12:10 BAUPRAXIS

Regeln für Arbeiten in der Hitze: Wie macht es das Ausland?

Teaserbild-Quelle: Orian Lev Ari, Unsplash

Sonnensegel, Abkühlräume, mittägliches  Arbeitsverbot oder Siesta: In Ländern wie Spanien, Italien, Griechenland und in der Türkei müssen sich die Beschäftigten und generell die Bevölkerung vor zu hohen Temperaturen schützen.

Kran im Gegenlicht

Quelle: Orian Lev Ari, Unsplash

Wenn die Sonne auf die Baustelle sengt, gelten vielerorts besondere Regeln.

Mancherorts gibt es entsprechende Gesetze, anderenorts wird auf längst etablierte Massnahmen gesetzt. Eine kleine Übersicht.

Griechenland: Aufenthalt in öffentlichen klimatisierten Gebäuden tagsüber erlaubt

In Griechenland schrillen die Alarmglocken, wenn in Athen die  Akropolis über die Mittagsstunden die Pforten für Touristen und Angestellt schliesst. Bei mehr als 40 Grad im Schatten fühlt es sich für die Menschen dort je nach Kleidung und Windverhältnissen wie 55 bis 60 Grad an. Kreislaufprobleme und Dehydrierung können die Folge sein. Für diejenigen, die zu Hause keine Klimaanlage haben, öffnen die griechischen Grossstädte während Hitzewellen öffentliche klimatisierte Gebäude, in denen man sich tagsüber aufhalten darf.

Zudem ergreift das griechische Arbeitsministerium Massnahmen: Es untersagte bei Hitze in den jeweils betroffenen Regionen des Landes die Arbeit im Freien zwischen 12 und 17 Uhr - davon Betroffen sind Baustellen, die Landwirtschaft, aber auch Lieferdienst-Beschäftigte, die per Moped Essen und Kaffee ausfahren. Bei Zuwiderhandlung droht den Unternehmen bis zu 2000 Euro Strafe je betroffenem Mitarbeitendem. Vorgaben gibt es zudem für die Privatwirtschaft, die gesetzlich verpflichtet ist, Arbeit im Home-Office zu ermöglichen oder in den Büros Klimatisierung vorzuhalten.

Spanien: Traditionelle Siesta und heftige Bussen

In Spanien, wo die Hitzewellen ebenfalls immer häufiger und länger werden, sind die gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Beschäftigten zuletzt verschärft worden. Linderung für alle sollen zudem über die Strassen gespannte Sonnensegel sowie Trinkwasserstellen, Bäume, Verkehrsberuhigung und Abkühlräume bringen. Abseits der Metropolen machen die Spanierinnen und Spanier traditionell ihre berühmte Siesta, meist zwischen 14.00 und 17.00 Uhr.

Die Regeln zum Hitzeschutz wurden auch in Reaktion auf den tödlichen Hitzschlag eines Mitarbeiters der Stadtreinigung in Madrid 2022 bei mehr als 40 Grad verschärft. Seit 2023 müssen Arbeiten im Freien während extremer Hitze eingeschränkt oder ganz unterbrochen werden. Bei Verstössen drohen Strafen von bis zu fast einer Million Euro. Die Regelung greift, wenn der staatliche Wetterdienst Aemet eine Hitzewarnung der Stufe Orange oder Rot herausgibt. In der Praxis klappt das aber nicht immer: Gewerkschaften kritisieren, dass gerade kleinere Betriebe in Sektoren wie Landwirtschaft, Bau und Tourismus leicht unter dem Radar staatlicher Kontrollen bleiben.

Frankreich: Grandes Vacances im August

Angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Hitzewellen rüstet Frankreich in vielen Bereichen auf. Zuletzt wurden zum 1. Juli die Vorschriften bezüglich der Vorkehrungen verschärft, die öffentliche Arbeitgeber bei Hitzewellen treffen müssen. Dabei geht es um den Schutz vor Hitze und Sonne am Arbeitsplatz und das Bereitstellen von mindestens drei Litern Wasser pro Mitarbeitenden, wenn es vor Ort kein fliessendes Trinkwasser gibt.

Ansonsten dient der französische Ferienrhythmus schon lange als Schutz vor der ärgsten Hitze: Im August ist das ganze Land im Ferienmodus, viele Menschen sind verreist, Betriebe geschlossen und wo es geht, beziehn die Menschen ihre Ferientage. Schon im Juli packen viele ihre Koffer.

Slowenien: Die Innenraumtemperatur darf 28 Grad nicht übersteigen

In Slowenien ist der Schutz für Arbeit bei Hitze im Freien nicht im Detail geregelt, die Konföderation der freien Gewerkschaften ZSSS hat aber dafür Vorschläge unterbreitet. Hingegen gibt es Gesetze für Arbeitsplätze in Innenräumen, dort darf es nicht wärmer als 28 Grad sein.

