CO2-Speicherung im Beton: Richtig Gas geben bei der Dekarbonatisierung
Die Versteinerung des klimaschädlichen Kohlendioxids im Betongranulat von aufbereitetem Abbruchmaterial hat für die Bauindustrie grosses Potenzial. Ein Grossteil der CO2-Emissionen liesse sich kompensieren. Das Verfahren eines ETH-Spin-offs verbessert sogar die Materialeigenschaften des Betons. Auf einem der schweizweit grössten Recyclingwerke wird die Anlage getestet.

Quelle: Kibag Bauleistungen AG
Direkt von der Aufbereitungsanlage der Kibag befüllt der Radlader den Container mit 15 Kubikmeter Betongranulat.
Die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre erhöhte
sich seit den ersten Industrialisierungswellen im vorletzten Jahrhundert
stetig. Die Klimakrise ist ein Fakt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über
die Erderwärmung sind längst bekannt. Über die Folgen der Klimakrise ist sich
auch die Wirtschaft im Klaren. Das revidierte CO2-Gesetz, das im Juni zur
Abstimmung gelangt, findet breite Unterstützung in der Wirtschaft. Der Pariser
Klimavertrag verpflichtet die Schweiz zudem, bis 2030 die Emissionen um die
Hälfte zu senken. Mit zwei Stossrichtungen ist die Dekarbonatisierung daher
wichtiger Bestandteil der Massnahmen. Einerseits heisst das, weniger CO2 in die
Atmosphäre zu blasen, anderseits das schädliche Klimagas zu binden. Den zweiten
Weg beschreitet die Neustark AG mit einem neuen Verfahren.
«Es bestand von Anfang an der Anspruch, an
Zukunftstechnologien zu forschen, um CO2 speichern zu können. Gleichzeitig wollten
wir Lösungen erarbeiten, die sich heute schon einsetzen lassen», sagt Valentin
Gutknecht, Mitgründer und CEO des ETH-Spin-offs. Dabei sind Dekarbonatisierung
und Karbonatisierung sozusagen die zwei Seiten der gleichen Medaille. Die
Begriffe zeigen, wie naheliegend die Lösung des Jungunternehmens für die
Bauindustrie ist, handelt es sich beim Prozess der natürlichen Karbonatisierung
doch um einen gängigen Begriff der Bauchemie. Das Phänomen ist schon lange
bekannt und auch gut erforscht.
Altes Phänomen neu gedacht
Auf dem Kibag-Areal in Regensdorf ZH, einem der schweizweit
grössten Recyclingwerke für Bauschutt und Abbruchmaterial, steht seit letzten
Sommer die Anlage der Neustark AG, es ist weltweit die erste und einzige ihrer
Art. Mit der mobilen Pilotanlage, bestehend aus drei Containern, soll das
Verfahren unter realen Bedingungen im Produktionsprozess für Frischbeton
getestet werden. Zum einen geht es um betriebswirtschaftliche Aspekte der
Prozessgestaltung, zum anderen um die Optimierung der Anlage für die CO2-Speicherung.
Das Neustark-Verfahren beschleunigt den Mineralisierungsprozess massiv und
vervielfacht dadurch die durchschnittliche CO2-Aufnahme. Zentraler
Prozessschritt des Verfahrens: die Karbonatisierungsfront.
Bedingungen sind hochreaktiv
Dazu wird einer der beiden Container mit 15 Kubikmetern aufbereitetem Betongranulat bis zur Hälfte befüllt und danach luftdicht verschlossen. In einem zweiten Schritt wird CO2 in den Behälter gepumpt. Die CO2-Beflutung schafft hochreaktive Bedingungen, sodass bei Kleinstpartikeln aus Zement der Mineralisierungsprozess in Gang kommt. Dabei wird Calciumhydroxid unter Bindung von CO2 in Calciumcarbonat umgewandelt. Es ist die Umkehr des chemischen Prozesses, wie er bei der Zementherstellung abläuft.
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