Deutsche Bahn verschiebt den Start von Stuttgart 21 einmal mehr
Noch immer kein Ende in Sicht? Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Projektpartner und des Bahn-Aufsichtsrates erfahren hat, zieht sich die Fertigstellung des Bauprojekts Stuttgart 21 weiter hinaus. Der Tiefbahnhof soll nicht mehr wie geplant im Dezember 2026 den eröffnen.
Blick zurück in die Zukunftsvision von einst: Video zum Projet Stuttgart 21 der Deutschen Bahn vom Februar 2010.
Die Ungewissheit rund um das deutsche Milliarden-Bauprojekt Stuttgart 21 geht weiter. Sogar die für Ende 2026 geplante Teileröffnung des Tiefbahnhofs will die Deutsche Bahn nun komplett absagen, wie die Nachrichtenagentur DPA aus Kreisen der Projektpartner und des Aufsichtsrats erfahren hat. Somit sollen auch im 2027 alle Züge ausschliesslich im oberirdischen Hauptbahnhof halten. Wann der neue Bahnhof eröffnen wird, ist demnach völlig offen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Technische Probleme bei der Digitalisierung und beim Bau des Bahnhofs sind laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur der Grund für die Verschiebung. Im Juli hatte die Bahn noch angekündigt, Stuttgart 21 im Dezember 2026 zumindest teilweise in Betrieb nehmen zu wollen: Ab dann sollten der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs in den neuen Tiefbahnhof fahren, während ein Teil des Regionalverkehrs dagegen bis Juli 2027 weiter im alten oberirdischen Kopfbahnhof enden sollte. Dies teilte die Deutsche Bahn (DB) damals mit.
Als Grund für die schrittweise Inbetriebnahme nannte das Unternehmen die Entzerrung von Sperrungen, die wegen der Arbeiten für den Anschluss der neuen Infrastruktur an die bestehenden Strecken nötig sind. Damit könne man die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so gering wie möglich halten, sagte DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber vergangenen Juli. Zuvor war geplant gewesen, den Tiefbahnhof im Dezember 2026 vollständig in Betrieb zu nehmen und den Betrieb im alten Kopfbahnhof einzustellen.
Inbetriebnahme von Stuttgart 21 bereits mehrfach verschoben
Gebaut wird an dem Projekt bereits seit 2010. Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden, zuletzt auf Dezember 2026. Bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2009 war man von einer Eröffnung 2019 ausgegangen. Laut Bahn sind die Gründe für die mehrmaligen Verschiebungen unterschiedlich: Klagen gegen das Projekt und geänderte Auflagen etwa beim Brandschutz. Weitere Faktoren für die Verzögerungen seien der «geologisch anspruchsvolle Untergrund im Stuttgarter Stadtgebiet» oder aufwendige Genehmigungsverfahren wegen geänderter Gesetze beim Artenschutz.
Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in Hauptstadt des Landes Baden-Württemberg, sondern auch für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe - etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. - Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schliesst neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.
Bahnknoten in Stuttgart wird als erster deutschlandweit komplett digitalisiert
Im Rahmen von Stuttgart 21 wird der Bahnknoten in Stuttgart zugleich als erster deutschlandweit komplett digitalisiert. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren - und zwar nur damit. Klassische Lichtsignale werden im Stuttgarter Bahnknoten nicht mehr verbaut.
Gleichzeitig gestalten sich die Arbeiten komplizierter als gedacht: So hiess es in der Präsentation für die jüngste Sitzung des Lenkungskreises, die Arbeiten seien weiterhin abgespannt. Die umfangreichen Arbeiten für die Digitalisierung führte die Bahn auch als Grund für die vorletzte Verschiebung der Inbetriebnahme auf Dezember 2026 an.
Ursprünglich veranschlagte Kosten von 4,5 Mia. Euro haben sich mehr als verdoppelt
Auch die Kosten für das Projekt haben sich über die Jahre steil nach oben entwickelt. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Bis vor Kurzem bezifferte die Bahn die derzeitigen Kosten auf rund 11 Milliarden Euro, eingeplant ist zudem ein Puffer von 500 Millionen Euro. Dieser ist inzwischen schon fast aufgebraucht: In der Mai-Sitzung des Lenkungskreises informierte die Bahn die Projektpartner darüber, dass sich die Kosten inzwischen auf rund 11,3 Milliarden Euro summierten.
Vergangenen August hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden, dass die Bahn die milliardenschweren Mehrkosten alleine tragen muss. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes lehnte einen Antrag auf Zulassung der Berufung der Bahn gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ab. Die bundeseigene Bahn kündigte Ende Oktober an, nicht weiter gegen das Urteil vorzugehen. (awp sda/mai)
Linktipp: Stuttgart 21 im Video
Drohnenaufnahmen, Interviews, Reportagen mit Hintergrundinformationen zu den Bauarbeiten gibt es im Youtube-Kanal der Deutschen Bahn zum Bahnprojekt Stuttgart-Ulm respektive Stuttgart 21.
Ein kleines Highlight ist der Zeitrafferkurzfilm vom September dieses Jahres zum Bau des des künftigen Stuttgarter Hauptbahnhofs, dessen 27 Lichtaugen das Gebäude aus luftiger Höhe entfernt an eine Art vieläugiges Insekt erinnern lassen. Der Entwurf dazu stammt von Christoph Ingenhoven. Bei dem Dach aus 28 Kelchstützen mit einem Durchmesser von 32 Metern handelt es sich laut DB um „eine noch nie gebaute Betonschalenkonstruktion“. (Mehr zum Bau im Artikel Stuttgart 21: ertse Kuppel bei Zugang Staatsgalerie fertig gestellt vom 21. Juli 2025)
Nebst neusten Aufnahmen gewährt der Kanal auch Blicke in die Anfänge des Projekts, das erste Video stammt vom Frühjahr 2010 (siehe Video am Anfang des Textes). Man kann sich durch rund 16 Jahre Baufortgang klicken. (mai)
Hier gehts zum Videokanal: www.youtube.com/@BahnprojektStuttgart-Ulm
Video der Deutschen Bahn zum Bau des Dachs des neuen Hauptbahnhofs von Stuttgart vom September 2025.