08:04 VERSCHIEDENES

Feriendomizile in den Alpen: Übernachten in besonderer Architektur

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Michael Heinrich

Neben Ferien im eigenen Land stehen bei Schweizern vor allem auch Destinationen in Nachbarländern hoch im Kurs. Insbesondere der Alpenraum scheint beliebt. Im Buch «Alpenorte» stellen Claudia Miller und Hannes Bäuerle ganz besondere Urlaubsziele vor.

Alpenorte 2

Quelle: Jürgen Eheim

Am Dorfplatz von Burgeis im Vinschgau steht ein Hotel, das aus zwei Häusern besteht: Der Ansitz zum Löwen stammt aus dem 13. Jahrhundert und beherbergt historische Stuben aus dem 13. bis 17. Jahrhundert. Das Hotel Weisses Kreuz diente früher als Gasthof des Klosters Marienberg. Das Haupthaus wurde 2013 umgebaut und mit einem modernen Holzanbau erweitert.

Die Alpen sind ein verlockendes Ferienziel. Neben den Naturschönheiten sind es die unzähligen Freizeitaktivitäten wie Wandern, Klettern, Skifahren, Biken oder Rafting, die Gastfreundschaft und kulinarische Genüsse und nicht zuletzt die aussergewöhnlichen Unterkünfte, die viele immer wieder zu dem gleichen Ort zurückkehren lässt. 

Jeder findet irgendwo seinen besonderen Lieblingsplatz, wobei die Vorlieben sehr weit auseinanderliegen können. Für die einen ist es der Luxus, ein anderer sucht die Ursprünglichkeit, der nächste wiederum das besondere architektonische Domizil.

Tausende Angebote aller Preiskategorien sind im Netz oder in Prospekten zu finden. Deshalb fällt die Wahl für Geniesser und Reisende mit anspruchsvollem Geschmack nicht immer leicht. Die Autoren Claudia Miller und Hannes Bäuerle haben für das Buch «Alpenorte – Über Nacht in besonderer Architektur» Unterkünfte ausgesucht, die eine moderne oder zeitlose Architektur, einen aussergewöhnlichen Materialeinsatz und exklusiven gastronomischen Service vereinen.

Gleichzeitig spiegeln diese Häuser die Persönlichkeit und Einzigartigkeit des Managements und ihrer Eigentümer wider. Dabei kam den Autoren oft der Zufall zur Hilfe, als sie online nach einem Hotel oder Ferienhaus suchten. Genauso wurden sie aber auch in Fachzeitschriften fündig. Und nicht zuletzt erhielten sie Tipps von Freunden und Verwandten, die auf zahlreichen Reisen immer wieder besondere Orte entdeckt hatten.

Alpenorte 4

Quelle: Tannerhof

100 Jahren lang wurde der Tannerhof in Bayrischzell als Sanatorium für Naturheilverfahren betrieben. Ab 2008 wurde das Gebäudeensemble aufgrund der Neuorientierung zum Feriendomizil um- und ausgebaut. Unter anderem entstanden vier Wohntürme.

Alpenorte 3

Quelle: Tannerhof

Die Zimmer im Wohnturm des Tannerhofs sind schlicht, aber gemütlich. Viel Holz schafft Atmosphäre und Verbindung zur Umgebung.

Das „Herz“ des Hauses zählt

Dabei stehen die sonst so wichtigen Bewertungskriterien wie Sterne oder Gourmet-Punkte weniger im Mittelpunkt. Hingegen haben die Autoren ihr Augenmerk auf Aspekte wie Architektur, Materialwahl, Innenarchitektur sowie die Geschichte des Hauses und ihrer Betreiber und das damit entstandene Flair gelegt. 

Ob einfach oder luxuriös, allen Gebäuden ist gemeinsam, dass sie auf respektvolle und nachhaltige Weise in die bereits bestehende Umgebung eingebettet sind. Die Projektwahl ist breit ausgelegt: Vom Neubau über die Kombination von Alt und Neu bis hin zu der sensiblen Sanierung historischer Gebäude, die sich oft in Familienbesitz befinden und bereits über Generationen bewirtschaftet werden.

Jedes der Häuser wurde besucht und den Inhabern die Möglichkeit gegeben, die Gestaltungskonzepte selbst zu erläutern. Bei Neu- und Umbauten waren auch oft die Architekten mit vertreten. Die vorgestellten Hotels und Ferienhäuser liegen vor allem im Alpenvorland, Vorarlberg, Wallis, in Graubünden, Tirol oder Südtirol, wobei auf die norditalienische Provinz aufgrund der Dichte an Projekten ein besonderes Schwergewicht gelegt wurde.

