10:06 BAUBRANCHE

Wegen Corona-Krise: Suva registriert weniger Unfälle

Geschrieben von: Stefan Gyr (stg)
Teaserbild-Quelle: Suva

Während des Lockdowns wurden der Suva ein Drittel weniger Unfälle als im Vorjahr gemeldet. Jetzt sollen die Prämien in der Berufsunfallversicherung sinken. Die angespannte Lage an den Kapitalmärkten wird aber künftig den Spielraum des Unfallversicherers einschränken.

Hauptsitz der Suva in Luzern

Quelle: Suva

Hauptsitz der Suva in Luzern. Der Unfallversicherer will die Betriebe von den Folgen der Corona-Krise entlasten.

Die wegen der Corona-Pandemie verhängten Einschränkungen haben zu einem Rückgang der Unfälle geführt. Während des Lockdowns vom 16. März bis zum 10. Mai wurden der Suva 34 Prozent weniger Unfälle als im Vorjahr gemeldet. Ende März waren die Unfallzahlen gar um 52 Prozent gefallen. Dies teilte der Unfallversicherer an einer Medienorientierung in Luzern mit, die per Live-Stream übertragen wurde. Auf das ganze Jahr gerechnet, dürften die Berufsunfälle um 4,3 Prozent und die Freizeitunfälle um 5,8 Prozent zurückgehen, sofern die Zahlen der restlichen Monate nicht stark von früheren Jahren abweichen.

Die Zahl der Berufsunfälle sei während des Stillstands um 28 Prozent gesunken,erklärte Felix Weber, Vorsitzender der Suva-Geschäftsleitung. Die stärksten Rückgänge bei den Berufsunfällen verzeichneten die besonders von Corona betroffenen Kantone Tessin und Genf mit über 50 Prozent. Die Zahl der Freizeitunfälle fiel demgegenüber um 38 Prozent. Die Fussballunfälle gingen um 93 Prozent zurück, weil der Spielbetrieb ruhte. Die Fahrradunfälle nahmen dagegen um 33 Prozent zu. Viele Pendler fuhren wohl mit dem Velo statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit.

Wegen des Rückgangs bei den Berufsunfällen plant die Suva, die Prämien in der Berufsunfallversicherung dem gesunkenen Risiko entsprechend anzupassen. Sie prüft gegenwärtig zusammen mit dem Schweizerischen Versicherungsverband und den übrigen Unfallversicherern, wie diese geplante Prämienanpassung in der Berufsunfallversicherung am besten umgesetzt werden kann.

Betriebe entlastet

«Wir sind uns bewusst, dass ein Teil unserer versicherten Betriebe um ihr Überleben kämpft, weil ihre Umsätze wegen der Corona-Krise eingebrochen sind», erklärte Weber. «Wir setzen deshalb alles daran, sie weitmöglichst administrativ und finanziell zu entlasten.» So seien die Zahlungsfristen bis mindestens Ende Juni verlängert worden, und bis auf weiteres werde auf Mahnungen und Betreibungen verzichtet. Auch ihren Mietern kommt die Suva entgegen. Den Kunden, die direkt von einer Betriebsschliessung während des Lockdowns betroffen waren, soll mindestens eine Monatsmiete erlassen werden. Bei indirekt betroffenen Mietern würden individuelle Lösungen gesucht.

Vom Bund wurde die Suva mit Betriebskontrollen auf Baustellen sowie in Industrie und Gewerbe betraut, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bekämpfen. Auf Baustellen nahm die Versicherung bis Ende Mai 5406 Kontrollen vor. Dabei erstattete sie 60 Meldungen an die Kantone. In Industrie und Gewerbe führte die Suva 2367 Betriebskontrollen durch. Zwei Meldungen an die Kantone waren nötig.

«Die Schutzmassnahmen werden von allen Parteien sehr ernst genommen», sagte Weber. Der Unfallversicherer suche in enger Zusammenarbeit mit den Betrieben nach Lösungen und unterstütze sie dabei, die Sicherheitsvorgaben des Bunds umzusetzen. Für Arbeitnehmer auf dem Bau sowie in Industrie und Gewerbe betreibt die Suva Hotlines für Fragen zum Schutz vor dem Coronavirus.

