10:04 VERSCHIEDENES

Geschichte der Stadt Luzern begann vor 5400 Jahren

Teaserbild-Quelle: Universität Bern

Die Geschichte der Stadt Luzern reicht noch weiter zurück als gedacht. Neue Erkenntnisse aus einer archäologischen Untersuchung im Bereich des geplanten Seetunnels des Durchgangsbahnhofs datieren ihren Ursprung auf 3400 v. Chr.

Forschungsteam Paläoökologie der Universität Bern in Luzern

Quelle: Universität Bern

Forschungsteam Paläoökologie der Universität Bern auf dem schwimmenden Ponton zur Entnahme von Schlagbohrkernen.

Vor rund drei Jahren kamen im Luzerner Seebecken erste Funde zum Vorschein, welche die bislang früheste nachgewiesene Besiedelung des Stadtgebiets von Luzern in die Bronzezeit um 1000 v. Chr. datierten. Wie aus einer Mitteilung der Luzerner Staatskanzlei von Mittwoch hervorgeht, darf nun aufgrund von neuem Wissen noch weiter zurückgerechnet werden. Genauer auf 3400 v. Chr.

«Wir können mit den jetzigen, neuen Erkenntnissen eindeutig belegen, dass die Geschichte Luzerns mit einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung beginnt. Das ist wirklich eine Sensation – und bedeutet, dass schon vor 5400 Jahren Menschen im Gebiet der heutigen Stadt siedelten», wird Kantonsarchäologe Jürg Manser in der Mitteilung zitiert.

Überprüfung wegen Vorprojekt zu Durchgangsbahnhof

 Damit ist die Stadt Luzern also um 2400 Jahre älter, als bisher angenommen und findet ihren Ursprung im Jahr 3400 v. Chr. Das neue Wissen brachte eine erneute archäologische Untersuchung Zutage, nachdem bereits 2020 im Seebecken erstmals Reste einer bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung aus der Zeit um 1000 v. Chr. entdeckt worden waren.

Die aktuelle Überprüfung fand gemäss Mitteilung im Rahmen des Vorprojektes für den Durchgangsbahnhof Luzern (DBL) im Herbst 2021 statt. Man wollte erforschen, ob auch im Bereich des geplanten Seetunnels mit archäologischen Befunden zu rechnen ist.

Keramik, Getreidekörner und Feuerstein

Die Untersuchungen hätten eindeutige Resultate geliefert, heisst es weiter. 1,5 Meter unter dem Seegrund befindet sich demnach eine dunkle Schicht mit hohem organischem Anteil und Holzkohle, welche auf 3400 v. Chr. datiert werden kann. Mittels Kernbohrungen wurde die Ausdehnung dieser Schicht bestimmt. Ausserdem wurden erste Funde geborgen.

Freigelegt wurden für diese Zeit typische Keramikfragmente und verbrannte Getreidekörner. Messungen mit einem für den Unterwassereinsatz entwickelten Sonargerät bestätigten mit dem Nachweis von Pfahlstellungen und Geräten aus Feuerstein den Befund, dass im Seebecken die Reste eines oder mehrerer jungsteinzeitlicher Dörfer liegen.

Einmal mehr würden diese Entdeckungen belegen, dass der Seewasserspiegel in früheren Jahrtausenden deutlich tiefer lag als heute und sich der See erst seit dem Mittelalter so präsentierte, wie man ihn heute kenne, heisst es weiter.

Hochauflösendes Sonar-Gerät Chirp

Quelle: Kantonsarchäologie Luzern

Akustikmessungen der Universität Kopenhagen mit Hilfe eines hochauflösenden Sonars (Chirp).

Jungsteinzeitliche Keramikscherben aus Luzerner Seebecken

Quelle: Kantonsarchäologie Luzern

Anna Kienholz, Leiterin Fachbereich Ur- und Frühgeschichte, zeigt jungsteinzeitliche Keramikscherben aus dem Seebecken. Als Vergleich dient ein aus der gleichen Epoche stammender Kochtopf aus der jungsteinzeitlichen Siedlung Egolzwil 2.

Vorbereitungen für die Rettungsgrabungen

Durch die wissenschaftlich höchst bedeutende Entdeckung der jungsteinzeitlichen Fundstelle muss die Geschichtsschreibung für den Siedlungsplatz Luzern nun neu verfasst werden. Nach ersten Untersuchungen ist zudem klar, dass vor Baubeginn im Seebecken archäologische Rettungsgrabungen erforderlich sind. Diese sind gemäss Mitteilung aber vor dem offiziellen Baustart des Durchgangsbahnhofs geplant, so dass keine Verzögerungen des Bauprojekts zu erwarten sind. (mgt/pb)


Viel Arbeit für Archäologinnen und Archäologen

Taucher der Unterwasserarchäologie Zürich in Luzern

Quelle: Kantonsarchäologie Luzern

Taucher der Unterwasserarchäologie Zürich beim Untersuchen der Bohrkerne.

Auf die archäologischen Fachleute des Kantons wartet viel Arbeit. In den kommenden Jahren sind folgende Fragen im Rahmen diverser Voruntersuchungen zu klären:

1. In der Schweiz fehlt die Erfahrung, wie eine prähistorische Siedlungsstelle, die unter einer Schicht von Seesedimenten und in der Strömung im Bereich des Ausflusses der Reuss aus dem See liegt, mit einer Unterwassergrabung dokumentiert werden kann.

2. Die bisherigen Untersuchungen haben auch im nördlichen Teil des künftigen Seetunnels Hinweise auf archäologische Befunde ergeben. So zeigten sich dichte Pfahlstellungen, die in unterschiedlicher Tiefe stehen und mit den bisher angewandten Methoden weder interpretiert noch datiert werden können. Es ist nicht auszuschliessen, dass hier nebst den ur- und frühgeschichtlichen weitere Epochen wie etwa die römische Zeit belegt sein könnten.

3. Erst wenn die weiteren Untersuchungsergebnisse vorliegen, können die Befunde priorisiert, die Grabungsdauer bestimmt und die Grabungskosten berechnet werden. Die finanziellen Verpflichtungen werden dann Gegenstand weiterer Abklärungen zwischen dem Kanton und der SBB bilden. (pd)

Wissenschaftliche Untersuchung ist breit abgestützt

Die Entdeckung der ersten jungsteinzeitlichen Pfahlbaufundstelle im Luzerner Seebecken ist wissenschaftlich von grosser Bedeutung. Im Auftrag der beiden betroffenen Departemente BUWD und BKD war 2021-2022 ein Team von international renommierten, in Unterwasserarchäologie spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den archäologischen Voruntersuchungen beteiligt. Namentlich sind dies:

  • Stadt Zürich, Amt für Städtebau, Unterwasserarchäologie und Dendroarchäologie UWAD, schweizerisches Kompetenzzentrum für Unterwasserarchäologie (Koordination, Projektleitung)
  • Universität Bern, Institut für Pflanzenwissenschaften & Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Abteilung Paläoökologie
  • Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Forschungsgruppe Geoökologie
  • Universität Kopenhagen, Department of Geosciences and Natural Resource Management, seismische Analyse

Taucher Unterwasserarchäologie Zürich

Quelle: Kantonsarchäologie Luzern

Taucher der Unterwasserarchäologie Zürich vor dem Landungssteg 1.

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