Schulerneuerung in Stansstad NW: Umsichtige Verdichtung im Bestand
Der Schulrat Stansstad schrieb für die Entwicklung der Schulinfrastruktur einen Studienauftrag im Dialog aus. Wesentlicher Bestandteil der Aufgabe waren zeitgemässe Lösungen mit den bestehenden Baustrukturen. Der siegreiche Lösungsansatz weist nach Überzeugung des Beurteilungsgremiums sowohl aus städtebaulicher, architektonischer als auch aus nutzergerechter Sicht überzeugende Qualitäten auf.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Ein Kindergarten-Ersatzneubau und eine Schulhauserweiterung ergänzen den «Schulcampus» in Stansstad. Die beiden Bauten sehen sich mit ihren Walmdächern ähnlich und sind deutlich miteinander verwandt.
Die Nidwaldner Gemeinde Stansstad liegt idyllisch an der rund 100 Meter breiten Seeenge zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Alpnachersee. Unmittelbar östlich steigt der Bergrücken des Bürgenstocks auf, westlich, ennet der Seeenge, erhebt sich der Lopper, ein Ausläufer des Pilatus-Massivs. Das Siedlungsgebiet erstreckt sich in der Schwemmebene der Engelberger Aa. Ab dem späteren 19. Jahrhundert wurde die Gemeinde durch die Achereggbrücke zu Nidwaldens Tor zur Welt. Der so benannte Übergang bei der Seeenge umfasst seit Mitte der 1960er-Jahre auch die Autobahn A2 zum Gotthard. Sie bewirkte eine weitere Verbesserung der Erschliessung und trägt dazu bei, dass Stansstad stetig wächst.
Das heutige Schulareal entstand ab den 1950er-Jahren südöstlich des Dorfkerns, der sich nordöstlich der Achereggbrücke am Ufer des Vierwaldstättersees befindet. Zum kleinen «Campus» gehören das Primarschulhaus von 1953 /1955 zwischen dem Strassenzug Kirchmatte und dem Mühlebach und südwestlich davon, jenseits der Dorfstrasse, das ORS-Schulhaus mit Jahrgang 1972. ORS steht für Orientierungsschule, die Bildungsstufe ist auch als Sek 1 bekannt. Die beiden Areale sind verbunden durch jenes des Kindergartens aus dem Jahr 1974 zwischen der Dorfstrasse und dem Mühlebach. Diese Schulinfrastruktur wird als sehr gut und zweckmässig eingeschätzt, allerdings wächst die Zahl der Schülerinnen und Schüler. Ausserdem zeigten umfassende Analysen des Baubestandes, dass eine Grundsanierung der im Laufe der Jahre ergänzten oder aufgestockten Gebäude unausweichlich ist. Die Basisbauten befinden sich noch im Originalzustand.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Zwischen dem Kindergarten und der Primarschule fliesst der Mühlebach. Das siegreiche Wettbewerbsprojekt schlägt seine Renaturierung vor.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Die Grundrisse zeigen links das Erdgeschoss des Kindergartengebäude sowie das Untergeschoss /Erdgeschoss-Niveau der Primarschule. Rechts ist die Situation eine Etage höher dargestellt.
Die Analysen zeigten auch, dass die Schulgebäude der Primarschule, des Kindergartens und der Orientierungsstufe trotz ihres hohen Alters grundsätzlich über eine gute Bausubstanz verfügen und die Nutzbarkeit weiterhin den heutigen Bedürfnissen entspricht. Es wurde in der Folge beschlossen, auf die Realisierung von kostenintensiven Ersatzneubauten zu verzichten. An der Schulgemeindeversammlung vom 23. November 2021 genehmigten die Stimmberechtigen einen Kredit von 1,3 Millionen Franken für die Planung der Renovation der drei Schulgebäude und der Schaffung von zusätzlichem Schulraum.
Studienauftrag im Dialog
Ein Architekt und Fachplaner erstellten in der Folge Machbarkeitsstudien und erarbeiteten ein Vorprojekt. Es erwies sich, dass die geschätzten Kosten für das Gesamtprojekt deutlich über jenen lagen, die der Schulrat im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Planungskredit genannt hatte. Das Projektteam empfahl, die Weiterbearbeitung der Renovationslösung zu sistieren und für den Kindergarten und das Primarschulhaus die Machbarkeit von Neubauten zu prüfen. Nach dieser Entwicklung kam der Schulrat gemeinsam mit dem Gemeinderat zum Schluss, dass ein Neubau des Primarschulhauses und des Kindergartens mit einer Renovation der bestehenden Gebäude abgewogen werden soll. Beim ORS-Schulhaus hielt man die Renovierung mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand für die sinnvollste Strategie.
