09:10 KOMMUNAL

Solarkirche Ebmatingen: Autarkes Gotteshaus für die Energiewende

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

In Ebmatingen im Kanton Zürich steht die erste nachhaltige Kirche der Schweiz. Sie produziert auf ihrem Pultdach Strom und Wärme, von beiden genug für den eigenen Bedarf.

Solarkirche Ebmatingen Kanton Zürich

Quelle: Ben Kron

Mit einem Gottesdienst wurde die Solarkirche Ebmatingen ZH dieses Jahr eingeweiht und ist damit die wohl erste energie-autarke Kirche der Schweiz.

Ebmatingen kriegt viel Sonnenschein. Das Zürcher Dorf, zur Gemeinde Maur zählend, liegt auf einer Terrasse unterhalb des Pfannenstiels, mit Blick auf den Greifensee und darüber hinaus. Genau der richtige Ort also für ein entsprechend auf die Sonne ausgerichtetes Gebäude: die römisch-katholische Kirche St. Franzikus, seit diesem Frühjahr die erste Solarkirche der Schweiz.

Dahinter steht ein Kirchenpfleger mit Visionen: Louis Landolt ist Präsident der Baukommission der römisch-katholischen Kirchgemeinde Egg, zu welcher Maur mit einem eigenen Pfarrvikariat in Ebmatingen gehört.

Heizung ohne Öl und Gas

Landolt lässt anlässlich eines Medienevents die Geschichte des Kirchenbaus kurz Revue passieren, im Wesentlichen eine stützenfreie Halle, die 2008 um einen Saalbau mit Nebenräumen erweitert wurde. «Doch nach 30 Jahren war es an der Zeit, die Heizung zu erneuern. Wir hatten den Bau zwar mit zehn Zentimetern Dämmung gut isoliert, das war damals das höchste der Gefühle.» Dennoch schluckte die Heizung jedes Jahr 7000 Liter Öl.

Doch nun sollte eine neue Heizung montiert werden, die ohne Gas oder Öl auskommt. «Ich bin der Ansicht, dass gerade wir als Kirchgemeinde eine Verantwortung dafür tragen, die Umwelt zu schützen und die Schöpfung zu bewahren.» Landolt liess deshalb beim Planungsstart 2016 für die Sanierung nachhaltige Variantenstudien für ein neues Heizsystem erarbeiten. Man entschied sich für eine Solaranlage auf dem Kirchendach, mit einer Erdwärmesonde und zwei Wärmepumpen kombiniert.

Kritiker anhören

Louis Landolt hat sich dabei von Anfang an für eine Lösung mit Solarenergie eingesetzt, als deren Fan er sich bezeichnet. «Ich habe mein eigenes Haus schon vor vielen Jahren mit Photovoltaik ausgerüstet und bin von den Möglichkeiten dieser Energiequelle überzeugt.»

Die Kirchgemeinde ist basisdemokratisch organisiert, das Projekt wurde deshalb der Gemeindeversammlung vorgelegt, «wo auch kritischen Stimmen zu Wort kamen», wie Kirchenpfleger Landolt betont. «Alle müssen ihre Meinung und Bedenken äussern können. Am Ende konnten wir alle kritischen Frage zufriedenstellend beantworten.» Der Baukredit wurde ohne eine einzige Gegenstimme gutgeheissen.

Sattelschlepper mit Dach-Ladung für Solarkirche Ebmatingen

Quelle: BS2 AG

Das ganze Dach hatte auf einem Sattelschlepper Platz, konnte also ohne grossen logistischen Aufwand angeliefert und abgeladen werden.

Pionierprojekt realisiert

Für ein aussergewöhnliches Projekt wie die Solarkirche Ebmatingen waren gemäss Bätschmann zwei Faktoren entscheidend: «Zum einen braucht es einen Architekten, der von der Herangehensweise überzeugt ist und von Anfang an mit uns am selben Strick zieht. Zum anderen eine Bauherrschaft, die ihrerseits die nötige Ausdauer und Motivation mitbringt, um ein solches Projekt umzusetzen.»

