Forschungsprojekt: Wärmepumpen machen Dampf
Abwärme wird von Industriebetrieben oft nicht genutzt. Mit Wärmepumpen liesse sich die Energiequelle anzapfen, um effizient Prozesswärme zu erzeugen. Der Erfolg dieser nachhaltigen Art der Wärmebereitstellung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Quelle: Aneo Industry
Seit 2024 ist in Trondheim (Norwegen) eine Ammoniak-Wärmepumpe in Betrieb, die in einem Werk für Tierfutter 120-grädigen Dampf mit einer Leistung von 1,6 MW bereitstellt.
Die wachsende Verbreitung der Wärmepumpen in den letzten zwei Jahrzehnten liegt auch darin begründet, dass moderne Neubauten Heiztemperaturen von lediglich 25 bis 35 Grad Celsius benötigen. Wärmepumpen stellen solche Heizwärme mit hoher Effizienz – also geringem Strombedarf – bereit. In den letzten Jahren haben die Wärme-pumpen-Hersteller indes auch Lösungen auf den Markt gebracht, die weit höhere Temperaturen meistern. Eine Reihe von Geräten stellt Dampf im Bereich von 100 bis 165 Grad Celsius bereit, wie er in Industriebetrieben gebraucht wird. Unter Beizug eines Dampfkompressors kann man diese Temperaturen sogar noch überbieten, muss dafür aber zusätzliche Energie aufwenden, was die Effizienz des Gesamtprozesses mindert. Dampferzeugen-de Wärmepumpen arbeiten insbesondere dann effizient, wenn sie kontinuierlich eine vergleichsweise warme Wärmequelle von 50 und mehr Grad nutzen können.
Das ist in vielen Industriebetrieben möglich, wo Abwärme beispielsweise bei der Kühlung entsteht und bislang ungenutzt an die Umwelt abgegeben wird. Ein typisches Beispiel sind Destillations-prozesse etwa in Nahrungsmittel- oder Pharmaunternehmen. Hier braucht man Wärme zum Destillieren und Kälte zum Kondensieren. Die Abwärme aus der Kühlung kann von einer Wärmepumpe zur Dampfproduktion genutzt werden.

Quelle: Schlussbericht IntSGHP
Zur Dampferzeugung muss die Temperatur des Kältemittels mindestens 5 Grad höher liegen als jene des Prozessmediums. Auch sind sie potenziell brennbar, giftig, klimaschädlich oder Ozon emittierend.
Auf dem Weg lassen sich fossile Energieträger wie Öl und Erdgas klimafreundlich substituieren. Wärmepumpen werden in der Schweiz bisher nicht zur Bereitstellung von industriellem Prozessdampf genutzt. Im Ausland gibt es bereits gute Beispiele für diese energieeffiziente Wärmeproduktion. So nutzt im norwegischen Trondheim die Tierfutter-Firma Felleskjøpet Agri seit 2024 ein zweistufiges Wärmepumpen-System mit kombiniertem Kreislauf (siehe Kasten zu den Verfahren), um 120-grädigen Dampf bereitzustellen.
Dampf aus lauwarmem Wasser
In der ersten Stufe produziert eine Wärmepumpe unter Einsatz des natürlichen Kältemittels Ammoniak 85-grädigen Wasserdampf, wobei der Prozess mit Unterdruck erfolgt. Dabei liegt die Verdampfungs-temperatur von Wasser tiefer als 100 Grad. Der Wasserdampf wird anschliessend durch Dampfkompression (1,5 bar) auf 120 Grad gebracht. Als Wärmequelle dient feuchte, 30- bis 40-grädige Luft, die bei der Tierfutter-Herstellung als Abwärme anfällt. Das System aus Wärmepumpe (Aneo Industry) und Dampfkompressoren (Piller) arbeitet mit einer Effizienz, wie man sie von Wohnbauten kennt. Mit dem eingesetzten Strom wird das Dreifache an Wärme erzeugt (COP 3). Die Anlage hat eine Leistung von 1,6 MW und produziert 2 Tonnen Dampf pro Stunde.
