Cristina Schaffner: «Zuschlagskriterium Nachhaltigkeit: Richtung stimmt, Tempo nicht»
Nach vier Jahren Vergaberechtsrevision zieht Cristina Schaffner, Direktorin bei Bauenschweiz, erstmals Bilanz zur Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien in öffentlichen Ausschreibungen.

Quelle: zvg
Die Direktorin von Bauenschweiz, Cristina Schaffner.
Die Studie von Bauenschweiz zeigt eine signifikante Zunahme
von Nachhaltigkeitskriterien seit Inkrafttreten der Revision bei Bund und
Kantonen. Damit lässt sich erstmals auf Datenbasis bestätigen, was lange
vermutet wurde: Die Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts scheint in
Bezug auf das Zuschlagskriterium Nachhaltigkeit zu wirken. Für die Studie
wurden Ausschreibungen des Bundes und der Kantone auf simap.ch daraufhin
untersucht, ob Vergabekriterien für die Baubranche relevante
Nachhaltigkeitsaspekte enthalten.
Starke Zunahmen bei Bund und Kantonen
Die Ergebnisse zeigen bei allen ausgewählten politischen
Ebenen (Bund, Kantone Aargau, Basel-Stadt, St. Gallen und Zürich) teils starke
Zunahmen bei der Nachhaltigkeit. Lag die Bandbreite vor der Revision noch
zwischen 21,1% und 53,4%, so betrug diese per Ende 2024 bereits 38,4% bis 87,1%.
An der Gesamtreihenfolge änderte sich nichts, sowohl vor als auch nach der
Revision lag der höchste Wert beim Kanton St. Gallen, der tiefste beim Bund.

Quelle: zvg
Auch zeigt sich, dass die Entwicklungen nicht einheitlich
verlaufen. Politische Ebenen mit tieferem Ausgangsniveau zeigen einen besonders
starken Zuwachs, was auf einen Nachholeffekt hindeutet. Umgekehrt ist die
Zunahme geringer, je höher die Ausgangswerte vor der Revision waren. Dies lässt
vermuten, dass der Anpassungsbedarf bei der Vergabepraxis abhängig von der
individuellen Ausgangslage der jeweiligen politischen Ebene ist.
Führung der Kantone Ausdruck der föderalen Schweiz
Die öffentliche Hand macht bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Ausschreibungen Fortschritte. Zudem ist es ein Abbild der gelebten föderalen Kultur. Dass die Kantone sowohl in Zahlen als auch beim Tempo besser abschneiden als der Bund spricht für eine hohe Akzeptanz der Revision.
Die Analyse zeigt aber auch, dass obwohl seit fast fünf
Jahren die Grundlagen bestehen, der Bund mit dem vorliegenden Tempo seine
gesetzlich verankerte Vorbildfunktion beim Klimaschutz und der
Kreislaufwirtschaft kaum erreichen wird.
Aufruf: Vergabekriterien direkt in der Eingabemaske publizieren
Bauenschweiz hat sich von Beginn an für die Realisierung der Totalrevision des öffentlichen Beschaffungsrechts eingesetzt. Mindestens so wichtig ist die Nachverfolgung. Diesen Beitrag leistet Bauenschweiz mit dem regelmässig erscheinenden Vergabemonitor und den darauf basierenden Analysen.
Basis dieser Arbeit sind die immer besser zugänglichen
Beschaffungsdaten von simap.ch sowie die täglichen Bemühungen der Vergabebehörden,
die Plattform mit verlässlichen Daten zu versorgen. Deshalb der Aufruf an die
öffentlichen Beschaffungsstellen, die Vergabekriterien nicht in den Dokumenten
zu verstecken, sondern direkt in der Eingabemaske bei simap.ch einzupflegen.
Damit kann der Kulturwandel noch besser gemacht werden.
Vergabemonitor
Das revidierte und zwischen Bund und Kantonen harmonisierte Beschaffungsrecht markierte einen Paradigmenwechsel in der Vergabekultur: Das vorteilhafteste Angebot erhält den Zuschlag, nicht das wirtschaftlich günstigste. Bauenschweiz untersucht mit dem Vergabemonitor der Schweizer Bauwirtschaft ob der geforderte Kulturwandel in Ausschreibungen der öffentlichen Hand sichtbar wird und führt auch 2025 wieder Webinare zum Thema Beschaffungsrecht durch.
Mehr Infos unter: www.bauenschweiz.ch/de/vergabemonitor