09:10 BAUPRAXIS

So fliesst der Beton von der Tankstelle

Geschrieben von: Joachim Zeitner (jz)
Teaserbild-Quelle: Fibo Intercon

Einige Betonwerke und Baustoffhändler haben sie bereits installiert: Tankstellen mit Frischbeton. Gewerbliche oder private Abnehmer können sich dort versorgen. Und das rund um die Uhr.

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Quelle: Fibo Intercon

Im Mischmodul (rechts) wird die gewünschte Betonmenge und Sorte angemischt. Mittels Förderband gelangt der Frischbeton auf die Ladefläche des Abholfahrzeugs - so funktionieren Betontankstellen, wie hier im Bild eine Anlage des dänischen Herstellers Fibo Intercon.

Viele kleine Portionen bilden eine stattliche Gesamtmenge: Immerhin rund ein Viertel des landesweit in der Schweiz hergestellten Frischbetons wird in Abgabemengen von einem Kubikmeter oder sogar weniger verkauft. Solche Kleinmengen sind für die Betonwerke eher lästig als rentabel. Die Abnehmer aus Industrie, Gewerbe und Privatbereich wiederum können froh sein, wenn sie solche Kleinmengen überhaupt im genau benötigten Umfang und zu einem vernünftigen Preis bekommen. Eine mögliche Abhilfe stellen Betontankstellen dar. Darunter sind kompakte, schnell installierbare Anlagen zu verstehenn, an welchen die Abnehmerinnen und Abnehmer kleinere Chargen an Frischbeton selbst zapfen. Und zwar in genau der richtigen Rezeptur und  Menge und genau dann, wenn sie den wichtigen Baustoff benötigen.

Solche Betontankstellen sind darüber hinaus geeignet, Lücken im Schweizer Netz der Betonwerke zu füllen. Das zeigte sich beispielsweise vor rund einem Jahr in Thürnen bei Basel. Dort wurde im April 2024 das lokale Betonwerk geschlossen – eine unangenehme Überraschung für viele Bauschaffende in der Region. Immerhin hatten Bauunternehmen, Gartenbaubetriebe und andere Kunden aus dem Oberbaselbiet seit 60 Jahren den benötigten Frischbeton aus Thürnen bezogen. Doch nur wenige Wochen nach der Schliessung des Betonwerks nahm im fünf Kilometer entfernten Ormalingen eine Betontankstelle ihren Betrieb auf. Der Betreiber ist die Ergolz AG, eine gemeinsame Tochter der örtlichen Bauunternehmung Ruepp AG sowie der Surer-Unternehmensgruppe. An ihrer «Beton2Go»-Anlage vom deutschen Hersteller Massfeller können die Abnehmer nunmehr ganz individuelle Rezepturen und Mengen an Frischbeton zapfen und damit ihre eigenen Baustellen beliefern. 

Flexibel und individuell

Anders als bei üblichen Mischwerken wird der Fertigbeton an einer Betontankstelle nicht kontinuierlich angemischt, sondern chargenweise, und das zum genau richtigen Zeitpunkt. Das macht die Verteilung über den gesamten Arbeitstag flexibler. So können die internen Abnehmer jederzeit die gewünschte Mischung und Menge abrufen, egal ob gängige Sieblinien oder besondere Rezepturen. Das gilt auch für die gewerblichen und privaten Kunden. Das fördert den Umsatz ebenso wie den Bekanntheitsgrad und die Verbundenheit des Betonherstellers mit der Region. Auch am Wochenende können dank der ohne Personal laufenden Betontankstelle in Ormelingen und Umgebung viele private Bauprojekte mit dem begehrten Material versorgt werden.

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Quelle: Ergolz

In Ormalingen BL ist seit dem Sommer 2024 dieser Betontankstelle der Ergolz AG in Betrieb.

