Studie: Ökostrom hängt fossile Energieträger preislich ab
Die Nutzung erneuerbare Energiequellen bietet gegenüber fossilen Energieträgern Kostenvorteile. Bedeutender für die Wirtschaftsleistung vieler Länder sind die dem Ökostrom vorgelagerten Branchen.
Quelle: Stefan Schmid
Die Kosten für Solarstrom lagen im Durchschnitt 41 Prozent unter den günstigsten fossilen Optionen.
Bei 91 Prozent der Projekte für die Produktion von erneuerbarem Strom, die im vergangenen Jahr weltweit in Betrieb gingen, waren einer Studie zufolge die Elektrizität günstiger als neue fossile Alternativen. Demnach lagen die Kosten für Solarstrom im Durchschnitt 41 Prozent und für Windenergieanlagen an Land 53 Prozent unter den günstigsten fossilen Optionen. Dies geht aus einem Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) hervor.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien bringt der Studie zufolge nicht nur Fortschritte beim Klimaschutz. Es ergeben sich auch direkte wirtschaftliche Vorteile. Allein im Jahr 2024 wurden demnach weltweit 582 Gigawatt an erneuerbarer Kapazität installiert, was laut Berechnungen Einsparungen von fossilen Brennstoffen in Höhe von rund 57 Milliarden US-Dollar entspricht.
Neue Branchen für höhere Wirtschaftsleistung
Die Kostenvorteile sind ein wichtiger Aspekt, die allerdings nur realisiert werden können, wenn gleichzeitig die Infrastruktur ausgebaut wird. Neben Batteriespeichern sind auch gezielten Erweiterungen des Stromnetzes notwendig. Noch bedeutender als tiefere Kosten für die Stromproduktion dürften die Auswirkungen auf die jeweilige Wirtschaftsleistung eines Landes sein. Denn die Forschung öffnet die Tür zu neuen Geschäftsfeldern. Diese erschliessen Unternehmen mit Investitionen in neue Produktionsanlagen, oder indem Prototypen zu Grossanlagen hochskaliert werden. Dadurch bieten sich für Branchen Chancen, ihre Kernkompetenzen zu verändern. Oder es entstehen neue Branchenzweige mit grossem Wachstumspotenzial und hoher Wertschöpfung..
In der Wirtschaftsgeschichte gibt es un-zählige Beispiele, wie sich Branchen weiterentwickelt und diversifiziert haben oder bestehende Zulieferzweige aufgrund der Verwendung neuer Materialien ein rasantes Wachstum erlebten. Das Textilgewerbe beispielsweise setze in der Schweiz über lange Zeit auf Heimarbeit. Nach und nach setzte die Mechanisierung ein. Bestanden Wasserräder für den Antrieb zu Beginn noch aus Holz, kam als Alternative rasch Stahl zum Einsatz. Später geschah dies auch bei Verschleissteilen von Webstühlen. Schliesslich wurden gesamte Webstühle aus Metall gefertigt. Die Entwicklung begünstigte in der Folge den rasanten Aufstieg der Schweizer Metall- und Maschinenindustrie.
Quelle: Wikimedia – Creative Commons – Gunnar Ries (Amphibol) – eigenes Werk
Die Investition in die Infrastruktur könne nicht mit dem Ausbautempo der erneuerbaren Energien Schritt halten. Deshalb muss laut der Studie mehr in Netze und Speicher investiert werden.
«Grösste wirtschaftliche Chance»
Ziel der Irena-Studie ist es daher auch, die positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Produktion von Ökostrom zu quantifizieren. 2023 machte laut der Studie Strom aus erneuerbaren Quellen zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Während dieser Anteil in der EU bei 33 Prozent und in China bei 20 Prozent lag, laufen die USA der Entwicklung mit nur 6 Prozent hinterher, wie UN-Generalsekretär António Guterres bei der Präsentation der Studie ausführte. Die Welt stehe am Anfang einer neuen Ära. «Die Zukunft der sauberen Energieist kein Versprechen mehr. Sie ist eine Tatsache. Keine Regierung, keine Industrie, kein Sonderinteresse kann sie auf-halten.» Ausbleibende Investitionen in die Branche schwächen laut Guterres die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern, sodass sie «die grösste wirtschaftliche Chance des 21. Jahrhunderts» verpassen.
Die Transformation mache Länder unabhängiger und weniger angreifbar. Versorgungskrisen liessen sich mit erneuerbaren Energiequellen verringern oder gar vermeiden. Und der Chef der Vereinten Nationen verweist auf die grundlegend neuen Produktionsbedingungen. «Es gibt keine Preisspitzen für Sonnenlicht. Keine Embargos für Wind.»
Netze und Speicher ausbauen
Doch die Studie sieht auch Hürden für die weitere Entwicklung, welche die Preisvorteile dämpfen könnten. Geopolitische Spannungen, Rohstoffengpässe und Handelszölle, vor allem im Zusammenhang mit der Abhängigkeit von China bei Solarmodulen und Batteriespeichern, könnten die Kosten vorübergehend in die Höhe treiben. In Europa und Nordamerika kämen lange Genehmigungsverfahren, begrenzte Netzkapazitäten und hohe Zusatzkosten hinzu. Seit 2010 sind laut Irena-Analysen die Kosten für Batteriespeicher um 93 Prozent gesunken. Doch die Investitionen in die Infrastruktur können nicht mit dem Ausbautempo der erneuerbaren Energien Schritt halten. Um einen Engpass bei der Integration von Wind- und Solarenergie zu vermeiden, müsse mehr in Netze und Speicher investiert werden. (mgt/sda/dpa/sts)