Vor diesem Hintergrund schrieb der Schulrat Stansstad für die Entwicklung der Schulinfrastruktur einen Studienauftrag im Dialog aus. Dafür brauchte es einen neuen Verpflichtungskredit. Die Schulgemeindeversammlung vom 27. November 2023 hiess ihn deutlich gut. Nach einer Präqualifikation wurden sechs Architekturbüros zur Teilnahme eingeladen. Schul- und Gemeinderat erhofften sich durch dieses Vorgehen verschiedene Lösungsansätze und Entscheidungshilfen für das weitere Vorgehen.
Die Entwurfsteams hatten sich mit zwei Szenarien auseinanderzusetzen. Das erste hatte Neubauten für den Kindergarten mit vier Klassenzimmern und das Primarschulhaus mit zwölf Klassenzimmern zum Ziel. Sie mussten auch an die betriebliche Flexibilität für die Innenrenovation des ORS-Schulhauses beitragen können. Szenario zwei nahm das erwähnte Vorprojekt in einer abgespeckten Version zur Ausgangslage. Der Raumbedarf und die Eingriffstiefe des Vorprojekts mussten zwecks Kosteneinsparung hinterfragt werden.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Die Schnitte vermitteln einen guten Eindruck von der Gebäudetiefe und den atriumartigen Zonen in den Zentren der Neubauten.
Ergänzen und ersetzen
Von den sechs eingeladenen Planungsteams sagte eines aus Zeitgründen ab. Nach dem Start des Studienauftragsverfahrens im Sommer 2024 fand Ende September 2024 eine Zwischenpräsentation vor dem vollständigen Beurteilungsgremium statt. Bei diesem Anlass fanden kleinere Anpassungen im Raumprogramm und bei den Vorgaben zur Aussenraumgestaltung statt. Mitte Dezember erfolgte anschliessend die Beurteilung der fünf eingereichten Projekte. Szenario zwei trat in den Hintergrund. Das Studienauftragsverfahren endete mit der einstimmigen Empfehlung des Beurteilungsgremiums, das Projekt «Der Löwe und der Frosch» von Atelier Ora, Orti Riscassi Architekten GmbH, Zürich, mit Böe GmbH, Landschaftsarchitekten, Zürich, und Schärli Architekten AG, Baumanagement, Luzern zur Weiterbearbeitung und Ausführung zu empfehlen.
«Der Löwe und der Frosch» ist ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm. Es erzählt von geschwisterlicher Liebe, Trennung, einer Suche, freundlichen Tieren, von Verwandlung und Rückwandlung, dem Wiedersehen, einer Parklandschaft und einem Palast. Die suggestive Kraft des Märchens mag die architektonischen Absichten des Entwurfsteams in Stansstad erklären. Das Projekt schafft eine parkartige Landschaft an zentraler Lage im Dorf. Das ORS-Schulhaus und das Primarschulhaus bleiben erhalten. Mit einer Erweiterung des Primarschulhauses durch einen nordwestlichen Anbau sowie einem Ersatzneubau für den Kindergarten findet eine Verdichtung des Baubestands statt. Das zusätzliche Raumangebot soll nicht nur den aktuellen Bedarf an zusätzlichen Schulräumen decken, sondern auch eine nachhaltige Anpassungsfähigkeit an zukünftige Entwicklungen gewährleisten.
Die beiden neuen Volumen stehen sich im Grünraum, durch den sich der Mühlebach schlängelt, quer gegenüber. Sie sind Geschwister – nicht ein Gegensatzpaar, wie der Löwe und der Frosch. Beide bilden im Grundriss Polygone, die sich Quadraten annähern, sie sind ganz leicht aus dem orthogonalen Raster des Primarschulhauses abgedreht und mit Schrägdächern versehen, die an Walmdächer erinnern und mit einem grossen, flachen Oberlicht enden. Beide Neubauten, die dreigeschossige, nicht unterkellerte Schulhauserweiterung, und der zweigeschossige, teilweise auf dem bestehenden Keller, teilweise auf einer ebenfalls bestehenden künstlichen kleinen Anhöhe stehende Kindergarten verfügen über eine zentrale Zone, die über die Oberlichter und Böden aus Glasbausteinen mit Tageslicht versorgt werden. Um diese Zonen gruppieren sich die Klassen- und Gruppenräume.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Der freistehende Erweiterungsbau ist über eine zweigeschossige Brücke mit dem bestehenden Primarschulhaus verbunden.
