Bundesrat und Parlament werben für Abschaffung des Eigenmietwerts
Die Abschaffung des Eigenmietwerts bei der Bundessteuer soll Anreize für eine hohe private Verschuldung reduzieren und das Steuersystem vereinfachen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat am Freitag im Namen des Bundesrats für die Vorlage des Parlaments geworben.
Die Befürworter des Systemwechsels kritisieren den heute steuerpflichtigen Eigenmietwert als eine ungerechte Abgabe auf Einkommen, die es nicht gebe. Trotzdem scheiterten in der Vergangenheit zahlreiche Versuche, den Eigenmietwert abzuschaffen.
Laut dem Bundesrat ist der neueste Reformversuch ausgewogen. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die weiterhin eine Vielzahl von Steuerabzügen zulassen wollten, beschränke die nun zur Abstimmung kommende Vorlage die Abzüge bei der direkten Bundessteuer auf ein Minimum und schränke damit auch die gesamtstaatlichen Mindereinnahmen ein.
Welche Folgen der Systemwechsel haben wird, hängt vom Zinsniveau ab. In der aktuellen Situation rechnet der Bund mit Mindereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden von rund 1,8 Milliarden Franken. Ab einem Hypothekarzinsniveau von etwa drei Prozent würden gemäss den Schätzungen hingegen Mehreinnahmen für die öffentliche Hand resultieren. (sda)
Das Wichtigste zur Vorlage in Kürze
Die Kantone sollen eine Steuer auf Zweitliegenschaften einführen können. Zur dafür nötigen Verfassungsänderung äussern sich am 28. September Volk und Stände. Gedacht ist die neue Steuer als Ersatz für die vom Parlament beschlossene Abschaffung des Eigenmietwerts. Das Wichtigste zur Vorlage in Kürze:
Die Ausgangslage
Wer im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung lebt, muss
heute den sogenannten Eigenmietwert als Einkommen versteuern. Gemeint ist, dass
die nicht erzielten Einnahmen aus einer Vermietung der Liegenschaft versteuert
werden müssen.
Im Gegenzug können für Schuldzinsen sowie für
Unterhaltskosten Steuerabzüge geltend gemacht werden. Die Abschaffung des
Eigenmietwerts ist umstritten und seit Jahren ein politischer Dauerbrenner. In
der Schweiz lebt die Mehrheit der Bevölkerung in einer Mietwohnung.
Das bringt die Vorlage
Das Parlament beschloss 2024 den Systemwechsel: Für Erst- und auch für Zweitwohnungen soll der Eigenmietwert fallen. Zuvor war lange umstritten, ob der Eigenmietwert nur für Erstwohnungen fallen sollte oder auch für Zweitwohnungen. Die Möglichkeit für die Kantone, mit einer neuen Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnungen wegfallende Einnahmen zu kompensieren, beschloss das Parlament als Begleitmassnahme.
Die dafür nötige
Verfassungsänderung, über die nun abgestimmt wird, ist Voraussetzung dafür,
dass der Eigenmietwert abgeschafft werden kann. Denn das Parlament hat die
beiden Vorhaben miteinander verknüpft – das eine kann ohne das andere nicht in
Kraft treten. Schuldzinsen fürs Wohneigentum sollen nach der Abschaffung des
Eigenmietwerts in der Steuererklärung nur noch eingeschränkt abgezogen
werden können, und Unterhaltskosten-Abzüge sollen bei Bund, Kanton und
Gemeinden gestrichen werden.
Die finanziellen Auswirkungen durch den Systemwechsel beim
Besteuern von Wohneigentum hängt von der Höhe der Hypothekarzinsen ab. Beim
derzeitigen Niveau – 1,5 Prozent – werden die Mindereinnahmen für Bund, Kantone
und Gemeinden auf rund 1,8 Milliarden Franken im Jahr geschätzt. Steigt das
Niveau der Hypothekarzinsen allerdings auf über 3 Prozent, dürfte die
öffentliche Hand mehr einnehmen als heute, da die Schuldzinsen nicht mehr
abgezogen werden können. Wie viel die neue Steuer auf Zweitliegenschaften den
Kantonen einbringt, ist offen. Denn die Einführung dieser Steuer ist Sache der
Kantone, sie können auch darauf verzichten.
Das sagen die Befürworter
Weil die Abzugsmöglichkeiten für Schulden stark begrenzt
werden, verliert das Steuersystem in den Augen der Befürworter einen Anreiz,
hohe Hypotheken für das eigene Haus oder die Wohnung beizubehalten. Und die
neue Liegenschaftssteuer gebe den Kantonen und Gemeinden die Möglichkeit,
massgeschneiderte Lösungen zu wählen.
Bundesrat und Parlament unterstützen den Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum. Die FDP nennt den Eigenmietwert eine ungerechte Steuer auf Einkommen, das es nicht gebe. Die SVP argumentiert, der Eigenmietwert bestrafe die Sparsamen, denen Eigenverantwortung und Unabhängigkeit wichtig sei. Gleichzeitig werde die Verschuldung gefördert.
Der
Hauseigentümerverband (HEV) spricht von einer Überbesteuerung von
Eigenheimbesitzern durch den Eigenmietwert. Gerade im
Pensionsalter, wenn das Einkommen sinkt, schlage der Eigenmietwert voll durch.
Für die bürgerlichen Jungparteien leistet die Vorlage einen wichtigen Beitrag
dazu, Wohneigentum für die junge Generation zugänglicher zu machen.
Das sagen die Gegner
Die SP etwa macht geltend, dass namentlich reiche Haus- und
Wohnungsbesitzer vom Systemwechsel profitierten. Wegen der absehbaren
Steuerausfälle drohten Steuererhöhungen in den Kantonen.
Die Grünen befürchten, dass wegen tieferer Steuereinnahmen
die angekündigten Sparmassnahmen des Bundes noch verschärft werden könnten. Und
ohne die heutigen Abzugsmöglichkeiten gebe es weniger Anreize, Häuser
energetisch zu sanieren.
Die Konferenz der Gemeindepräsidenten von Ferienorten im Berggebiet befürchtet wegfallende Einnahmen für die Baubranche, weil es weniger Anreize gebe, Gebäude zu renovieren. Auch die Gebirgskantone lehnen die Vorlage ab. Sie sehen sich überproportional betroffen von der Abschaffung des Eigenmietwerts für Ferienwohnungen und -häuser. Mit der besonderen Objektsteuer für Zweitwohnungen würden sich zahlreiche neue Rechts- und Abgrenzungsfragen stellen. (sda)