11:10 KOMMUNAL

Barrierefrei hilft allen

Teaserbild-Quelle: Photographee.eu/Shutterstock

Viele Bürger sind auf eine barrierefreie Gestaltung von Webseiten angewiesen, sei es aufgrund von Behinderungen oder durch altersbedingte Einschränkungen. Trotz gesetzlicher Pflicht zu barrierefreien Behörden-Webseiten gibt es in der Umsetzung noch grossen Handlungsbedarf. Die Bundesverwaltung hat nun Hilfsmittel entwickelt, die auch Gemeinden Unterstützung bieten können, ihre Webseiten inklusiver zu gestalten.

Frau mit Laptop im Rollstuhl

Quelle: Photographee.eu/Shutterstock

Barrierefreiheit ist nicht nur bei Bauwerken wichtig, sondern auch bei der Gestaltung von Webseiten. Spätestens im Alter profitieren alle davon.

Von Angelina Dungga, Markus Riesch und Katinka Weissenfeld *

Die Digitalisierung ist für Menschen mit Behinderungen ein grosser Fortschritt und vereinfacht den Alltag enorm. Beispielsweise führen Apps, die für Menschen ohne Behinderungen teilweise als technische Spielereien angesehen werden, für Menschen mit Behinderungen zu einer viel stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe.

So vereinfacht etwa eine über App steuerbare Kaffeemaschine die Bedienung für Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen. Ein konventioneller Fahrplan lässt sich von Blinden nicht lesen, dank der SBB-App sind Fahrplaninformationen heute aber leicht zugänglich.

Inklusiv statt exklusiv

Gemäss dem Bundesamt für Statistik sind in der Schweiz rund 20 Prozent der Wohnbevölkerung von Behinderungen betroffen. Darunter fallen Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung wie auch Menschen mit einer kognitiven, motorischen oder psychischen Behinderung.

Berücksichtigt man auch den demografischen Wandel, so erhöht sich die Zahl der Menschen drastisch, die zukünftig auf Barrierefreiheit im Internet angewiesen sind. Auch wenn viele ältere Menschen nicht per se als behindert gelten, sind viele mit zunehmendem Alter von Hör- und Sehschwächen oder auch von kognitiven und motorischen Einschränkungen betroffen.

Ziel von barrierefreien Webseiten und Anwendungen ist es, digital verfügbare Informationen und Dienstleistungen für diese Personengruppen zugänglich zu gestalten. Bei hörbehinderten und gehörlosen Menschen sind beispielsweise die Untertitelung von Videos oder der Einsatz von Gebärdensprachvideos wichtig. Bei Menschen mit Sehbehinderungen sind starke Kontraste und die Maschinenlesbarkeit der Webseiten von grosser Bedeutung.

Bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen kann leichte Sprache zu einer stärkeren Inklusion führen. Eine auf Menschen mit motorischen Behinderungen abgestimmte Bedienbarkeit der Webseite – beispielsweise optimierte Tastaturbedienbarkeit oder das Vermeiden von Timeouts («Ihre Session ist abgelaufen») – ist eine weitere Anforderung, die sich an barrierefreie Webauftritte stellt.

Sind digitale Angebote inklusiv gestaltet, so profitieren alle davon. Hohe Kontraste sind beispielsweise für alle Personen, die bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen ein Smartphone nutzen, oder beim Arbeiten im Zug von grossem Nutzen. Des Weiteren stellen die Maschinenlesbarkeit der Webinhalte und Alternativtexte von Grafiken eine wichtige Voraussetzung für Suchmaschinenoptimierungen und computergestützte Kommunikationen dar.

Barrierefrei gestaltete Webseiten unterstützen somit nachhaltig den Zugang zur Informationsgesellschaft. Sind herkömmliche Behördengänge für Menschen mit Behinderung teilweise mit grossem Aufwand verbunden oder nur mit Unterstützung von Fremden möglich, können digital zugängliche Dienstleistungen Zuhause genutzt werden. Die digitale Bereitstellung von Behördenleistungen bietet somit grosse Chancen für eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung, sofern diese barrierefrei gestaltet sind. Dazu besteht seit 2004 für öffentliche Stellen eine gesetzliche Verpflichtung.

Gemeinden sind gefordert

Mit der barrierefreien Bereitstellung von digitalen Informationen und Angeboten wird Artikel 8 der Bundesverfassung erfüllt, wonach die Diskriminierung wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung verboten ist. Gleichzeitig wird damit auch dem Behindertengleichstellungsgesetz entsprochen. Mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der UNO im Jahre 2014 wird der Druck, insbesondere auch auf Gemeindeebene, erhöht, den barrierefreien Zugang zu ihren digitalen Dienstleistungen sicherzustellen.

Die Umsetzung steht jedoch vor einer Reihe an Herausforderungen. Zur Sicherstellung der Internet-Barrierefreiheit beim Bund hat der Bundesrat 2014 einen Aktionsplan zur Umsetzung der notwendigen Massnahmen in Auftrag gegeben. Der daraus resultierende «Aktionsplan E-Accessibility 2015 – 2017» wurde kürzlich vom E-Government-Institut der Berner Fachhochschule evaluiert. Die Evaluation hat ergeben, dass in der Bundesverwaltung die Weichen für eine nachhaltige Verbesserung der Barrierefreiheit gelegt wurden, der Bundesverwaltung für die Gewährleistung des Zugangs zum gesamten Online-Angebot jedoch noch ein langer Weg bevorsteht.

Während die barrierefreie Ausgestaltung von HTML-Seiten über ein entsprechendes Content Management System (CMS) aufgefangen werden kann, gestaltet sich die korrekte Erfassung von Alternativtexten zu Bildern oder die Erfassung von Alternativen bei zeitbasierten Medien (etwa Untertitelung von Videos oder Transkriptionen von Audiofiles) bereits schwieriger.

Grossen Handlungsbedarf gibt es bezüglich der Bereitstellung von barrierefreien PDF-Dokumenten sowie von Informationen in leichter Sprache und Gebärdensprache. Auch die Sicherstellung der Barrierefreiheit von Fachanwendungen sowie von neuen Formaten, wie beispielsweise von nativen Apps, stellen die E-Accessibility vor immer neue Herausforderungen.

Um eine Hilfestellung bei der Weiterentwicklung von E-Accessibility zu geben, stellt die Geschäftsstelle E-Accessibility Bund unter der Rubrik «Barrierefreie digitale Kommunikation» die im Rahmen des Aktionsplans E-Accessibility entwickelten Hilfsmittel zur Verfügung. Dabei handelt es sich unter anderem um Hilfsmittel und Faktenblätter
zu barrierefreien PDF-Dokumenten, barrierefreien Web-Inhalten, zu leichter Sprache, Videos und Audiodeskription. Gemeinden, die ihre Webseiten barrierefrei gestalten wollen, können hier hilfreiche Unterstützung finden. Dienstleistungen rund um die Umsetzung von barrierefreien Webseiten bietet die Stiftung «Zugang für alle».

Abschliessend ist festzuhalten, dass für eine nachhaltige Umsetzung von Barrierefreiheit neben entsprechendem Know-how und Tools als zentraler Erfolgsfaktor eine Sensibilisierung aller Beteiligten erforderlich ist. Darüber hinaus ist die Umsetzung der Barrierefreiheit mit direktem Einbezug von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Investitionen und Prioritäten an den richtigen Stellen gesetzt werden, um uns in Richtung einer inklusiven Gesellschaft zu bewegen.

* Angelina Dungga und Katinka Weissenfeld sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule, Markus Riesch ist Leiter der Fachstelle E-Accessibility des Bundes.

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