Kroatien: Gewerkschaften verlangen Regeln nach französischem Vorbild

In Kroatien gibt es keinerlei Gesetze zum Hitzeschutz. Alles bleibt dem Ermessen der Arbeitgeber überlassen. Das kritisieren die Gewerkschaften - und verlangen Regeln nach dem Modell Frankreichs.

Ungarn: Arbeitgeber muss für ausreichend Flüssigkeit und Pausen sorgen

Ungarn hat eine sehr detaillierte Verordnung zum Arbeitsschutz bei Hitze. Es gibt viele Abstufungen, je nach physischer Schwere der Arbeit. Wird draussen bei mehr als 27 Grad schwer gearbeitet, muss der Arbeitgeber für ausreichend Flüssigkeit und Pausen sorgen. Beschäftigte in Büros hingegen müssen bis zu 31 Grad schutzlos ertragen, erst dann muss der Arbeitgeber etwa mit Kühlungsmassnahmen eingreifen.

Rumänien: Angestellte können Arbeit ablehnen, wenn es zu heiss ist

In Rumänien regelt das Arbeitsgesetz, dass der Arbeitgeber das Arbeitsprogramm bei extremer Hitze anpassen muss und in den Mittagsstunden pausiert wird. Er muss auch Trinkwasser und schattige Rückzugsplätze zur Verfügung stellen und für Lüftung sorgen, ansonsten muss die Arbeit zwischen 11.00 und 17.00 Uhr ruhen. Die Angestellten dürfen die Arbeit ablehnen, wenn es zu heiss ist. Als Grenzwert gelten hier 37 Grad im Schatten, wenn diese Temperatur mehr als zwei Tage nacheinander andauert.

Serbien: Arbeitnehmer können Chef, der für Hitze nicht vorsorgt, anonym melden

In Serbien gibt es Strafen für Arbeitgeber, die gegen den Hitzeschutz verstossen: Bis zu 17'000 Euro können für Unternehmen fällig werden. Beschäftigte können einen Arbeitgeber, der keine Massnahmen für ihre sichere und gesunde Arbeit im Freien bei hohen Aussentemperaturen getroffen hat, anonym der Gewerbeaufsichtsbehörde melden. Als Grenzwert gelten 36 Grad. Fraglich ist, inwieweit die Sanktionen im Alltag umgesetzt werden.

Italien: Einzelne Regionen haben Anti-Hitze-Verordnungen

In Italien reicht die Tradition der Siesta bis ins antike Rom zurück: Damals legten die Menschen zur "hora sexta", also zur sechsten Stunde nach Sonnenaufgang, eine Pause ein ? meist um die Mittagszeit. Auch heute noch ist es in vielen kleineren Städten üblich, dass Geschäfte zwischen 13.00 und 16.00 Uhr geschlossen sind. In Grossstädten setzt sich hingegen ein durchgehender Arbeitstag durch. Für viele bleibt die Mittagshitze ein
Gesundheitsrisiko: Der erste Hitzeschub des Sommers brachte bereits Todesopfer, so brach ein 47-Jähriger beim Betonieren im Freien zusammen.

Trotz wiederkehrender Hitzewellen hat die italienische Regierung noch keine einheitlichen Schutzmassnahmen für Arbeitnehmende erlassen. Stattdessen haben mehrere Regionen in Eigenregie Anti-Hitze-Verordnungen beschlossen. Als Grundlage dient die Webseite Worklimate 2.0, entwickelt vom Nationalen Forschungsrat und dem Arbeitsunfallinstitut Inail. Anhand von Temperatur, Feuchtigkeit und körperlicher Belastung ermittelt sie das tägliche Arbeitsrisiko: Liegt ein Unternehmen im rot markierten Bereich, müssen die Arbeiten zu festgelegten Zeiten eingestellt werden. Betroffen sind etwa Baustellen, Steinbrüche und landwirtschaftliche Betriebe.

Türkei: Aufruf zur Meidung der Hitze auf Baustellen und geschlossene Schulen

In der Türkei gibt es im Sommer immer wieder Hitzewellen. In den nächsten Tagen etwa sollen die Temperaturen in der südosttürkischen Metropole Diyarbakir auf mehr als 40 Grad steigen. Büros und Spitäler sowie U-Bahnen und Busse sind in der Regel klimatisiert.
Wer auf Baustellen oder in der Landwirtschaft arbeitet, wird dazu aufgerufen, die Mittagssonne zu meiden und ausreichend Wasser zu trinken. Bei sehr starker Hitze schliessen Schulen gelegentlich. Von der Regierung angetriebene Massnahmen zur Kühlung der Städte, wie etwa Begrünung, um die Temperaturen zu senken, gibt es bislang nicht. (sda dpa/sifr Athen/Rom/Madrid/mai)


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