Architekt des Umbaus war Daniel Studer, der an der ETH Zürich Baukonstruktion lehrt, und seinerseits ein Verfechter der Nutzung der Sonne ist: «Für mich muss ein Gebäudedach heutzutage auch solar genutzt werden. Es darf nicht sein, dass wir diese Flächen rein an die Ästhetik verschwenden, ohne sie produktiv zur Energiegewinnung zu nutzen.»

Noch grösser ist dieser beim Dach, das kaum gedämmt war und deshalb einen hohen Wärmebedarf aufwies. Es erhielt neben einer Dämmung auch ein neues Unterdach. Zugleich sah man, dass bei der St. Franzikus-Kirche der Wärmebedarf des Gebäudes mit einer Dachanlage sehr gut abzudecken ist. So gut, dass man sich entschied, auf der Nordseite reine Photovoltaik-Elemente zu installieren, weil nicht mehr Wärme benötigt wird.

Beide Seiten vereinigt

Für den Architekten allerdings stellten diese zwei unterschiedlichen Dachflächen ein Problem, «denn wir wollen nebst anderem auch gute Architektur schaffen». Zusammen mit den Teams von BS2 und W+P Engineering fand man eine Lösung: «Wir haben beide Seiten vereinigt.

Wir verwenden dieselben Module für die Photovoltaik und die Solarthermie. Der Unterschied der beiden Bauteile ist nur im Detail zu sehen. Diese einheitliche äussere Wirkung der Photovoltaik- und Hybridkollektoren in derselben Dachfläche ist ein Novum.»

Niklaus Haller leitet das Projekt von Seiten der BS2 AG und schildert den Lösungsweg: «Das Problem bei den gängigen Hybridmodulen bestand darin, dass es auf dem Markt nur wenige Anbieter und Produkte gibt. Zudem bedeutet es einen grossen Aufwand bei der Installation auf dem Dach, wenn jedes Modul elektrisch und hydraulisch installiert werden muss.»

Abgedichtetes gedämmtes Dach Solarkirche Ebmatingen

Quelle: BS2 AG

Das neu abgedichtete und gedämmte Dach der Kirche erhält eine Unterkonstruktion aus Holz, die den Rest der Installtion tragen wird.

Abfall vermeiden

Laut Haller besteht bei diesen Hybridmodulen das Problem, dass bei der Herstellung verschiedene Schichten miteinander verklebt werden. «Wenn wir Bauteile mit unterschiedlicher Funktion und Lebenszeit haben, dann fällt beim Ausfall einer dieser Teile viel unnötiger Abfall an.»

Die an der ETH entwickelte Lösung geht einen anderen Weg. Sie besteht aus einer Unterkonstruktion, einer Dämmschicht, einer Dachhaut, einer drüber liegenden Wärme sammelnden und zuoberst einer Strom produzierenden Schicht.

Die Schichten sind nicht miteinander verklebt, sondern in ein Bauteil integriert, das maximale Flexibilität bei der Geometrie und der Aufbauhöhe ermöglicht. «Wir haben in einem PPP-Projekt (Public Private Partnership) zusammen mit der Hochschule Rapperswil und Erne AG Holzbau vier Jahre lang entsprechende Prototypen entwickelt.»

Gemäss Haller benötigte man für diese Entwicklung zusätzliches Know-how der Hochschule und als Industriepartner eine grössere Firma mit Produktionsanlagen, mit denen man die Entwürfe realisieren kann. Mit der Erne hat man bereits drei weitere entsprechende Projekte in Arbeit.

Im Falle von Ebmatingen bestand bei der Herstellung der Dachelemente die Herausforderung in der Montage der Elemente auf einem bestehenden Dach mit Ungenauigkeiten. Bei den acht Millimeter dicken Glasflächen hätte schon der geringste Versatz einen Schatten geworfen. «Deshalb wurden die Elemente schon in der Produktionshalle ausgelegt und gecheckt, dass wir überall dieselbe Höhe haben.» Montiert wurde das Glas erst auf der Baustelle.