Risikogerechte Prämien

Vor den Medien betonte der Vorsitzende der Geschäftsleitung, die Suva sei weiterhin solide finanziert, um die heute absehbaren finanziellen Belastungen wegen der Coronavirus-Pandemie und der aktuellen Börsenlage zu verkraften. Alle gesetzlichen Ansprüche der Versicherten seien gedeckt. 2019 hat die Suva ein Betriebsergebnis von 57,5 Millionen Franken erzielt. 2018 hatte der Abbau von 55,2 Millionen Franken an überschüssigen Ausgleichreserven zu einem Jahresergebnis von 4,8 Millionen Franken geführt.

Alle Versicherungszweige befanden sich 2019 finanziell im Gleichgewicht, wie der neue Finanzchef Hubert Niggli erklärte: «Die Prämien waren überall risikogerecht.» Die Betriebsunfallversicherung schloss bei Ausgaben von knapp 2 Milliarden Franken mit einem Fehlbetrag von 9 Millionen Franken. Die Nichtbetriebsunfallversicherung wies bei Ausgaben von rund 2,7 Milliarden Franken einen Gewinn von 9 Millionen Franken aus. Für alle zukünftigen Leistungen für bereits gemeldete Unfälle und Berufskrankheiten bestehen laut Niggli bedarfsgerechte Rückstellungen.

Das Eidgenössische Departement des Innern hat auf 2020 den technischen Zinssatz auf 1,5 Prozent gesenkt. Mit diesem Zinssatz wird die erwartete Verzinsung des Kapitals der Versicherten berechnet. Die dadurch entstehenden Kosten hat die Suva bereits 2018 vorfinanziert. So kommt es zu keiner Prämienerhöhung. Wegen der tiefen Zinsen und der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie rechnet die Suva mit einer weiteren Senkung des technischen Zinssatzes.

Felix Weber, Vorsitzender der Suva-Geschäftsleitung

Quelle: Suva / Keystone-SDA/ Patrick Hürlimann

Will Arbeit und Freizeit sicherer machen: Felix Weber, Vorsitzender der Suva-Geschäftsleitung.

Rückstellung für Zinssenkung

Um auch diese Senkung ohne Belastung der Prämienzahler zu finanzieren, nutzte die Suva das überdurchschnittliche Anlageergebnis im vergangenen Geschäftsjahr, um eine Rückstellung von 2,2 Milliarden Franken zu bilden. Das Anlageergebnis bezeichnete Niggli als «ausserordentlich gut». 2019 erzielte die Suva auf den Kapitalanlagen eine Anlageperformance von 9,3 Prozent. Das Anlagevermögen erhöhte sich von 50 auf 54 Milliarden Franken. Der gesetzliche Finanzierungsbedarf wurde damit übertroffen.

Mit den verbleibenden Mitteln aus den überschüssigen Anlageerträgen wurden die Rückstellungen für Risiken aus Kapitalanlagen erhöht, womit der Solvenzquotient von 142 auf 171 Prozent stieg. Damit stärkte die Suva nach eigenen Angaben ihre Fähigkeit, sämtliche Verpflichtungen gegenüber den Versicherten jederzeit zu erfüllen.

Die Coronakrise wirkte sich allerdings auf diese Werte aus. Die Performance lag im Mai 2020 bei -3,4 Prozent, nachdem sie im März auf -7,3 Prozent gefallen war. Der Solvenzquotient verringerte sich zwischenzeitlich auf 128 Prozent und lag zuletzt bei 150 Prozent. Die Solvenz habe damit immer über den gesetzlich geforderten 100 Prozent gelegen, sagte Niggli.

2019 hatten überschüssige Anlageerträge der Suva eine ausserordentliche Reduktion der Bruttoprämien in Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung von 532 Millionen Franken erlaubt. In der Berufsunfallversicherung ist 2020 eine weitere ausserordentliche Senkung der Bruttoprämien von rund 180 Millionen vorgesehen. Wegen der angespannten Lage an den Kapitalmärkten werde es aber in den kommenden Jahren keine weiteren ausserordentlichen Prämiensenkungen mehr geben, erklärte Niggli.

