18:05 VERSCHIEDENES

Klimawandel wirkt sich auf Schweizer Seen aus

Teaserbild-Quelle: RIcardo Gomez Angel, Unsplash

Der Klimawandel könnte die Seen der Schweiz stark verändern, vor allem solche in mittleren Lagen wie der Klöntalersee oder der Lac de Joux. Bildet sich auf ihnen im Winter keine Eisdecke, kann sich dies auf die Funktion ihres Ökosystems auswirken. Dies zeigt eine neue Modellstudie der Eawag.   

Klöntalersee

Quelle: RIcardo Gomez Angel, Unsplash

Friert der Klöntalersee im Winter nicht mehr zu, verändert sich die Funktion seines Ökosystems.

Schweizer Seen unterliegen starken saisonalen Zyklen: Im Frühling und Herbst durchmischt sich in vielen Seen das Wasser von der Oberfläche mit jenem auf dem Grund. Dieser Austausch beeinflusst zahlreiche chemische und ökologische Prozesse. Sauerstoffreiches und nährstoffarmes Oberflächenwasser mischt sich mit dem sauerstoffarmen und nährstoffreichen Wasser aus der Tiefe. Im Zuge dieses Prozesses gleicht sich auch Seetemperatur über die gesamte Tiefe aus.

Hingegen ist das Tiefenwasser im Winter und Sommer durch eine stabile Schichtung von den Prozessen an der Oberfläche getrennt. Seeökosysteme und das gesamte Nahrungsnetz vom Plankton bis zum Fisch haben sich an diese saisonalen Schwankungen angepasst.

Klimawandel verändert die jahreszeitlichen Zyklen

Eine neue Computermodell-Studie des Wasserforschungsinstituts Eawag zeigt, dass der Klimawandel tief in diese Zyklen der Schweizer Seen eingreifen kann. „Wie stark die Zirkulation der Seen auf den Klimawandel reagiert, hängt insbesondere von deren Höhenlage und Grösse ab. Vor allem Seen in mittleren Höhenlagen sind sehr empfindlich“, erklärt Carl Love Råman Vinnå von der Forschungsabteilung Oberflächengewässer.

Für die Studie hat das Forscherteam rund um Råman Vinnå 29 Schweizer Seen entlang auf der Höhe zwischen 193 Meter und 1797 Meter über Meeresspiegel untersucht. Dazu simulierten sie mit dem eindimensionalen physikalischen Seemodell Simstrat die dynamischen Prozesse der Seen. Die Wissenschaftler konnte dafür erstmals die neuen Schweizer Klimaszenarien (CH2018) nutzen, die die komplexe Topographie der Alpen miteinbeziehen und auf diese Weise das lokale Klima sehr detailliert abbilden. Damit konnten die Auswirkungen des Klimawandels auf die Seedynamik genauer als in früheren Studien simuliert werden. – Bei seinen Untersuchungen ging das Team von drei  Zukunftsszenarien aus:

  • Im Worst-Case-Szenario steigen die Treibhausgasemissionen kontinuierlich an.
  • Im mittleren Szenario erreichen die Emissionen um 2050 ihren Höhenpunkt.
  • Das strengste Szenario begrenzt die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius.

Lebensräume der Wasserbewohner verändern sich stark  

Die Simulationsergebnisse zeichnen ein klares Bild: Erwärmt sich das Klima um mehr als 2 Grad Celsius drohen viele Seen in mittleren Höhenlagen im Lauf des 21. Jahrhunderts ihre Eisbedeckung zu verlieren. Dies trifft etwa auf den  Lac de Joux oder der Klöntalersee zu. Weniger Eis bedeutet einen erhöhten Austausch zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser. Das wirkt dem Aufbau einer stabilen Schichtung im Winter entgegen und verkürzt darum ihre Dauer. Derweil verlängert sich im Sommer hingegen die Dauer der stabilen Schichtung, wodurch sich Risiko eines Sauerstoffmangels in tiefen Gewässern erhöht. Zudem wird im Sommer so das Algenwachstum begünstigt, das heisst das Wachstum giftiger Cyanobakterien.

Diese Entwicklung wirkt sich auf die Wärmespeicherung der Seen aus, aber auch auf die Sauerstoff- und Nährstoffverteilung. Die Lebensräume vieler Wasserbewohner könnten sich stark verändern, da sich das Wasser von oben her erwärmt und der Sauerstoff gegen den Grund knapp wird. «Wenn es aber gelingt, die Klimaerwärmung zu begrenzen, können wir die Eisbedeckung erhalten und damit die Verschiebung des Mischungsregimes für die meisten Seen verhindern», sagt Råman Vinnå.

Geringere Auswirkungen auf Gebirgsseen

Hingegen bleiben laut Modellstudie unter allen Klimaszenarien hoch gelegene Seen, zum Beispiel der St. Moritzersee auf 1768 Metern, zumindest in diesem Jahrhundert dimiktisch. Das heisst, ihre gesamte Wassermasse durchmischt sich im Frühling und Herbst.

Interessanterweise erwärmt sich dort das Seewasser zwar stärker, zudem verkürzt sich die Dauer der Eisbedeckung und der stabilen Schichtung im Winter schneller als in tieferen Lagen. Dennoch kommt es im aktuellen Jahrhundert wahrscheinlich zu keinem Kippen der Seen. Auf hochgelegenen Seen wird sich im Winter weiterhin eine Eisschicht ausbilden, sodass eine halbjährliche vertikale Durchmischung erhalten bleibt.

Kaum Veränderungen bei Seen wie dem Genfersee

Hingegen sind die grossen Seen im Schweizer Mittelland wie der Zürichsee aber auch der Genfersee schon heute ein monomiktisch. Dies bedeutet, dass sich ihre Wassermasse nur einmal pro Jahr durchmischt. Laut der Modellstudie bleiben ihre Durchmischungszyklen voraussichtlich erhalten.

„Die Schweizer Seen werden sich im Lauf des 21. Jahrhunderts aufgrund des Klimawandels verändern. Unsere Studie zeigt aber, dass durch konsequenten Klimaschutz die meisten Auswirkungen begrenzt werden können“, sagt Råman Vinnå . Nur wenige Seen würden drastische Veränderungen in ihrer Funktionsweise erfahren. (mgt/mai)

              


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