Thomas Schneebeli: «KI ersetzt die Zeichnerlehre?»
In seiner Kolumne beschäftigt sich Thomas Schneebeli, Vorstandsmitglied bei Plavenir, mit der Frage nach Künstlicher Intelligenz in der Zeichner-Ausbildung. Obwohl ein wichtiges Instrument, wird sie auch zukünftig Hilfestellung statt fertige Lösung bleiben, so seine Argumentation.

Quelle: zvg
Thomas Schneebeli ist im Vorstand von Plavenir Berufsbildung Raum- und Bauplanung, ausserdem ist er Vorstandsmitglied bei suisse.ing Schweiz sowie CEO bei der suisseplan-Gruppe.
Als nicht mehr jüngstes Mitglied auf diesem Erdball frage
ich mich manchmal: Wer bringt der KI all dieses unglaubliche Wissen bei? Wer
unseren Lernenden das nötige Wissen vermittelt, ist mir glücklicherweise klar –
und dafür bin ich dankbar. Noch immer engagieren sich viele Lehrbetriebe und
Fachpersonen in der Ausbildung unserer künftigen Talente. Ohne die Lehre und
die Berufsbildenden hätte die Bau- und Planungsbranche wohl einen noch
grösseren Fachkräftebedarf.
Doch wenn die KI schon alles weiss und Pläne oder Modelle
scheinbar wie von Geisterhand erstellt – weshalb dann den Beruf der Zeichnenden
und die Lehre dazu weiterhin erhalten? Ganz einfach: Die Lehrberufe vermitteln
eine fundierte Grundausbildung in Bauplanung, Baustoffkunde und
Konstruktionslehre. Sie fördern das Verständnis aller am Bau Beteiligten. Nur
so können künftige Generationen von den Erfahrungen profitieren, aus Fehlern
der Vergangenheit lernen und zu echten Fachpersonen heranwachsen. Erst dadurch
sind sie in der Lage, KI-gestützte Systeme sinnvoll und gewinnbringend
einzusetzen.
Ich bin überzeugt: Die KI wird das Zeichnen nicht
vollständig ersetzen. Denn wir Menschen suchen häufig Individualität statt
Mittelmass. KI-Ergebnisse sind daher eher Hilfestellungen als endgültige
Lösungen. Wichtig ist, dass die Ausbildung nicht nach der Lehre endet.
Kompetenzen wie Kommunikation, Koordination, Programmierung und
Datenmanagement gewinnen zunehmend an Bedeutung. Hier müssen wir auch als
Verband ansetzen und Weiterbildungsmöglichkeiten vorantreiben.
Was passiert aber nun effektiv mit dem KI-Einsatz beim Thema Pläne und Modell? Ich glaube, dass die KI bei der Erstellung, Kontrolle und Verbesserung in Zukunft eine grosse Unterstützung darstellen wird. Sie ist dazu da, Fleissarbeit abzunehmen und Flüchtigkeitsfehler zu vermeiden. Die Fachpersonen, ausgebildet in unseren Lehren und an den Hochschulen, wird es in Zukunft umso mehr brauchen, um Ergebnisse kritisch interpretieren und verwerten zu können. Es gibt allerdings drei Punkte, welche mir Sorgen bereiten: Erstens sind wir gefordert, KI-Systeme zu entwickeln und mit Daten zu füttern, ohne dass wir die Kontrolle über Daten und benutzte Grundlagen verlieren. Zweitens zeigt die Erfahrung, dass der Mensch Zeitgewinne nicht für mehr Muse und bessere Lösungsfindung investiert, sondern einfach mehr Arbeit in gleicher Zeit reinpackt.
Hier müssen wir als Gesellschaft uns unserer Grundwerte besinnen und uns entsprechend weiterentwickeln. Drittens wird die Welt immer komplexer. Nur mit tiefem, technologischem Verständnis lassen sich Fehlentscheidungen vermeiden. Das heisst aber auch: Unsere Fachpersonen müssen noch besser ausgebildet sein. Was geschieht jedoch mit jenen, die dieses Niveau nicht erreichen? Hier sind wir gefordert, gesellschaftliche Lösungen zu finden – und zwar bitte ohne vorher die KI zu befragen.
Plavenir
Als schweizerische Organisation der Arbeitswelt vertritt Plavenir die Interessen seiner Mitglieder und ist auf nationaler Ebene für die berufliche Aus- und Weiterbildung im Berufsfeld Raum- und Bauplanung verantwortlich. Mit jährlich mehr als 1600 Lehrabschlüssen gehört der Zeichnerberuf in der Schweiz zu den zehn populärsten beruflichen Grundbildungen.
Mehr Infos unter plavenir.ch