Alle anderen Bauteile der Kollektoren wurden im Werk eingesetzt, danach die Abdichtungen vorgenommen und Haken für die PV-Elemente eingesetzt, darunter die Leerrohre, der Blitzschutz, die Verdrahtung und die Hydraulik. Am Ende wurde alles auf Dichtigkeit getestet.

«Dank der vorgefertigten Elemente konnte das ganze Dach auf einem einzigen Lkw angeliefert werden», erzählt Niklaus Haller. «Auf der Baustelle nahmen wir die alte Unterdachfolie weg, setzten unsere Elemente drauf, und am selben Abend war das Dach schon wieder dicht.» Tags darauf konnten als letztes die Solarmodule verlegt werden.

Dach mit Solarpanels Solarkirche Ebmatingen

Quelle: Ben Kron

Das südliche wie auch das nördliche Dach haben eine Neigung von sechs Prozent, was zur Selbstreinigung von Schmutz und Staub ausreichen sollte.

Kaum Sondergrössen

Architekt Daniel Studer ergänzt, man habe die Glasplatten wie früher Ziegellagen aufeinander montiert und auch die Dachränder fast unverändert gelassen. Den First nutzt man für die Entlüftung und die Führung der Leitungen. Am Ende haben beide Seiten des Daches dieselben Dimensionen und dieselbe Höhe des Aufbaus. Dank der identischen PV-Platten wirken auch die beiden Seiten des Satteldaches als Einheit.

Südlich ausgerichtet auf dem Kirchendach befinden sich die PVT-Module. Die 170 Quadratmeter dieser Dachhälfte decken in etwa den Jahreswärmebedarf der Kirche ab. Deshalb wurde auf der nach Norden geneigten Seite nur Photovoltaik installiert. «Wir verbauen weitgehend Module in Standardgrössen, da bei Sondermassen die Preise um 50 bis 100 Prozent höher sind», so Haller. Nur am Rand liegt eine Reihe in Sonderformat, damit die Länge passt.

Strom für weitere Kirche

Die Verknüpfung des Energie gewinnenden Dachs mit den weiteren Komponenten der Anlage basiert auf der «Zeleganz»-Technologie von BS2. «Die Wärme deckt den Bedarf des Gebäudekomplexes und wird im Sommer über einen Plattenwärmetauscher in der Erdsonde gespeichert.

Damit wird die natürliche Temperatur des Untergrundes langfristig stabilisiert, und der Prozess bleibt immer gleich effizient. Daneben erzeugt die Photovoltaik genügend Strom für den eigenen Bedarf der Wärmepumpen und anderer Bezüger», so Haller.

Dank zusätzlich installierter, sparsamer Beleuchtung sollte es sogar möglich sein, durchs Einspeisen von Strom ins Netz einen Verdienst zu erwirtschaften. Man will den Strom in Zukunft auch in die Kirche St. Antonius in Egg einspeisen, die zur selben Kirchgemeinde gehört. «Hier hoffen wir auf Fortschritte auf politischer Ebene, damit bald die regulatorischen Möglichkeiten einer Eigenverbrauchsgemeinschaft geschaffen werden.»

Montage vorgefertigte Elemente Solarkirche Ebmatingen

Quelle: BS2 AG

Montage an einem Nachmittag: Die in der Fabrik vorgefertigten Elemente müssen nur an ihren Platz gehoben und montiert werden.

Höhere Kosten

Haller räumt ein, dass die Solarkirche anfangs massiv höhere Kosten als andere Varianten verursachte: «Anfangs sollte das Projekt nicht mehr kosten als 300000 Franken, nun sind daraus 1,2 Millionen geworden, also das Vierfache, was allerdings nicht nur an unserem Projekt lag.» Doch nun produziert die Kirche pro Jahr 80000 Kilowattstunden Strom, genug für 25 Haushalte, die dafür 14000 Franken bezahlen müssten.

Dazu kommt die Wärme, die den Zukauf von Heizöl überflüssig macht. Das spart beim gegenwärtigen Marktpreis rund 65000 Franken. Nicht zuletzt bedeutet die Wärmepumpen-Heizung den Wegfall von jährlichen 19,6 Tonnen Kohlendioxyd. Bei den Wärmepumpen erzielt man eine Leistungszahl (COP) von über 7 als Bestwert, wobei die Fachleute noch immer am Feineinstellen der Anlage sind.

