09:36 BAUBRANCHE

Tagung für Arbeitssicherheit: Digitalisierung und Work 4.0

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Nasa Kennedy/flickr.com

Die Schweizerische Tagung für Arbeitssicherheit widmet sich dem Thema «Sicher und gesund arbeiten in Zeiten der Digitalisierung». Die Teilnehmer sollen im Kurs neue Impulse für die Umsetzung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im eigenen Unternehmen erhalten.

Arbeit am PC

Quelle: Nasa Kennedy/flickr.com

Die Digitalisierung birgt für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz Chancen und Risiken.

Die Schweizerische Tagung für Arbeitssicherheit (STAS) findet am 19. Oktober zum 19. Mal statt. Die Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) richtet sich mit Themen zur Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz an Kader und Geschäftsführer von Unternehmen. 

Dabei geht es aber nicht nur um das papierlose Büro, um Homeoffice und Cloudcomputing. Vielmehr steht die Digitalisierung im Zentrum, welche auch die Produktion erfasst. Mit «Augmented Reality», agilen Teams, Drohnen und kollaborierenden Robotern, kurz Cobots genannt, halten neue Techniken und Arbeitsweisen Einzug.

Dies wirft neue Fragen auf: Welche Chancen und Risiken bringt die Digitalisierung für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden mit sich? Wie ist die Digitalisierung zu gestalten, damit die Menschen davon profitieren und gesund sowie leistungsfähig bleiben? Damit haben sich Experten aus der Industrie, Verwaltung, Forschung und Wissenschaft auseinandergesetzt. Die Referenten geben praktische Tipps und Impulse für die Umsetzung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im eigenen Unternehmen. Wir stellen einige der Referate vor.

Homeofficfe

Quelle: Alta Planning + Design/flickr.com

Homeoffice: Es sollen die gleichen Arbeitsbedingungen wie im Büro gelten.

Arbeitsräume neu denken 

Stephan Böhm ist Professor für Diversity Management und Leadership sowie Direktor des Center for Disability and Integration an der Universität St. Gallen. Er hat den Zusammenhang von Digitalisierung, neuen Arbeitsformen und der Gesundheit von Mitarbeitern untersucht. Dazu wurden 8000 Angestellte befragt. Die Analysen zeigen klar, dass «New Work» ein zweischneidiges Schwert ist, das Chancen und Risiken für die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit mit sich bringt. Zwar sei man autonomer sowie zeitlich und örtlich flexibler, erfährt man im Abstract seines Referats. «Doch da gibt es auch die ständige Erreichbarkeit und verminderte soziale Einbettung.» Dies habe sich durch die weltweite Corona-Pandemie und den damit verbundenen Digitalisierungsschub nochmals verstärkt. 

In seinem Vortrag geht er auf die Gestaltungsmöglichkeiten dreier Ebenen ein: auf die Selbstführung («Navigieren»), die Führung von Teams («Inkludieren und Koordinieren») sowie die Führung von ganzen Organisationen («Orchestrieren»). Dabei wird er unter anderem auf die Rolle des individuellen Grenzmanagements, der virtuellen Führung sowie des digitalen Reifegrads zu sprechen kommen.

Spannend dürfte auch der Beitrag von Stephan Sigrist werden. Der interdisziplinäre Denker und Gründer des Think Tanks «W.I.R.E.» analysiert an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis neue Entwicklungen, Trends und Technologien. Er ist ebenfalls der Meinung, dass die zunehmende Digitalisierung Auswirkungen auf die Arbeitswelt und Gesundheit am Arbeitsplatz hat. Abhängigkeiten von digitalen Lösungen nehmen zu, ist in seinem Abstract zu lesen. «Mehr Convenience kann sich negativ auf Herz, Kreislauf und Muskulatur auswirken.» Für die Gestaltung einer nachhaltigen Arbeitswelt brauche es mehr als die Ausrichtung auf die neue digitale Infrastruktur. «Neben der eigenen Resilienz gilt es auch Arbeitsräume neu zu denken und die Prozesse nicht auf digitale Prozesse, sondern auch auf den Menschen auszurichten.»

