15:12 KOMMUNAL

Verräterische Körpersprache

Teaserbild-Quelle: Photographee.eu/Shutterstock

Verhandlungs- und Befragungssituationen beim Gericht oder bei der Polizei sind oft anspruchsvoll – insbesondere dann, wenn Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen beteiligt sind. Die verbale Kommunikation steht zwar im Zentrum, aber auch die Körpersprache kann wesentliche Hinweise geben.

Befragungssituation

Quelle: Photographee.eu/Shutterstock

Gespräch unter erschwerten Bedingungen: Bei Befragungssituationen ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Von Karin Freiermuth*

Befragungen gehören zu ihrem Be­rufsalltag: Polizisten und Grenzwächter machen Einvernahmen mit verdächtigen Personen, Staatsanwäl­te befragen Angeklagte und Mitarbei­tende von Migrationsbehörden führen Anhörungen zu den Fluchtgründen von Asylsuchenden durch. Gemeinsam ist ihnen, dass sie der Wahrheit auf der Spur sind. Ziel ist es, falsche Informationen aufzudecken und den tatsächli­chen Gegebenheiten auf den Grund zu gehen, um danach einen Entscheid oder ein Urteil fällen zu können.

Jeder reagiert anders

Der Weg dahin kann schwierig sein: «Eine Einvernahme ist etwas sehr Fliessendes. Weder kann man den Verlauf zu Beginn mit Sicherheit planen, noch kann man jeweils dasselbe Einvernahme-Mo­dell anwenden, da jeder Mensch anders reagiert», erklärt Roland Steiner, der die Grundausbildung an der Interkantona­len Polizeischule in Hitzkirch (IPH) leitet. Wichtig sei, dass der Polizist immer die Oberhand behalte – nicht von oben he­rab, sondern bedacht, um auf jede Hand­lung des Gegenübers professionell re­agieren zu können.

Der unbekannte Bruder

Dass Gespräche aufgrund des Machtge­fälles nicht auf Augenhöhe stattfinden, ist eine von mehreren Besonderheiten der Kommunikation bei Einvernahmen und Befragungen. Für Mark Moser, Be­rater für interkulturelle Kompetenz, stellt die Sprache eine weitere Herausforde­rung dar, weil die verschiedenen Par­teien oft Interviews in einer Sprache füh­ren, die nicht ihre Muttersprache ist.

Daraus können sich einfache, aber ein­schneidende Missverständnisse ergeben: «Das Wort Bruder wird von Afrikanern oft für eine Person benutzt, mit der man nicht direkt verwandt ist, sondern die man einfach kennt. Wir würden vermut­lich den Begriff «Kolleg» verwenden. Wenn der Staatsanwalt oder der Polizist Bruder hört, geht er automatisch davon aus, dass der Befragte den Namen und die Adresse des Bruders kennt. Solche falschen Interpretationen können den weiteren Kommunikationsprozess mass­geblich beeinflussen.»

Handschellen während der Befragung

Moser macht zudem darauf aufmerk­sam, dass auch die Arbeit von Überset­zern das Gespräch erschweren kann, da es immer wieder zu Unterbrüchen kommt und der natürliche Sprachrhyth­mus gestört wird. Oft gehe dadurch der Reichtum und die Exaktheit der Sprache verloren, da Sprache nicht bloss aus einzelnen Begriffen be­steht, sondern erst im Gesamtge­bilde der einzelnen Wörter, Pausen, Betonungen und des Rhythmus´ Sinn macht. Das Protokollieren kann ebenfalls zu starken Vereinfachungen oder zum Abkürzen einer Geschichte führen, deren Sinn und Sorgfältigkeit jedoch re­levant wären.

Auch Stress, unter dem viele Angeklagte stehen, führt zu verän­derten Kommunikationsmustern, etwa wenn sie während der Befragung Hand­schellen tragen müssen. In Stresssituationen wird insbesondere das Zuhören schwieriger, weil die Informationsverarbeitung stark reduziert ist. Auch Ängs­te vermindern die Fähigkeit, zuzuhören und führen manchmal zu irrationalen und widersprüchlichen Botschaften. Nicht zuletzt spielt auch der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Zum ei­nen leidet natürlich ein Gespräch, wenn jemand stundenlang und ohne Pause befragt wird. Zum anderen wird die Zeit relevant, wenn ein Beschuldigter merkt, dass sich der Verhandlungsführer viel Zeit nimmt und so Druck ausübt. (...)

*Karin Freiermuth ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Nonprofit- und Public Management der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).

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