dass die Wirkung der Kriterien nicht optimal auf die Nachhaltigkeit des Projektes wirkt oder schlimmer – dass die Wirkung aufgrund anderer projektspezifischer Merkmale und Anforderungen sogar zu verpuffen droht.
Wo sehen Sie allenfalls den Bedarf an weiteren Präzisierungen oder Ergänzungen?
Es ist aus unserer Sicht essentiell, dass alle Projektbeteiligten sich rechtzeitig in die Auswahl geeigneter Zuschlagskriterien einbringen. Wir suchen darum ständig den Dialog mit Planern (über den SIA) und ausschreibenden Stellen über unsere Sektionen.
Das bestmögliche Resultat für ein Projekt – auch hinsichtlich Nachhaltigkeit – verspricht die Abwicklung in einer Projektallianz (pro-allianz.ch). Wir unterstützen als Verband unsere Branche beim Erlernen der neuen Rollen und Aufgaben und erreichen so eine bestmögliche Unterstützung des Allianzteams.
Wie viele Ausschreibungen sind bisher mit Hilfe der Toolbox erfolgt?
Das kann aus heutiger Sicht noch nicht durch uns beurteilt werden. So oder so stehen wir noch eher am Anfang. Wir werden aber zeitnah mit Bauenschweiz die Vergaben mit der Toolbox Nachhaltigkeit auch monitoren können.
Haben Sie von Anwenderseite Feedback zum Tool erhalten? Und falls ja: Wie ist dieses ausgefallen?
Die Rückmeldungen sind durchwegs nur positiv. Davon sind wir auch ausgegangen zumal wir auch im engen Austausch mit Spezialisten stehen und zum Beispiel auch Themen von NNBS abbilden. Erkannt wurde auch, dass ein besonderes Augenmerk auch auf die gesamten restlichen Ausschreibungsunterlagen gelegt werden muss, damit keine Widersprüche auftreten.
Wie schätzen Sie selber die bisherigen Erfahrungen mit der neuen Planungshilfe ein?
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es braucht aber eine breite Akzeptanz und wir bemühen uns stetig auch andere Branchen mit einzubinden in diese Aufgabe (und in die Toolbox). (Interview: Ben Kron)
Kreisläufe stärken
Hintergrund der neuen Gesetze und Verordnung ist die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» von 2024 verabschiedet. In diesem Kontext steht nicht nur die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, sondern auch des Umweltschutzgesetzes und des Energiegesetzes. So soll ein gesetzlicher Rahmen für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz geschaffen werden, was zugleich die Umweltbelastungen und den Ressourcenverbrauch reduzieren soll. Der Bundesrat hat noch im selben Jahr beschlossen, die neuen Regelungen der parlamentarischen Initiative per 1.1.2025 in Kraft zu setzen.
Weitere Informationen und Link zur Toolbox: https://woeb.swiss/de/toolbox