Die Volumetrie der pavillonartigen Neubauten orientiert sich an der Massstäblichkeit der umliegenden Wohnhäuser und fügt sich in die bebaute Umgebung ein. Den Grünraum möchte das Team substanziell aufwerten. So soll der bestehende Hartplatz zwischen den erwähnten Neubauten durch Freiluftklassenzimmer und einen Schülertreffpunkt auf Schotterrasen sowie durch eine Spielwiese ersetzt werden. Ein neu ausgestatteter Hartplatz soll auf der Südostseite des Primarschulhauses entstehen, der auch als Treffpunkt für das Quartier dient; ein offener Spielbereich bietet eine kleine chaussierte Fläche mit Sitzmöglichkeiten und einem Trinkbrunnen. Er bietet gegenüber der Kirche einen Begegnungsraum für das ganze Quartier. Vorgeschlagen wird ausserdem eine Renaturierung des Mühlebachs. Punktuelle Eingriffe in den Verlauf des Gewässers sollen eine bestimmte Fliessgeschwindigkeit erzeugen. Eingedolte oder eingefriedete Bereiche möchte das Entwurfsteam durch natürliche Uferböschungen ersetzen.
Prägende Holzbauweise
Bei der Etappierung schlägt das Projekt «Der Löwe und der Frosch» vor, mit der Erweiterung der Primarschule und Musikschule zu beginnen, also mit dem ersten Neubau. So sollten bei den nächsten Erneuerungsschritten, namentlich den Sanierungen im Bestand, Rochaden möglich werden.
Die beiden Neubauten ähneln sich auch in der Konstruktion und in der Gestaltung der Fassaden. Sie sind überwiegend in Holzbauweise geplant, mit Fundamenten aus Beton (Oulesse-Beton oder Recyclingbeton). Eine Holzskelettbauweise soll mit Holz-Beton-Verbunddecken kombiniert werden. Die Wahl unsichtbar montierter Knapp-Verbinder ermöglichen eine leichte Demontierbarkeit der Bauteile, so dass die Chancen einer separaten Wiederverwertung intakt sind. Als Fassadenverkleidung ist regionales, mit Lasur behandeltes Holz vorgesehen. Die Gebäudehüllen sollen mit Hanf gedämmt werden, mit dem Versprechen einer deutlichen Minimierung des Aufwands an grauer Energie.
Die Brüstungselemente in Holz wechseln sich ab mit umlaufenden Fensterbändern. Ein aussen liegender, verstellbarer Sonnenschutz unterstreicht den Eindruck von lichten Pavillons, welche den kleinen Campus unaufdringlich ergänzen. Das Projekt in Stansstad zeigt, wie ein Schulareal aus einem uneinheitlichen Bestand heraus sinnvoll weiterentwickelt werden kann, indem alle Chancen, die sich in der Umgebung anbieten, erkannt und genutzt werden. Die Neubauten repräsentieren eine neue Generation des Schulhausbaus, die mit den Vorgängern eine freundliche, einvernehmliche Partnerschaft eingehen möchte.

Quelle: ORA, Orti Riscassi Architekten GmbH
Die Holzbauweise soll auch im Innern überall erkennbar bleiben.
Nachgefragt... bei René Küchler

Quelle: zvg
René Küchler ist Gemeinderat von Stansstad und in dieser Funktion für das Projekt zuständig.
Gibt es aus Ihrer Sicht in der Bevölkerung viele emotionale Bindungen zu den bestehenden Schulliegenschaften?
Es liegt vermutlich in der Natur der Sache, dass viele
Bürgerinnen und Bürger eine emotionale Bindung zur Schule und den
Schulliegenschaften haben. Immerhin gingen ja alle irgendwann einmal in die
Schule, manche verbrachten viele Jahre in einem Schulhaus. Dies führt wohl auch
dazu, dass jede und jeder eine Meinung zur Schule und zu Schulhäusern hat und
sich in irgendeiner Form kompetent fühlt, mitzureden. Wir erachten diese
Tatsache aber nicht als negativ. Im Gegenteil! Es scheint uns für das Projekt
nur förderlich, wenn ein grosses Interesse seitens der Bevölkerung besteht.