«Technisch ausgereift»
Dieses Beispiel könnte in der Schweiz Schule machen. Ein Team aus Wissenschaftlern der Ostschweizer Fachhochschule (OST) hat in einem dreijährigen Projekt das Potenzial dampferzeugender Wärmepumpen für die Schweiz untersucht. «Unsere Studie belegt, dass derartige Wärmepumpen heute technisch ausgereift und für den kommerziellen Einsatz verfügbar sind», sagt OST-Projektleiter Frédéric Bless. Das vom Bundesamt für Energie (BfE) finanziell unterstützte Projekt wurde vor kurzem mit dem Schlussbericht beendet. Zu den Ergebnissen gehören zwei Fallstudien, mit denen der Einsatz dampferzeugender Wärmepumpen in bestehenden Industriebetrieben beispielhaft untersucht wurde. Die erste Untersuchung betrifft eine 2014 erbaute Produktionsstätte von UCB Farchim in Bulle FR. Das Biotech-Unternehmen benötigt für einen Destillationsprozess Dampf (110 Grad; 1,5 bar), der bis anhin mit einem Gaskessel erzeugt wird. Der mit Wärmepumpen erzeugte Dampf lässt sich energieeffizient und umweltfreundlich bereitstellen, wie das OST-Forscherteam anhand von Simulationen und einer Pinch-Analyse zeigen konnte. Dabei handelt es sich um ein systematisches Verfahren mit dem Ziel, den Energiebedarf der Kälte- und Wärmeproduktion für industrielle Prozesse zu minimieren. Dies wird primär erreicht, indem vorhandene Kälte- und Wärmeströme ideal miteinander kombiniert werden.

Quelle: Schlussbericht IntSGHP
Vereinfachte Darstellung des Destillationsprozesses bei «DSM Nutritional Products»: Der Prozessdampf wird bis anhin von einem zentralen Gaskessel bezogen, der Dampf bei 160 Grad und 6 bar erzeugt.
Dampf für Destillationsprozess
Die Forscher schlugen dafür eine Wärmepumpe mit kombiniertem Kreislauf vor, bestehend aus einer Ammoniak-Wärmepumpe (500 kW; 0,8 Tonnen Dampf pro Stunde) und zwei Dampfkompressoren. Als Wärmequelle würde in Bulle 25-grädige Abwärme genutzt. Es ist das gleiche Anlagenkonzept, das in der oben erwähnten Tierfutter-Fabrik in Trondheim realisiert wurde. Für die Effizienz des Systems berechneten die OST-Forscher einen COP von 2,9. UCB Farchim zögerte seinerzeit bei der Anschaffung der Wärmepumpe, weil die Technologie noch nicht erprobt war, insbesondere nicht das kontrollierte Zusammenspiel von Wärmepumpe und Dampfkompressor. Als Alternative schlugen die OST-Forschenden eine Lösung vor, bei der zwei Wärmepumpen eines Schweizer Herstellers mit geschlossenem Kreislauf in Kaskade geschaltet werden, wobei die erste als Kältemittel Ammoniak nutzt, die zweite Butan. Diese Lösung ist etwas weniger effizient als der ursprüngliche Vorschlag und setzt das brennbare Butan ein, was besondere Brandschutzmassnahmen erforderlich macht. Aber die Anlage stammt von einem einzigen Hersteller und ist damit sozusagen wie ‹aus einem Guss›. Beide Varianten liegen UCB Farchim nun zum Entscheid vor.
