09:05 VERSCHIEDENES

Wachturm mit Spitzgraben aus spätrömischer Zeit in Schlatt entdeckt

Teaserbild-Quelle: zvg

Eine Sondiergrabung brachte den Beweis: Im Schaarenwald am Rhein liegen Reste einer Befestigungsanlage, die zum Schutz des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert nach Christus erbaut worden ist. Gefunden wurden ein Turmfundament sowie ein Spitzgraben.

Illustration eines Römischen Turmes an der Rheingrenze

Quelle: zvg

Rekonstruktion aus dem Jahr 1997 eines Turmes an der Rheingrenze (Schaarenwiese).

Der sogenannte Schaaren am Hochrhein ist heute sowohl Erholungsgebiet, als auch Naturreservat. Er berge aber auch wichtige Zeugen der bewegten Geschichte der Region, schreibt das Amt für Archäologie des Kantons Thurgau in einer Mitteilung von Mittwoch.

So wurden hier bereits eine bronzezeitliche Siedlung, ein römischer Wachturm sowie vor allem Befestigungen aus den Napoleonischen Kriegen aus dem Jahr 1799 nachgewiesen. Und auch im Zweiten Weltkrieg wurden heute noch sichtbare Kampfbauten (Bunker) errichtet. 

Heute ist das Gebiet fast vollständig bewaldet. Bereits vor 20 Jahren hatte ein Mitarbeiter des Amtes für Archäologie auf einer weiteren Fläche auffällig viele römische Münzen gefunden, was sich laut Mitteilung bis vor Kurzem nicht erklären liess.

Nachdem in diesem Winter Waldarbeiten durchgeführt wurden, kamen aber weitere Objekte zum Vorschein, darunter römische Ziegel, Bausteine aus Tuff sowie typische Ausrüstungsteile römischer Soldaten aus der Zeit nach 300 n. Chr. Ebenso liess sich im Fundbereich auf dem Geländemodell eine quadratische Struktur erkennen. 

Hinweise auf römischen Wachturm 

Die Indizien hätten zwar auf einen römischen Wachturm hingedeutet, heisst es weiter. Jedoch wurden diese Befestigungsanlagen in der Zeit um 1900 systematisch untersucht und zahlreiche Anlagen auf der Strecke von Basel bis nach Stein am Rhein gefunden und erforscht. Ein neuer Standort war seither laut Amt nur einmal 1991 in Diessenhofen beim Unterhof, östlich des Rheinfalls bei der Renovation der Burganlage entdeckt worden. 

Römischer Spitzgraben Schaaren Hochrhein

Quelle: zvg

Der um die Anlage im Abstand von etwa fünf Metern gezogene Spitzgraben zeichnete sich deutlich im kiesigen Untergrund ab.

Hatten die Forscher vor über 100 Jahren tatsächlich etwas übersehen? Die Hinweise und auch die Lage der Verdachtsfläche hätten dafür gesprochen, schreibt das Amt weiter. Da Forstarbeiten im Gange waren, erlaubten die Forstorgane der Kantone Thurgau und Schaffhausen – der Wald ist Schaffhauser Staatswald – schliesslich eine Sondiergrabung. Daraufhin wurde das Gebiet in zehntägiger Arbeit Ende Januar 2023 sondiert.

Spitzgraben deutlich erkennbar 

An der Oberfläche der bei Waldarbeiten weitgehend geräumten Fläche war praktisch nichts zu sehen. Denn wie bei römischen Bauwerken üblich, wurde in späteren Zeiten das Steinmaterial abgetragen und wiederverwendet. Vom Fundament eines nahezu quadratischen, rund 7 Mal 7 Meter messenden Gebäudes mit rund 1 Meter dicken Mauern verblieben deshalb nur Mörtelreste, einige Steine sowie der Fundamentgraben. 

Deutlich im kiesigen Untergrund zeichnete sich dagegen der im Abstand von etwa fünf Metern um die Anlage gezogene Spitzgraben ab, heisst es weiter. Laut Amt ist zu vermuten, dass dazu eine Palisade oder Holzbefestigung bestand. Funde – mit Ausnahme einer grossen Menge römischer Dachziegel und Teile von Tuffquadern – blieben selten, kamen aber doch vereinzelt vor. 