Die Nettoprämiensätze können 2021 trotz der Corona-Krise und der hohen Kosten für die Senkung des technischen Zinssatzes stabil gehalten werden. Doch die fakturierten Bruttoprämien in der Berufsunfallversicherung steigen für viele versicherte Betriebe wieder auf das Niveau von 2018, während sie in der Nichtberufsunfallversicherung im Durchschnitt unverändert bleiben.

Leicht mehr Unfälle 2019

Im Geschäftsjahr 2019 wurden der Suva 479 746 Unfälle und Berufskrankheiten gemeldet, was einer Zunahme um 0,9 Prozent entspricht. Die Taggeldbezugsdauer hat sich mit 40,8 Tagen leicht erhöht. Die um 2,7 Prozent gestiegene Anzahl der Fälle mit Taggeld wirkte sich auf die Taggeldkosten aus: Diese erhöhten sich um 3,5 Prozent auf 1,492 Milliarden Franken

Die Zahl der Berufsunfälle stieg um 1,3 Prozent, was an der Zunahme der Anzahl Beschäftigten liegt. Die Zahl der Freizeitunfälle wuchs um 0,9 Prozent. Gerechnet auf die versicherten Personen, bedeutet dies eine leichte Abnahme der Freizeitunfälle gegenüber dem Vorjahr mit dem aussergewöhnlich sonnigen Sommer. Die Zahl der Unfälle bei den als arbeitslos gemeldeten Personen hat erneut abgenommen, und zwar um 5,8 Prozent. Dies ist auf die gute Arbeitsmarktlage mit den sinkenden Arbeitslosenzahlen zurückzuführen.

Bei den Heilkosten griffen nach Angaben der Suva die Massnahmen zur Kostendämpfung: Zum vierten Mal in Folge konnten die durchschnittlichen Heilkosten pro Fall gesenkt werden. Die 2019 pro Fall ausbezahlten Heilkosten gingen um 0,2 Prozent auf 1993 Franken zurück. Die Durchschnittskosten pro Fall nahmen jedoch wegen der erhöhten Taggeldkosten um 0,4 Prozent auf 4167 Franken zu.

Die Zahl der neuen Invalidenrenten sank weiter um 15,8 Prozent auf 1282. 2002 waren noch 3349 Neurenten gesprochen worden. Niggli führte diesen Rückgang auf sicherere Arbeitsplätze, die Prävention und den Strukturwandel zurück. Gleichzeitig stiegen die Kosten für neue Invalidenrenten. Diese höheren Kosten seien Folgen der gestiegenen Einkommen und der höheren Lebenserwartung, aber auch der tiefen Zinsen. Die Gesamtkosten für neue Invaliditätsfälle nahmen um 9.3 Prozent auf 486 Millionen Franken ab.

Prävention mit Ribi und Jérémy

Weiter verstärkt hat die Suva ihre Anstrengungen in der Prävention. In Zusammenarbeit mit Branchen und Verbänden hat der Unfallversicherer lebenswichtige Regeln für verschiedene Berufsbilder entwickelt. Damit die Baustelle noch sicherer wird, wurden in der Deutsch- und Westschweiz zwei Identifikationsfiguren geschaffen. Ribi und Jérémy vermittelten in Kurzfilmen die Präventionsbotschaften der Suva. Neu eingeführt wurden Selbstkontrollen. Rund 500 Betriebe überprüften selbständig die Situation in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz, indem sie einen digitalen Fragebogen ausfüllten.

Weiter ausbauen will die Suva laut Weber die Präventionsarbeit gegen Asbesterkrankungen. Sie startete ausserdem das Präventionsprogramm «2020+». Es löst die «Vision 250 Leben» ab, die zum Ziel hatte, die Anzahl der tödlichen Unfälle zwischen 2010 und 2020 zu halbieren. Dieses Ziel wurde verfehlt, doch die Zahl der tödlichen Unfälle nahm signifikant ab.

Geschrieben von

Ehemaliger Redaktor Baublatt

Stefan Gyr war von April 2015 bis April 2022 als Redaktor für das Baublatt tätig. Seine Spezialgebiete waren politische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen sowie Themen der Raumentwicklung.

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