Direkt von 45 auf 115 Grad
Die zweite Fallstudie rechnete das OST-Team für DSM Nutritional Products durch. Die Firma stellt in Sisseln Lebensmittelchemikalien her. Dafür nutzt sie eben-falls einen Destillationsprozess, der 115-grädigen Dampf benötigt und der bislang mit einem Holzheizkessel produziert wird. Da in diesem Werk Abwärme bei 45 Grad zur Verfügung steht, empfahlen die OST-Forscherinnen aufgrund ihrer Berech-nungen eine Wärmepumpe mit offenem Kreislauf. Das heisst, das 45-grädige Wasser wird bei Unterdruck verdampft und dann durch acht Dampfkompressoren schrittweise auf 115 Grad gebracht. Für die Effizienz des Verfahrens wurde ein COP von 3,3 berechnet. Nach Auskunft der OST-Forschenden ist die Lösung technisch umsetzbar mit geschätzten 730000 Euro Investitionskosten, aber sie ist teurer als eine Lösung mit Holz (370000 EUR) oder Biogas (550000 EUR).

Quelle: Schlussbericht IntSGHP
Liste der Hersteller von Wärmepumpen, die Dampf bei 120 und mehr Grad bereitstellen.
Den Investitionen stehen tiefere Betriebskosten der Wärmepumpen-Lösung gegenüber. Zudem kann das Unternehmen hier noch anderweitig profitieren: Es kann nachhaltig und kosteneffizient mit Abwärme Dampf erzeugen. Denn bislang wird die Abwärme in den Rhein abgeführt. Die Nutzung des Rheins für Kühlzwecke ist mit Blick auf die Fischbestände allerdings umstritten. Demnach dürfen Firmen den Fluss in den Sommermonaten zeitweise jeweils nicht zur Kühlung nutzen, um die Fische nicht zu gefährden. Wird die Abwärme in den Betrieben selber genutzt, tritt dieses Problem nicht mehr auf.
Trend zu natürlichen Kältemitteln
Die Autoren stellen mit ihrer Studie auch vertiefende Informationen zu dampferzeugenden Wärmepumpen bereit. So listensie auf, welche Wärmepumpen zur Dampferzeugung heute auf dem Markt angeboten werden, und sie geben eine Übersicht über die eingesetzten Kältemittel. Dazu hält der Projekt-Schlussbericht fest: «Es existiert kein perfektes Kältemittel für dampferzeugende Wärmepumpen. Die wichtigsten zukunftssicheren Optionen sind die natürlichen Kältemittel R600 (n-Butan), R600a (Iso-Butan), R717 (Ammoniak) und R718 (Wasser) und Fluorchlorkohlen-wasserstoffe (HFO): HCFO-R1233zd, HFO-R13336mzz(Z). All diese Kältemittel ha-ben kein (oder nur ein geringes) Ozon-abbaupotenzial und ein niedriges Treibhauspotenzial, darüber hinaus hat jedes seine Vor- und Nachteile» (siehe Tabelle über die Kältemittel).
Trotz Hürden glaubt OST-Projektleiter Frédéric Bless an den künftigen Einsatz von Wärmepumpen im industriellen Umfeld: «Dampferzeugende Wärmepumpen sind heute noch teurer als fossile Systeme zur Dampferzeugung, aber sie bieten Industriebetrieben einen Hebel für eine klimafreundliche Produktion», sagt der Wissenschaftler. Die grösste Hürde, welche Unternehmen bis anhin vom Einsatz dieser wirkungsvollen Dekarbonisierungstechnologie abhält, sieht Bless jedoch bei fehlenden Beispielen, die den verlässlichen Langzeitbetrieb dieser Form der Wärme-erzeugung demonstrieren: «Wir brauchen in der Schweiz Demonstrationsanlagen mit einem mehrjährigen Monitoring, das die Verlässlichkeit dieser Anlagen unter Beweis stellt. Auf diese Weise erhalten Unternehmen, die heute mit der Umstellung noch zögern, einen Nachweis, dass die Technologie funktions- und betriebstüchtig ist, der für den internen Entscheidungsprozess massgeblich sein kann.»