Architekt Daniel Studer betont, dass das Projekt einen ökonomischen Aspekt hat. «Generell gilt: Wenn die Dächer für uns arbeiten, sind die Investitionskosten solcher Anlagen rasch amortisiert.» Bei einer Lebensdauer von 30 Jahren sei dies schon nach zehn Jahren der Fall. Das hätten aber noch viele Architekten nicht begriffen und seien auch noch nicht fähig, den Bauherren entsprechend zu beraten.

Auch Niklaus Haller unterstreicht, dass man bei den PV-Zellen eine Leistungsgarantie vom Hersteller über 25 Jahre habe. «In der Realität dürften diese noch länger halten. Das Glas ist auch bei nachlassender Leistung immer noch wasserdicht und erfüllt seine Schutzfunktion weiter.»

Die darunter liegende Aluminiumkonstruktion und die Gummidichtungen sind nicht der ultravioletten Strahlung ausgesetzt, weshalb diese Bauteile sehr lange halten sollten. «Wir haben bei einem Testgebäude festgestellt, dass nach fünf Jahren noch keinerlei Veränderungen aufgetreten sind. Deshalb hoffen wir, dass wir beim Dach eine Haltbarkeit von 50 bis 80 Jahren erzielen, was wir aber natürlich jetzt noch nicht garantieren können.»

Lediglich das Wasser-Glykol-Gemisch der Wärmegewinnung muss man von Zeit zu Zeit austauschen; man rechnet etwa alle zehn bis fünfzehn Jahre. Ansonsten benötigt die Anlage kaum Wartung. Die Glasflächen sind um sechs Grad geneigt, was zur Selbstreinigung von Schmutz und Staub reichen sollte.

Zwei Tage Montage

Nach Fertigstellung der Solarkirche können die Beteiligten auf ein Leuchtturm-Projekt zurückblicken, dessen Dauer man etwas überspitzt auf zwei Jahre, zwei Monate, zwei Wochen und zwei Tage beziffern kann. Niklaus Haller: «Wir hatten zwei Jahre für die Planung, zwei Monate für die Materialbestellung, zwei Wochen Produktion der Elemente und am Ende nur ganze zwei Tage Montage auf der Baustelle.»

Dachhälften Solarkirche Ebmatingen Kanton Zürich

Quelle: BS2 AG

Die BS2-Fachleute und Architekt Daniel Studer fanden eine Lösung für die zwei Dachhälften, die gleich hoch und nach aussen identisch sind.

Effizientes Selbstversorgungssystem

Das «Zeleganz»-System versorgt Gebäude mit Wärme oder Kälte, stellt Warmwasser bereit und besorgt unter Umständen auch das Lüften – das alles ohne den Ausstoss von Kohlendioxyd. Das vom ETH-Spin-off BS2 AG entwickelte und zur Marktreife gebrachte System basiert auf einer Reihe von Entwicklungen, die im Umfeld des Lehrstuhls von Hansjürg Leibundgut stattfanden.

Die Basis bildet die Solarthermie, eine Verknüpfung von Wärmegewinnung und Stromproduktion auf dem Gebäudedach. Die Solaranlage wird in Kombination mit Erdsonde und Niederhub-Wärmepumpe nach der «LowEx»-Methode gesteuert. Auf den Einsatz fossiler Brennstoffe wird verzichtet.

«Zeleganz» fügt dieser Anlage noch Intelligenz und eigenes Know-how hinzu, um die Komponenten optimal aufeinander abzustimmen und effizient zu betreiben. So kann die Energie stets zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort gebracht werden. Steuerung und Monitoring des Wärmepumpensystem können dabei per Fernzugriff erfolgen. (bk)

Montage Schlauchsystem Solarthermie Solarkirche Ebmatingen Zürich

Quelle: BS2 AG

Das Schlauchsystem für die Solarthermie wird auf die Unterkonstruktion montiert, ohne die Höhe des gesamten Dachaufbaus zu verändern.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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