Faire Arbeitsbedingungen 

Dass das Homeoffice sowohl positive als auch negative Seiten hat, davon ist auch Luca Cirigliano überzeugt. Der Jurist, der beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) die Abteilung für Arbeitsrecht und Arbeitsbedingungen leitet, zeigt in seinem Referat die Position des SGB zum Thema Homeoffice auf: Es sollen die gleichen Arbeitsbedingungen wie im Büro gelten. «Dazu gehören klare und vor allem von allen Akteuren eingehaltene Regelungen zur Arbeitszeit, zur Ergonomie am Arbeitsplatz und zum Versicherungsschutz», schreibt er in der Inhaltsangabe seines Vortrags. 

 Der SGB fordere zudem eine angemessene, gesetzeskonforme Entlohnung für Homeoffice-Tätigkeiten und den Schutz vor übermässiger Arbeitsbelastung und Entgrenzung der Arbeitszeit. «Auch Spesen und Auslagen müssen richtigerweise vom Arbeitgeber, besonders im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, getragen werden.» 

 Darüber hinaus plädiere der SGB für eine ausgewogene Mischung aus Präsenzarbeit und Homeoffice, um die soziale Interaktion, den Teamgeist und die kollegiale Zusammenarbeit sowie die psychische Gesundheit zu erhalten. «Es ist wichtig, dass Arbeitgeber die Bedürfnisse und Rechte der Beschäftigten im Homeoffice respektieren und eine gute Work-Life-Balance ermöglichen.» 

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Quelle: fauxels/pexels.com

Im Gegensatz zu Videos und Büchern ermöglicht XR eine 360-Grad-3D-Raumerfahrung.

Neue Lehrmethoden 

Gemäss Stefan Wäfler, Head Digital Transformation GFQE bei der Schindler Management Ltd., sind auf Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) basierte Trainings die Lehrmethoden von heute. Sie seien holistisch, effizient und nachhaltig. Dieses Referat zeigt auf, wie VR und AR heute in der Ausbildung von Fachkräften zum Einsatz kommen und wie man auch komplexe technische Inhalte, anhand CAD-gestützter Daten, trainieren könne. Der Vortrag hat einen grossen hohen Praxisbezug und Live-Demo. 

Auch Reto Spoerri, Lehrbeauftragter und Dozent an der Fachhochschule Graubünden beschreibt die Extended Reality (XR) mit den Unterthemen Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) in der Ausbildung von Fachkräften als vorteilhafte Lehrmethode. «Im Gegensatz zu Videos und Büchern ermöglicht XR eine 360-Grad-3D-Raumerfahrung.» 

Deren Anwendung jedoch sei noch wenig verbreitet und standardisiert. Allerdings sei XR bezüglich des Trainingspotenzials hilfreich bei der Wahl und Reihenfolge von Arbeitswerkzeugen, räumlicher Anordnung und Bedienung. Wir erfahren, dass Geschmack, Geruchssinn, Gewicht und Haptik von Geräten nur begrenzt simuliert werden können. 

Die Produktion von XR-Lehrmaterialien ist allerdings kosten- und arbeitsintensiv und erfordert kontinuierliche Weiterentwicklung. Trotzdem ist XR sinnvoll in gefährlichen oder kostenintensiven Trainingssituationen, bei grossen Nutzerzahlen und aufwendigen realen Simulationen. Ein Beispiel hierfür wäre der medizinische Bereich oder der Untertagebau, steht in der Zusammenfassung seines Vortrags. 

Cobots und Drohnen 

Roland Siegwart, Director Autonomous Systems Lab & Wyss ETH, nimmt das Thema Roboter auf. Diese entwickeln sich zunehmend von Arbeitstieren in der industriellen Produktion zu komplexeren Maschinen, die selbständig Aufgaben im Katastropheneinsatz, auf der Baustelle, in der Landwirtschaft oder als autonome Fahrzeuge übernehmen. 

Diese neue Generation von Robotern muss sich agil bewegen und interagieren können, sich in unstrukturierten und unbekannten Umgebungen zurechtfinden und richtige Entscheidungen auf der Basis von unsicheren Informationen treffen. Im Vortrag werden aktuelle Forschungsthemen und Herausforderungen in der Robotik präsentiert und zukünftige Anwendungen in der Arbeitswelt diskutiert. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von laufenden und fliegenden Robotern sowie der Umgebungswahrnehmung und Navigation. (mtg/cet)

www.ekas.ch/stas

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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