Nur wenige Kilometer entfernt, in Tecknau BL, gibt es seit dem vergangenen Sommer eine weitere Möglichkeit für gewerbliche und private Abnehmer, sich an einer Betonmischanlage im Self-Service zu bedienen. Konkret hat sich die auf Tiefbau, Transporte und Entsorgung sowie Rückbau und Umgebungsarbeiten spezialisierte Unternehmung Grieder AG eine Anlage auf ihrem Betriebsgelände eigerichtet. Die Betontankstelle stammt vom dänischen Unternehmen Fibo Interkom. Geschäftsführer Marc Grieder entschied sich gemäss eigenen Angaben sogar etwas früher als die Verantwortlichen bei Ruepp und Surer dafür, eine solche Anlage einzurichten. Seitdem versorgen sich dort vor allem firmeninterne Abnehmer selbst mit Frischbeton. Die von der Anlage abrufbaren Mengen harmonieren perfekt mit den Nutzlasten und Transportwegen der eigenen Dumper und Lastwagen. Auch Kundinnen und Kunden aus der Umgebung bedienen sich am Self-Service-Betonmischwerk.

Markt und Modelle

Gemäss firmeneigener Darstellung setzte Karl-Heinz Schreiber, Geschäftsführer der Firma Micromix Mobil aus Oranienburg bei Berlin, die Idee einer vollautomatischen Betontankstelle vor rund 25 Jahren als Erster um. Ihr Funktionsprinzip: Der Kunde wählt unter verschiedenen Betonsorten die benötigte Sorte und Menge und erhält dann – ähnlich wie bei einer Autowaschanlage – eine Chipkarte. Dann stellt er sein Abholfahrzeug unter dem Abwurf des Gurtbandförderers ab, steigt aus und steckt die Chipkarte ins Leseterminal der Anlage. Jetzt wird in ihrem Mischmodul die gewünschte Betonmenge und Sorte angemischt und anschliessend über das Förderband auf das Fahrzeug abgegeben. Inzwischen sind noch ein paar weitere Hersteller und Marken mit kompakten Betonmischanlagen für Kleinmengen und Selbstbedienung dazugekommen. Hierzu ein Überblick.

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Quelle: Ergolz

Im Sommer 2024 innert kurzer Zeit installiert: die modular aufgebaute «Beton2Go»-Anlage von Massfeller.

Dem Unternehmen Massfeller aus dem deutschen Herschbach gehört die Marke «Beton2go». Der Hersteller, der auch mehrere eigene Betontankstellen betreibt, zählt sich zu den Hauptanbietern dieser Anlagengattung in seinem Land. Vertriebsleiter Tobias Velten schreibt zu den Vorzügen seiner Anlage: «Da sind etwa die verzinkten, langlebigen Schüttgutboxen sowie ein eigens erstelltes Sicherheitskonzept in Form einer Umzäunung der Anlage zu nennen. In ihrem Inneren arbeitet kein klassischer Tellermischer, sondern ein Planetenmischer, der zuverlässig das gesamte Material erfasst und durchmischt sowie – besonders wichtig – eine Trockenreinigung nach Betriebsende ermöglicht. Die Anlage ist in verschiedenen Konfigurationen erhältlich. Dies etwa mit grösseren Mischern und Bändern für eine höhere Mischleistung für den Fall, dass etwa ein Tiefbaubetrieb morgens zeitgleich zahlreiche Kolonnen mit Frischbeton versorgen muss. Die Bedienung ist kinderleicht: Der Misch- und Ausgabevorgang kann je nach Kundenwunsch und Konfiguration etwa mit einer Chipkarte wie im Baustoffhandel ausgelöst werden. Ausserdem ist sie über einen Touchscreen direkt an der Anlage oder über ein weiter entfernt aufgestelltes SB-Terminal wie in einem Schnellrestaurant bedienbar. Der Kunde gibt die Sorte und Menge des gewünschten Betons ein, das Terminal wirft einen Beleg mit QR-Code aus. Mit diesem bewegt sich der Kunde zur Anlage, lässt dort den QR-Code durch einen Scanner erfassen und löst die Betonmischung und Ausgabe aus.»

