08:06 BAUPRAXIS

Tool der HSLU: Hitzeinseln bereits in der Planung verhindern

Teaserbild-Quelle: HSLU

Städteplanung erhält in Zeiten des Klimawandels eine neue Dimension. Wie verhindert man einen Hitzestau durch Gebäude? Die Hochschule Luzern hat ein Tool entwickelt, mit dem sich das Mikroklima in bestehenden und geplanten Quartieren berechnen lässt.

3D-Modell Quartierklima HSLU

Quelle: HSLU

Ein Quartier in Anlehnung an die Suurstoffi in Rotkreuz mit Gebäuden, Strassen, Wegen, Grün- und Wasserflächen sowie Bäumen als 3D-Modell.

Die Klimaveränderungen machen im Sommer insbesondere den Städten zu schaffen. Der Begriff «Hitzeinsel» sei zum allgegenwärtigen Thema geworden, heisst es in einer Mitteilung der Hochschule Luzern (HSLU) von Donnerstag. Wer grössere Quartiere plane, könne einen Hitzestau jedoch vermeiden. Dafür entscheidend seien eine auf die Umgebung abgestimmte Setzung der Gebäude, die Wahl der Materialien von Fassaden und Aussenflächen, Grünflächen sowie eine geschickte Beschattung. 

Im Idealfall sollten die Auswirkungen dieser Faktoren bereits in einer frühen Planungsphase berücksichtigt werden. Das ist aber nicht so einfach: Architekten müssen dafür Computermodelle beiziehen, die die Auswirkungen für einen bestimmten Ort berechnen können. Bestehende Modelle seien aber zeit- und kostenintensiv, weshalb meist auf einen frühzeitigen Einsatz verzichtet werde, schreibt die HSLU.

Die Hochschule hat in diesem Zusammenhang nun eine interaktive Quartierklima-Modellierung (QKM) entwickelt, die sich auf die phasengerechten Informationen beschränkt und in Sekundenschnelle Resultate liefert. Finanziert wurde das Projekt durch die Stiftung Infinite Elements sowie die HSLU.

In der Planungsphase muss es schnell gehen

Architekturbüros bewerben sich für bauliche Grossprojekte normalerweise in einem aufwändigen Wettbewerbsverfahren unter hohem Zeitdruck. «Sie müssen eine Vielzahl von Anforderungen in ihrem Entwurf berücksichtigen, eine davon ist das Mikroklima», erklärt Simulations-Experte Prof. Markus Koschenz von der HSLU, in der Mitteilung.

Hohe Kosten und zweitägige Wartezeiten lägen in dieser kreativen Arbeitsphase für die Architekten gar nicht drin. Genau dies hätten sie aber bisher in Kauf nehmen müssen, wenn sie die komplexen Berechnungen einbeziehen wollten. Was also, wenn man ein Wettbewerbsprojekt gewinnt und erst dann feststellt, dass die Gebäudesetzung unglücklich gewählt wurde?

Die Jury hat sich für die vorgeschlagene Lösung entschieden; fundamentale Anpassungen sind in der Phase nach der Juryentscheidung nicht mehr vorgesehen – auch wenn die nachträgliche Berechnung des Mikroklimas dies nahelegen würde. Das Dilemma sei auf diesem Weg also nicht lösbar. Die wärmeren Sommertemperaturen machen den Menschen aber heute schon zu schaffen.

Und die Erwärmung wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zunehmen, was gerade für ältere Menschen lebensgefährlich sein kann. Hinzu kommt, dass Überbauungen, die jetzt in Planung sind, auch in fünfzig Jahren noch stehen werden. Dies alles bei der Planung zu ignorieren, scheine deshalb fahrlässig, schreibt die Hochschule.

Temperaturmodell Quartierklima HSLU

Quelle: HSLU

Berechnete Physiologisch Äquivalente Temperatur (PET) auf zwei Meter über dem Boden um 11:00 am 12. Juli 2035. Gut zu erkennen sind die tieferen Temperaturen der Grünflächen und unter den Bäumen im Vergleich zu den heissen Strassen und Wegen.

Resultate in Sekundenschnelle

«Gefragt ist ein Instrument zur Berechnung des Mikroklimas, das kostengünstiger ist und vor allem sehr schnell Resultate liefern kann», so Koschenz. Sein Kernteam mit Andrii Zakovorotnyi, Reto Marek und einem externen Revit-Spezialisten hat dieses Instrument an der Hochschule Luzern entwickelt.

Er erklärt: «Bestehende Verfahren benutzen allgemeingültige Instrumente der Computational Fluid Dynamics (CFD). Mit diesen Instrumenten lassen sich von Spezialisten Maschinen entwickeln, Strömungen an Flugzeugen untersuchen oder das Mikroklima in Quartieren bestimmen.» Sie seien mächtig, aber auch entsprechend aufwändig. «Unser Modell konzentriert sich auf den Aspekt des Quartierklimas und wir arbeiten mit schnell rechnenden Algorithmen», begründet Koschenz den frappanten Unterschied in der Berechnungsgeschwindigkeit.

Auf diese Weise können die Auswirkungen einer Änderung innert Sekunden oder wenigen Minuten berechnet werden. Das Tool könne ab dem ersten Schritt im Planungsprozess durch die Planenden selbst eingesetzt werden. Mit wenig Aufwand werde es damit etwa möglich, zwei Varianten der Fassadengestaltung oder der Bepflanzung mit Bäumen in einem Innenhof zu vergleichen. Und dies nicht nur für einen Sommertag, sondern für eine ganze Sommerperiode.

Überprüfung des Modells mit Messungen

Die Informationen zu den geplanten Gebäuden, ihrer Position, den verwendeten Materialien oder die Art und Position von Grünflächen und Bäumen bezieht die interaktive Quartierklima-Modellierung aus dem Planungstool «Revit», das bereits in Architektur- und Landschaftsplanungsbüros eingesetzt wird. 

Daraus berechnet das physikalische Modell die Auswirkung von Strahlung, Schatten, Wärmespeicher-Eigenschaften der Materialien, Luftströmung, Vegetation und Tageszeit auf das Quartierklima. Bilder mit Farbskalen zeigen die Resultate an. 

Den Beweis, dass das Modell richtig funktioniert, hat Koschenz’ Team mit Messungen im Suurstoffi-Quartier in Rotkreuz erbracht und die Resultate auch mit denen bestehender kommerzieller Software verglichen. Koschenz ist mit den Resultaten zufrieden: «Wir können sagen: Die Übereinstimmung sowohl mit den Messungen als auch mit den Ergebnissen anderer Software war hoch. Damit ist unser Tool bei gleicher Genauigkeit viel schneller». (mgt/pb)

Zur Mitteilung der Hochschule Luzern: www.hslu.ch

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