Alpen Hinteregger 6. Foto - Wolfgang Retter

Quelle: Wolfgang Retter

Das Haus Hinteregger vereint Tradition und Moderne. Schon der Ausblick aus einem Badezimmer des neuen Anbaus ist sensationell.

Alpenorte 8

Quelle: Wolfgang Retter

Der neue Anbau des Hotels Hinteregger mit Naturteich. Das Traditionshaus wurde in mehreren Bauabschnitten modernisiert.

Industrieller Skelettbau

Eines der vorgestellten Objekte in der Schweiz ist das Chetzeron in Crans-Montana VS. In der Bergstation einer stillgelegten Gondelbahn wurde ein Hotel eingebaut. Der Rundblick auf dem Plateau in 2112 Metern Höhe ist sensationell, zudem ist das Haus nur mit dem hoteleigenen Geländewagen, zu Fuss oder mit den Skiern erreichbar. Das 1960 erbaute Gebäude mit skelettartiger industrieller Betonstruktur wurde ab 2008 renoviert. Seit 2014 ist der Umbau mit den Zimmern, den Veranstaltungsräumen und dem Wellnessbereich mit Aussenpol abgeschlossen.

Bewusst wurden lokale Baustoffe gewählt. Das Gebäude erhielt eine neue vorgehängte Natursteinfassade aus Granit, wie sie in Zonen oberhalb der Baumgrenze traditionell gebaut wird. Die ursprüngliche Struktur mit Stützen und Unterzügen blieb erhalten. Die ehemalige Einfahrtshalle der Gondelbahn wurde zum Foyer mit raumhoher verglaster Front umgestaltet. Walliser Eiche und regionaler Stein bringen Wärme und Flair in die Innenräume. Mit Farben und Formen wurde in direkter Anlehnung an die umliegende Natur sehr zurückhaltend gearbeitet.

Alt mit neu kombiniert

Das Hotel Hinteregger in Matrei in Osttirol ist seit 100 Jahren im Besitz einer Familie. Mit dem letzten Generationenwechsel 2003 wurden auch die Modernisierung und Erweiterung des Betriebs eingeleitet. Bei der Sanierung des Bestands wurde behutsam vorgegangen. Dafür gab es die Auszeichnung mit dem Tiroler Sanierungspreis. 

Unter anderem wurde ein zweigeschossiger Kinosaal entkernt, erweitert und darauf ein Stockwerk aufgesetzt, an dem die Loggen der darunterliegenden Zimmer abgehängt werden konnten. Der ganze Baukörper erhielt eine Lärchenholzfassade.

In den Zimmern wurden die alten Kinosaalwände mit Lehm verputzt, unter dem sich eine Wandheizung versteckt. Ansonsten dominiert Holz und setzt einen klaren Kontrast zum Lehm. Eine neue Raumeinteilung des Eingangsbereichs und Restaurants sowie die neue Bar im Gewölbekeller verhelfen dem Hotel zu einem neuen Glanz und zu zeitgemässen Ferienfreuden.

Alpenorte 5

Quelle: Mathias Michel

Das 1928 erbaute ovale Schwimmbecken des Briol soll das erste öffentliche Schwimmbad Südtirols gewesen sein. Die Gäste können auch heute noch einen Sprung in erfrischende Quellwasser wagen.

Wie vor einem Jahrhundert

Ein Insidertipp war es schon immer, der Weg zum Briol immer mühsam. Eineinhalb Stunden läuft man zum Gasthaus in Barbian / Dreikirchen, das Gepäck wird transportiert. Ansonsten erwartet den Gast ausser einer herzlichen Gastfreundschaft und deftiger Südtiroler Küche vor allem Ruhe und authentische Lebensweise wie im letzten Jahrhundert.

Es gibt weder fliessendes Wasser in den Zimmern noch Fernsehen oder Internet. Die Bäder sind auf der Etage. Und dennoch ist das Haus von Johanna Fink von Klebelsberg immer ausgebucht. Letztmals wurde das 1898 errichtete Briol im Jahr 1928 von Hubert Lanzinger, dem Schwiegersohn der ersten Besitzerin, umgebaut. Er setzte ihm ein Pultdach auf. 

Die kompakte kubische Form wird nur hangseitig von laubenartig vorgesetzten zweigeschossigen Balkonlogen aufgelockert. Einmalig für die damalige Zeit, dazu noch in 1310 Metern Höhe, ist wohl das ovale Schwimmbecken auf der Wiese hinter dem Haus. Es wird mit Quellwasser gespeist.