60 Rezepturen im Angebot

Die Probst Betontechnik AG ist eine Schwestergesellschaft der Probst Maveg AG, eines führenden Anbieters von Baumaschinen und Baugeräten. Das Unternehmen mit Sitz in Sursee verantwortet den schweizweiten Vertrieb der «Fibo Collect»-Anlagen zur Herstellung von Beton, Mörtel oder Estrich. An diesen Betonmischanlagen mit Self-Service-Betrieb vom dänischen Hersteller Fibo Intercon können Kleinunternehmen, Landschaftsgärtner, Landwirte und Heimwerker kleine Mengen ab 100 Liter (0,1 m³) zapfen. Bis zu 60 verschiedene Betonrezepturen sind programmierbar. An einem Touchscreen wählen Kunden die benötigte Menge und Rezeptur. Wenige Minuten später wird der fertige Frischbeton über ein Förderband abgegeben. Die Bezahlung erfolgt bargeldlos über ein Terminal.

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Quelle: Fliegl Bau- und Kommunaltechnik

Eine Betontankstelle des deutschen Anbieters Fliegl Bau- und Kommunaltechnik bei einem Betreiber in Süddeutschland.

Der Hersteller ermöglicht Zahlungsvorgänge mit einem RFID-Kundenchip oder via Kreditkarte. Ausserdem ist die Bezahlung an der Kasse mit Ausgabe eines Barcodes zum Abholen des Frischbetons an der Tankstelle möglich. Eine halbautomatische Hochdruckreinigung hält den Mischer sauber und die Betonqualität konstant. Das gebrauchte Wasser lässt sich zur Wiederverwendung bei der Betonherstellung aufbereiten. Die Fibo-Verantwortlichen veweisen stolz darauf, dass alle Komponenten dieser kompakten Self-Service-Mischanlagen aus eigener respektive europäischer Fertigung kommen. Ausserdem setze das Unternehmen stets neue Ideen um. Seine Kleinheit mache es fexibel genug, um nicht einfach Anlagen von der Stange zu bauen. So bietet es zahlreiche Ausstattungs-Varianten mit bis zu zehn Trichtern und zahlreichen Optionen an.  Auch neue Rezepturen hat die firmeneigene Entwicklungsabteilung ersonnen, darunter Schaumbeton, Leichtbeton und Hanfbeton.

Reste recyceln

Fliegl Baukom aus dem bayerischen Mühldorf am Inn beschäftigt sich bereits seit über 40 Jahren mit Betonmischtechnik und übernahm im Jahr 2017 das Konzept «Micromix – die Betontankstelle». Mittlerweise gehört diese Sparte der Firmengruppe Fliegl mit den kleinen Tankstellen für Frischbeton, die auch in der Schweiz angeboten werden, zu den Grossen im Geschäft. Die mobile Mischanlage Fliegl BTS wurde auf hohe Mobilität getrimmt und braucht rund 80 m² Stellfläche. Dank modularer Bauweise kann sie ganz nach örtlichen Gegebenheiten und Platzverhältnissen aufgestellt werden. Sie kann nach unterschiedlichen Rezepturen aus bis zu vier Hauptfraktionen, mit bis zu je zwei Bindemittelsorten sowie Zusatzmitteln (etwa Verzögerer oder Fliessmittel) Beton herstellen. Im Betrieb erreichen der Typ 500 (Tellermischer 0,5 m³) respektive der Typ 1000 (1,0 m³ Tellermischer) eine Mischleistung von 15 beziehungsweise 25 m³ pro Stunde. Bei der Zwischenreinigung wird eine geringe Menge Sand in den Mischer gegeben, die Betonreste aufnimmt und bei der nächsten Charge verbraucht. Auch die Hauptreinigung vor Feierabend erfolgt als Trockenreinigung. Dazu wird der Mischer mit Kies befüllt, das Material nimmt die Betonreste auf, wird über das Förderband abgegeben und kann vollständig wiederverwendet werden.

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Quelle: Fliegl Bau- und Kommunaltechnik

Das Bedienterminal einer Anlage des bayerischen Herstellers Fliegl. Kunden des Betreibers können die Rezeptur schnell und einfach aus einem Menü auswählen.