Wird es schmerzvoll sein, sich bald vom Kindergarten zu
verabschieden?
Wenn wir ans Thema der emotionalen Bindung anknüpfen, wird
dies wohl zumindest für einzelne so sein. Im Grundsatz ist es ja selten bis nie
die beste Lösung, ein Gebäude rückzubauen und etwas Neues zu realisieren. Im
vorliegenden Fall wurden die verschiedenen Varianten sehr sorgfältig geprüft.
Schliesslich kamen die Projektverfasser wie auch die Jury zum Schluss, dass
beim Kindergartengebäude ein Rückbau und anschliessender Neu-bau die beste
Lösung ist. Das heutige Gebäude wurde ursprünglich nicht als Schulhaus
konzipiert, und die diversen Erweiterungen haben es nicht aufgewertet. Die
Abwägung von Vor- und Nachteilen führte zu diesem unseres Erachtens absolut
nachvollziehbaren Entscheid, und wir spüren, dass auch die Bevölkerung die
entsprechenden Schritte und Entscheidungen nachvollziehen kann.
Fand der Entscheid, das Studienauftragsverfahren im Dialog
durchzuführen, in der Gemeinde breite Akzeptanz?
Absolut, ja. Wir sind überzeugt, dass ein
Wettbewerbsverfahren letztlich zu besseren Lösungen führt. Natürlich gab und
gibt es auch Nachteile beziehungsweise durchaus kritische Stimmen. Punktuell
werden die gegebenenfalls zusätzlich notwendigen finanziellen Mittel oder die
möglicherweise fehlende Regionalität der Teilnehmenden erwähnt.
Auf welches Echo stiess die Durchführung des Verfahrens?
Befürchtete niemand eine sinnlose Geldverschwendung?
Wie erwähnt gab und gibt es vereinzelt kritische Stimmen,
unter anderem auch, was den finanziellen Aufwand angeht. Jedoch überwiegen hier
die positiven Wahrnehmungen und Rückmeldungen. Dazu beigetragen hat hier
sicherlich, dass wir auch schon bei anderen, früheren Vorhaben diesen Weg
gewählt haben. Die Bevölkerung kennt also das Vorgehen und eben auch den Nutzen
und die Vorteile dieses Weges.
Hat sich dieses Planungs- und Auswahlverfahren aus der Sicht
des Gemeinderats gelohnt, auch in Hinsicht einer Kosteneindämmung?
Wir würden jederzeit wieder denselben Weg wählen. Für uns
ist der Wettbewerb bei derartigen Projekten eigentlicher Standard. Die Kosten
stehen dabei nicht zwingend im Mittelpunkt, obwohl natürlich ein definierter
Kostenrahmen beziehungsweise ein Budget als Rahmenbedingung gilt. Am Ende
rechnen sich nach unseren Erfahrungen aber selbst höhere Initialkosten, da
letztlich ein besseres Ergebnis erzielt wird – immer vorausgesetzt, dass der
Wettbewerb richtig beziehungsweise mit den richtigen Rahmenbedingungen, Kriterien,
etc. aufgesetzt wurde.
Welches ist der aktuelle Stand des Projektes? Kann man schon
sagen, wann mit dem Bau der Schulhauserweiterung begonnen wird?
Zentral ist aktuell das Ergebnis des Wettbewerbes. Dieses
wurde anfangs 2025 der Bevölkerung präsentiert. Aktuell laufen die
Vorbereitungen für die Planung, und im Herbst 2025 ist geplant, den
Planungskredit zur Abstimmung zu bringen. Voraussichtlich ein Jahr später
sollte dann der Bau- bzw. Objektkredit beantragt werden können. Mit einem
Baustart ist realistisch betrachtet somit frühestens ab circa 2027 zu rechnen.
Da die Bauphase aufgrund nötiger Provisorien zwingend etappiert erfolgen muss,
wird sich die Realisierung über eine gewisse Zeit hinziehen. All diese
terminlichen Grundlagen werden nun erarbeitet. Aktuell ist es aber schlicht
noch zu früh, um konkrete, verbindliche Termine zu nennen.
(Interview: Manuel Pestalozzi)