Den Beitrag hat Benedikt Vogel im Auftrag des Bundesamts für Energie verfasst.
Drei Verfahren für die Produktion von Prozessdampf

Quelle: Illustration: Schlussbericht IntSGHP
Wärmepumpe mit geschlossenem, offenem und kombiniertem Kreislauf.
Zur Produktion von Prozessdampf nutzt die Industrie heute in der Regel die Energieträger Öl oder Gas. Mit Wärmepumpen lässt sich Dampf unter Verwendung von erneuerbarem Strom fossilfrei herstellen. Drei Konstruktionstypen stehen zur Verfügung.
Wärmepumpe mit geschlossenem Kreislauf
Das ist die Funktionsweise der meisten Wärmepumpen, die heute auf dem Markt sind. Sie nutzen ein Kältemittel (vgl. Abb. 01, rote Linien), das in einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert. Das Kältemittel ist so gewählt, dass es verdampft, wenn es die Wärme der Wärmequelle aufnimmt, etwa von industrieller Abwärme. Der Dampf wird mit einem elektrisch angetriebenen Kompressor verdichtet und damit auf eine höhere Temperatur gebracht. Diese hohe Temperatur wird in einem Wärmetauscher zur Er-zeugung von Dampf genutzt. Dabei kondensiert das Kältemittel und strömt an den Ausgangspunkt zurück.
Vor-/Nachteile: Diese Technologie ist aus der Heizwärmeerzeugung gut erprobt. Allerdings gibt es nur eine begrenzte Zahl von Kältemitteln, deren kritische Tem-peratur (Verdampfungstemperatur) für die Dampferzeugung hoch genug ist, also mindestens die benötigten 105 Grad aufweist.
Wärmepumpe mit offenem Kreislauf
Hier wird kein extra Kältemittel verdampft und komprimiert, sondern das geschieht direkt mit Wasser (vgl. blaue Linien in Abb. 01, Mitte). Damit Wasser die Wärme der Wärmequelle durch Verdampfen aufnehmen kann, braucht es eine Umgebung mit Unterdruck. Anschliessend hebt ein Kompressor die Temperatur des Wasserdampfs an. Ein Dampfkompressor schafft eine Temperatur-erhöhung um 10 bis 20 Grad. Um beispielsweise von 45°C auf 115°C zu kommen, müssen ca. sechs Dampfkompressoren hintereinandergeschaltet werden. Hat der Dampf schliesslich die gewünschte Temperatur, kann er direkt als Prozessdampf eingesetzt werden.
Vor-/Nachteile: Als Kältemittel wird hier Wasser verwendet, das ungiftig und nicht brennbar ist. Weil Wasser als Kältemittel dient, kann ein Wärmetauscher eingespart werden, was die Systemeffizienz erhöht. Da für den Temperaturhub mehrere Kompressoren benötigt werden, ist das System teuer und wartungsintensiv und hat ein erhöhtes Ausfallrisiko. Liegt die Quelltemperatur unter 70 Grad, ar-beitet eine Wärmepumpe mit offenem Kreislauf ineffizient.
Wärmepumpe mit kombiniertem Kreislauf
Sie bewältigt den gewünschten Temperaturhub von Quell- zu Nutztemperatur in zwei Schritten: Den ersten übernimmt eine Wärmepumpe mit geschlossenem Kreislauf, den zweiten eine Wärmepumpe mit offenem Kreislauf.
Vor-/Nachteile: Diese Lösung ist geeignet für einen grossen Temperatur-Hub, sie ist aber auch besonders komplex, weil sie zwei technische Systeme (klassische Wärmepumpe, Dampfkompressoren) kombiniert. Nötig ist eine Steuerung von Wärmepumpe und Dampfkompressoren, die Schwingungen im System vermeidet. Bisher gibt es erst wenig Erfahrungen.(BV)