Die Sondiergrabung blieb auf einige Schnitte beschränkt und hatte das «Archiv im Boden» und das empfindliche Waldgebiet zu schonen; die Grabungsflächen wurden deshalb wieder eingedeckt. 

Rangabzeichen Zwiebelknopffibel

Quelle: zvg

Laut dem Amt für Archäologie ein klares Indiz für den römischen Wachturm: Ein Rangabzeichen, das Teil einer sogenannten Zwiebelknopffibel (Schliesse für den Mantel), mit Vergoldung ist.

Noch offene Fragen zu Fund 

Wie das Amt weiter festhält, bestehen aufgrund der Beobachtungen wenig Zweifel daran, dass die Spuren wirklich zu einer turmartigen Befestigung der Zeit ab Ende des 3. bis Ende des 4. Jahrhunderts gehören. Dies würden die Funde zeigen, aber auch Vergleiche mit anderen, besser erhaltenen Anlagen entlang des Rheins. 

Auffällig sei, dass auch diese Neuentdeckung schlechter erhalten sei, als die Befestigungen westlich des Rheinfalls, von denen einige – etwa auf der Tössegg im Kanton Zürich – die Zeit relativ gut überdauert hätten. Wurden die römischen Bauten am thurgauischen Rheinufer besonders stark abgebaut? Waren sie nur zeitweise in Betrieb? 

Sicher ist laut Amt: Das grosse Kastell Stein am Rhein, dessen mächtige Überreste noch heute gut sichtbar sind, wurde kurz vor 300 n. Chr. erbaut. Damals entstanden auch Festungen in Pfyn, Konstanz, Arbon, Zurzach, Kaiseraugst und Bregenz. Die kleineren Anlagen zwischen diesen «Kastellen» wurden wohl erst allmählich errichtet. 

Münze des Kaisers Konstantin I.

Quelle: zvg

Münze des Kaisers Konstantin I., nach 311 n. Chr.

Einen klaren Akzent setzte schliesslich Kaiser Valentinian kurz nach 370 n. Chr., der ein letztes Mal versuchte, mit Bauten die Rheingrenze und das Hinterland zu befestigen. Grund dafür waren gemäss Mitteilung die von Norden her drohende Gefahr von Einfällen und Raubzügen und mangelnde Ressourcen des römischen Reiches, das seit dem 3. Jahrhundert zumindest im Westen in einem eigentlichen Niedergang begriffen war.

Anlage wird erklärt und sichtbar gemacht 

Während der neu entdeckte Wachturm gut in die allgemeinen historischen Überlegungen passe, sei unklar, wann genau er gebaut wurde und mit welchen Anlagen er in Beziehung stand. Östlich und westlich davon sind gemäss Mitteilung zwar weitere Türme bekannt, über diese weiss man aber auch nicht viel mehr. 

Ausser wenigen Funden gäbe es ausserdem kaum Hinterlassenschaften einer Besatzung, schreibt das Amt weiter. Aus anderen solchen Befestigungen gibt es aber Hinweise, dass offensichtlich germanische Hilfstruppen im Dienst standen und auch Gewerbe ausgeübt wurde; die Grenztruppe musste sich – so auch die schriftlichen Berichte – weitgehend selber versorgen. 

Teil eines römischen Militärgürtels, Riemenende

Quelle: zvg

Ebenfalls ein Indiz: Teil eines römischen Militärgürtels, Riemenende in Amphorenform.

Von der Anlage ist im Gelände nichts zu sehen, sie wird aber im Rahmen der historischen Pfade im Gebiet Schaaren erklärt und sichtbar gemacht. Die wissenschaftliche Auswertung der Beobachtungen und Funde steht gemäss Mitteilung noch bevor. Das Interesse gelte nun weiter nun auch den übrigen Anlagen zwischen Feuerthalen und Stein am Rhein.

Das Amt für Archäologie wird dafür auch die anderen Standorte, die bereits bestehenden Funde und die alten Berichte genauer unter die Lupe nehmen; Belege für eine bewegte Zeit in einer historisch bedeutsamen Umgebung. (mgt/pb)

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