12:08 BAUBRANCHE

Schweizer Bauwirtschaft will differenzierte Mindestlöhne

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Mindestlöhne in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAVs) sollen Vorrang vor kantonalen Mindestlöhnen haben. – Die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle von Bauenschweiz spricht sich für eine entsprechende Gesetzesanpassung aus.

Mit einer Anpassung im Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) wäre dieser Grundsatz zukünftig gesetzlich verankert, heisst es in einer Mitteilung der Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle von Bauenschweiz, dem Dachverband der Schweizer Bauwirtschaft. Die Gruppe repräsentiert das Gewerbe in den Bereichen Innenausbau und Gebäudehülle. 

Rechtsunsicherheit abbauen

Der Vorstoss geht auf eine Motion von Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte/OW) zurück, die fordert, die bewährte sozialpartnerschaftliche Ordnung gegen politische Eingriffe abzusichern. Konkret soll dafür im Bundesgesetz verankert werden, dass die Mindestlöhne in einem allgemeinverbindlich erklärten GAV gegenüber kantonalen Mindestlöhnen Vorrang haben – auch dann, wenn die GAV-Mindestlöhne tiefer sind.

Mit der Anpassung solle Rechtsunsicherheit abgebaut und die Rolle der Sozialpartner gestärkt werden, heisst es in der Mitteilung der Stammgruppe. Die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) habe diese Haltung mehrheitlich unterstützt und empfehle, die Vorlage anzunehmen. Die Stammgruppe teilt diese Sichtweise. 

 «Die Sozialpartnerschaft ist ein tragender Pfeiler des Schweizer Arbeitsmarkts. Sie schafft Verbindlichkeit, Planungssicherheit und faire Bedingungen für Arbeitgebende und Arbeitnehmende», so Peter Meier, Präsident der Stammgruppe im Communiqué. Darum sei es entscheidend, dass die in GAV vereinbarten Mindestlöhne auch künftig Vorrang hätten.

Unterstützt wird diese Haltung laut der Stammgruppe auch von 29 Wirtschaftsverbänden, die sich in der Allianz «für die Stärkung der Sozialpartnerschaft» zusammengeschlossen haben.

Diskussion der Vorlage

Dass die Thematik kontrovers diskutiert wird, zeigte sich am gestrigen Parlamentarieranlass im Raiffeisen Forum in Bern. Während Initiant Erich Ettlin die Gesetzesanpassung als notwendige Absicherung der Sozialpartnerschaft verteidigte, wies SP-Nationalrat Cédric Wermuth auf die Problematik hin, dass mit der Gesetzesänderung kantonale Mindestlöhne übersteuert werden könnten.

Diana Gutjahr (SVP/TG) dagegen argumentierte, dass gerade die differenzierten Löhne aus dem ave GAV faire Arbeitsbedingungen garantierten. «Wir dürfen jetzt nicht einfach einzelne Rosinen herauspicken. Ein austarierter ave GAV ist ein Gesamtpaket.» Dieser Aussage schloss sich auch Anita Luginbühl, Vizepräsidentin Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM, an.

Differenzierte Löhne stärken Berufsbildung

Ein zentraler Kritikpunkt an den kantonalen Mindestlöhnen ist für die Stammgruppe die fehlende Differenzierung. Mindestlöhne in ave GAV würden der Bauwirtschaft einen wirksamen Schutz vor Lohndumping bieten und faire Arbeitsbedingungen garantieren. Gleichzeitig ermöglichten eine Differenzierung der Löhne nach Qualifikation, Berufsart und Erfahrung.

Kantonale Mindestlöhne hingegen seien meist undifferenziert. Werde Bildung durch einen einheitlichen Mindestlohn weniger lohnrelevant, reduziere sich auch der Anreiz, sich aus und weiterzubilden. «Für die Stärkung der Berufsbildungssysteme ist es daher wichtig, dass sich Ausbildung, Leistung und Berufserfahrung lohnwirksam niederschlagen», so Diana Gutjahr. 

Die in ave GAV festgelegten Mindestlöhne für ausgebildetes Personal liegen laut der Stammgruppe meist deutlich über den kantonalen Mindestlöhnen. Ein Vorrang kantonaler Mindestlöhne würde diese differenzierte Systematik nivellieren und damit auch der Berufsbildung schaden.

Eine fragmentierte Lohnlandschaft habe auch negative Folgen für viele in der Bauwirtschaft tätigen Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe, schreibt die Stammgruppe weiter. So drohten bei ausserkantonalen Aufträgen und der Offertstellung erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheiten.

Sozialpartnerschaft erhalten

«Die Sozialpartnerschaft hat sich in der Bauwirtschaft über Jahrzehnte als tragfähiges Modell bewährt», heisst es weiter. Differenzierte und von Branchen selbst ausgehandelte Mindestlöhne würden faire Bedingungen schaffen und die Qualität sichern. Politische Eingriffe, die diese Regelungen übersteuern, gefährdeten dagegen die Akzeptanz der GAV bei den Sozialpartnern und führten zu mehr Unsicherheit.

Die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle unterstützt deshalb die geplante Anpassung des Bundesgesetzes und die Stossrichtung der Motion Ettlin. Parallel dazu lanciert sie die neue Kommunikationsinitiative «Wir gestalten Lebensräume: Das Ausbaugewerbe». Ziel davon ist es, die Bedeutung der Teilbranche sichtbarer zu machen, über aktuelle Themen aufzuklären und neue Fachkräfte zu gewinnen. (mgt/pb)

Informationen zur Initiative finden sich unter: www.ausbaugewerbe.ch

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