Sonnenkollektoren sorgen heute für Warmwasser, doch eine Heizung gibt es nicht. Dafür aber einen grossen Ofen im Lesezimmer, das wie alle anderen Räume minimalistisch eingerichtet ist. Und es gibt einen Musikraum mit einem Flügel, wo regelmässig Lesungen oder Konzerte stattfinden. So wie zu Urgrossmutters Zeiten.

Im unterhalb stehenden Haus Setari ist es schon etwas moderner. Das 1913 errichtete Gebäude mit vier Ferienwohnungen wurde 2013 renoviert. Inventar und Kassettendecken sind noch original erhalten. Das kleine Juwel hoch über dem Eisacktal hat viele Fans. Auch der Architekt Peter Zumthor ist ein langjähriger Gast des Briol.

Alpen Pfisterhaus 3. Foto - Hotel Schloss Sonnenburg

Quelle: Hotel Schloss Sonnenburg

Das Hotel Schloss Sonnenburg und das davorgelegene Pfisterhaus wurden in den vergangenen 50 Jahren wiederaufgebaut und möglichst originalgetreu saniert. Noch sind die Arbeiten in den Aussenanlagen nicht abgeschlossen.

Übernachten im Schloss

Der Hügel, auf dem die Sonnenburg thront, ist weithin im Pustertal sichtbar. Seit über 400 Jahren ist der Ort besiedelt. Ab 1039 wohnten zunächst Nonnen im damaligen Kloster, nach der Säkularisierung im Jahr 1785 wurde es verkauft und verfiel. Erst 1965 wendete sich das Blatt. Der neue Besitzer Karl Knötig liess die alten Mauern erforschen, ausgraben und sichern. Zur Finanzierung des Erhalts und der weiteren aufwendigen Arbeiten wurde das Gebäude als Hotel ausgebaut.

Seit 2009 wurden auch Teile des Äbtissinnen-Trakts saniert sowie damit begonnen, die Gärten und Terrassen auszugraben. Die Arbeiten werden noch lange andauern, und so erleben auch die Gäste des Hauses, wie nach und nach ein historischer Baustein nach dem anderen die Geschichte der Schlossanlage wieder auferstehen lässt.

In den alten Gemäuern des Schlosses und dem danebenstehenden, sanierten Pfisterhaus (Baujahr 1470) lässt sich inzwischen sehr angenehm Ferien machen. Deutlich sind noch die ursprünglichen Nutzungsformen zu erkennen. Details wurden detailgetreu saniert, die neuen Einbauten sind in schlichtem, modernem Stil gehalten und mit natürlichen regionalen Materialien ausgeführt. Alles zusammen sorgt für eine behagliche Atmosphäre mit alpinem Charakter.

Alpenorte 9

Quelle: Thomas Linkel

Wohnen in und mit der Natur - darauf legen die Inhaber der Naturresidence Dohoam in Schenna besonderen Wert. Die Das Passivhaus mit Holzfassade ist in Ständerbauweise errichtet. Klare Linien und natürliche Materialien prägen Gebäude und Apartments.

Genaue Details und tolle Fotos

Die Autoren sind Innenarchitekten. Ihre Ferien und Freizeit verbringen sie bevorzugt in den Bergen. Sie haben alle vorgestellten Hotels und Pensionen besucht und sich dabei die Gesamt- und Gestaltungskonzepte erläutern lassen.

Zwei Essays führen in die alpine Bautradition, das traditionelle Leben in den Bergen sowie die Geschichte des Tourismus in den Alpen ein. Karten, Adressenlisten und genaue Details zu den einzelnen Häusern und den vorgenommenen Baumassnahmen machen dieses Buch nicht nur für Architekten zu einem Ideenfundus, sondern auch zu einem praktischen Reiseführer für alle, die gerne reisen und schöne Orte besuchen und dabei Herbergen voller Atmosphäre schätzen.

 

Buchtipp

Alpenorte 1

Quelle: zvg

Cover Buch Alpenorte über Nacht in besonderer Architektur

Alpenorte – Über Nacht in besonderer Architektur, Hannes Bäuerle, Claudia Miller, Edition Detail, München, Zweisprachig Deutsch/Englisch, 192 Seiten mit zahlreichen Bildern, Abbildungen und Plänen, Hardcover, ISBN 978-3-95553-181-2, 68 Franken


Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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