RK-Prozesstechnik aus dem südbadischen Lauchringen engagierte sich schon früh im Geschäft mit Betontankstellen. Und zwar zunächst als Lieferant der Steuerungen von Anlagen des Herstellers Micromix Mobil, später dann als Hersteller kompletter Anlagen unter der neuen, eigenen Marke Promix. Im Jahr 2011 wurde die Betontankstellen AG im schweizerischen Düdingen gegründet. Sie hat sich dem Vertrieb von Betontankstellen von Micromix Mobil mit Steuerungen von RK Prozesstechnik verschrieben. Heute ist Promix jene Marke, unter der mobile und kompakte Betonmischanlagen von RK-Prozesstechnik schweizweit durch die Betontankstellen AG vertrieben werden. Die Promix-Betontankstellen funktionieren ähnlich wie die Anlagen anderer Anbieter. Sie geben Kunden die Möglichkeit, Frischbeton in Kleinmengen schon ab 0,15 m³ zu beziehen. Modular aufgebaut aus Zementsilo (30 m³), Materialbunker, Technikschrank, Mischer (0,5 und 1 m³), Beladeband (7 m, optional 10 m), können sie nach Anforderungen des Betreibers konfiguriert, je nach Platzangebot aufgebaut sowie nach Bedarf auch erweitert werden. Die Bedienung am SB-Terminal erfolgt per QR-Code-Steuerung. Dies entweder über ein Einmalticket, welches die betriebseigene Verwaltungssoftware erstellt, oder per Kundenkarte für Stammkunden, die anschliessend einen digitalen Lieferschein erhalten.

Noch hohes Potenzial

Anders als etwa bei den deutschen Nachbarn ist die Dichte der Betonwerke in der Schweiz relativ hoch. Entsprechend scheint der Markt für Betontankstellen deutlich kleiner. Einer der Anbieter gibt indes zu bedenken, dass diese kompakten und preisgünstigen Anlagen in herkömmlichen Betonwerken gewisse Lastspitzen abfedern können. Ausserdem könnten die Tankstellen Kunden mit Kleinmengen bedienen, die im kontinuierlichen Geschäft mit Standardrezepturen und Abnehmern grosser Mengen an Frischbeton nur stören würden. Ihr nahezu automatischer Betrieb stellt angesichts der hohen Personalkosten in der Schweiz sogar ein sehr grosses Plus dar. Noch ein Vorteil: Für Beton mit geringer Beanspruchung, etwa leichte Fundamente im Gartenbau, kann man ziemlich frei neben oder anstelle von frischen Zuschlagstoffen Recyclingmaterial verwenden. Einen wichtigen Faktor bilden aber die Abnehmer. Sind sie rund um den Standort einer Betontankstelle nicht in genügender Zahl und mit genügendem Bedarf an Frischbeton vorhanden, kann das Geschäft auch scheitern.

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Quelle: RK-Prozesstechnik

Eine Anlage des süddeutschen Hersteller RK-Prozesstechnik, die unter der Marke Promix vertrieben werden.

Ein Marktteilnehmer in der Zentralschweiz etwa hat seine Anlage nach nur kurzer Zeit wieder verkauft. Und ganz ohne Personaleinsatz funktionier ihr Betrieb nicht, auch wenn die Selbstreinigung weitgehend automatisch erfolgt. Ein wenig Flexibilität über die normalen Arbeitszeiten hinaus sollte also vorhanden sein. Dann aber könne der Verkauf von Kleinmengen an Frischbeton zu einem schönen Nebengeschäft avancieren. Zu diesem Schluss kommen etwa die Verantwortlichen von Probst Betontechnik mit ihren Anlagen von Fibo Interkon. Zumal ein solches Geschäft auch unter ökologischen Gesichtspunkten Sinn ergebe. «Genau die richtige Kleinmenge an Frischbeton von einer nahe gelegenen Abgabestelle zu beziehen, hilft mit, die CO₂-Belastung durch Herstellung und Transport dieses Baustoffs weiter zu verringern», bemerkt Vertriebsexperte Armin Angerer von Probst Betontechnik. 

Noch ist das Potenzial an Baustoffwerken, Bauunternehmungen, Transport- und Recyclingbetrieben, die eine solche Anlage – auch gemeinschaftlich – betreiben könnten, längst nicht ausgeschöpft.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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