15:43 BAUBRANCHE

Versicherungen: Ständerat will keine Vorsorgelösung im Falle schwerer Erdbeben

Teaserbild-Quelle: Karl Jauslin

Künftig sollen Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer nicht mehr solidarisch für Schäden an Gebäuden nach einem schweren Erdbeben aufkommen. Der Ständerat hat eine Versicherungslösung des Bundesrates abgelehnt.

Erdbeben von Basel, 1356. (Illustration)

Quelle: Karl Jauslin

Laut Modellrechnungen des Schweizerischen Erdbebendienstes wären bei einer Wiederholung des katastrophalen Basler Bebens von 1356 (Bild) mit einer Magnitude von 6,6 in der Schweiz mit etwa 3000 Toten und Gebäudeschäden im Umfang von ungefähr 45 Milliarden Franken zu rechnen. (Die Illustration stammt vom Basler Historienmaler Karl Jauslin (1842-1904))

Mit 23 zu 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen sprach sich eine knappe Mehrheit am Dienstag gegen eine Verfassungsänderung für eine Bundeskompetenz im Bereich der Finanzierung der Behebung von Gebäudeschäden bei Erdbeben aus. Der Ständerat folgt damit dem Vorschlag der zuständigen Kommission. Die Vorlage geht nun weiter in den Nationalrat. 

Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, mit einer neu geschaffenen Verfassungsbestimmung dem Bund die Kompetenz zu übertragen, finanziell für den Fall eines schweren Erdbebens vorzusorgen. Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden würden in einem solchen Fall dazu verpflichtet, einen Betrag von höchstens 0,7 Prozent des Versicherungswerts ihres Gebäudes einzubringen, um Betroffene zu entschädigen und einen raschen Wiederaufbau zu ermöglichen. Mit dieser Obergrenze würden im Fall eines Erdbebens rund 22 Milliarden Franken für die Deckung von Schäden zur Verfügung stehen. Dies entspreche der Schadensumme, die bei einem alle 500 Jahre auftretenden Erdbeben zu erwarten sei. Beim Vorschlag des Bundesrates würden im Gegensatz zu einer Versicherungslösung keine Prämienzahlungen anfallen. Ein Beitrag müsste nur dann entrichtet werden, wenn Schäden aufgrund eines Erdbebens entstanden sind.

"Es braucht keine schweizweite Zwangslösung"

Die Mehrheit des Ständerates lehnte einen solchen staatlichen Eingriff jedoch ab. "Wer will, kann sich heute bereits absichern. Es braucht keine schweizweite Zwangslösung", sagte Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG). Sie findet, Immobilien-Eigentümer seien selbst in der Lage, abzuschätzen, ob sie sich absichern müssen. Hinzu komme, dass der Bund im Ernstfall das Geld erst eintreiben müsste. "Auf lange Zeit haben wir kein Geld, aber einen enormen administrativen Aufwand", sagte Thierry Burkart (FDP/AG). "Nicht alle können die Summe liquide zur Verfügung stellen." Weiter sei bei einem schweren Erdbeben die Solidarität der gesamten Gesellschaft gefragt. "Echte Solidarität entsteht genau dann, wenn riesige Katastrophen passieren", so Jakob Stark (SVP/TG). Die Belastung solle nicht nur von Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümern getragen werden.

Eine Minderheit wollte auf die Vorlage eintreten. Zum Thema der Solidarität brachte Beat Rieder (Mitte/VS) den Bergsturz von Blatten VS ins Spiel: "Solidarität kann bei einem kleinen Ereignis sehr viel decken, aber nicht bei einer Grossstadt." Und Benedikt Würth (Mitte/SG) meinte: "Der Staat hat die Verantwortung, die rechtsstaatlichen Prozesse vorzubereiten, wenn er eine Situation vorausschauen kann." -"Vorsorge ist besser als Nachsorge", ergänzte Maya Graf (Grüne/BL). "Müssen wir nachsorgen, geht es viel zu lange, bis wir dann eine Bundeskompetenz hätten." Bei einem Erdbeben in einem grossen Ballungszentrum stünde die Schweiz still, sagte sie. Mit dem Vorschlag des Bundesrates würde ein solidarisches und effektives Instrument geschaffen, um im Schadensfall zügig die notwendigen Mittel bereitzustellen und die Kantone bei der Schadensbewältigung zu unterstützen, so die Minderheit.

Schwere Erdbeben sind selten aber zählen zu den grössten Risiken

Schwere Erdbeben gehören laut dem Bundesrat zu den seltenen, aber grössten Risiken, denen die Schweiz ausgesetzt ist. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit und den Ergebnissen der neueren Forschung hält der Bundesrat fest, dass praktisch auf dem gesamten besiedelten Gebiet der Schweiz ein relevantes Erdbebenrisiko bestehe. So ergaben Modellrechnungen des Schweizerischen Erdbebendienstes, dass bei einer Wiederholung des katastrophalen Basler Bebens im Jahre 1356 mit einer Magnitude von 6,6 in der Schweiz mit etwa 3000 Toten und Gebäudeschäden im Umfang von ungefähr 45 Milliarden Franken zu rechnen wäre. Die grössten finanziellen Verluste wegen Schäden wären demnach in den Kantonen Bern, Wallis, Zürich, Waadt und Basel-Stadt zu erwarten.

Aktuell existiert in der Schweiz keine bundesweite obligatorische Erdbebenversicherung. Nur ein Bruchteil der Gebäude ist heute gegen Erdbebenschäden versichert. Ende 2024 waren nach Angaben des Bundesrates rund 15 Prozent der Gebäude gegen Erdbeben versichert. Bereits mehrere Versuche, eine landesweite Erdbebenversicherung durchzusetzen, scheiterten im Bundeshaus. So wurde beispielsweise 2016 eine baselstädtische Standesinitiative für eine obligatorische Erdbebenversicherung auf Bundesebene abgelehnt. Auch Vorschläge für interkantonale Konkordate fanden bislang keine Mehrheit. (Michael Höchner (Keystone-SDA)/mai)


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