16:22 BAUPROJEKTE

Energietechnik: Graphen wird spannend

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Empa

Superkondensatoren sind schnelle, leistungsfähige Energiespeicher. Sie ergänzen die relativ langsam ladenden und entladenden Batterien in zahlreichen Einsatzgebieten. Ein Team der Empa forscht an besseren Superkondensatoren auf der Basis von Graphen.

Superkondensator mit Graphen

Quelle: Empa

Empa-Forscher Jakob Heier mit der Drucktinte, die hochwertiges Graphen enthält – und trotzdem günstig herzustellen ist.

Superkondensatoren und Batterien bilden in der Elektrotechnik ein einzigartiges Gespann. Obwohl beide Technologien elektrische Energie speichern können, ist ihre Funktionsweise unterschiedlich. Batterien weisen eine hohe Energie-, aber eine geringe Leistungsdichte auf. Sie können zwar viel Energie speichern, doch Laden und Entladen geht eher langsam vor sich. Superkondensatoren oder Supercaps, abgeleitet vom Englischen «Capacitors» für Kondensator, nehmen dagegen Energie blitzschnell auf und geben sie wieder ab. Die Speicherkapazität ist allerdings weniger ausgeprägt. Soll beispielsweise ein Kran ein grosses Gewicht anheben, muss dazu in Sekundenbruchteilen viel elektrische Energie verfügbar sein. In solchen Momenten sind Kondensatoren am Werk.  

Empa-Forscher Sina Azad, Postdoktorand im Empa-Labor «Functional Polymers», vergleicht Batterien mit einem grossen Gefäss, das einen schmalen Hals hat, sodass es sich nur langsam füllen lässt. Um im Vergleich zu bleiben, sind Superkondensatoren eher kleine Tassen mit einer weiten Öffnung. Der Füllvorgang verläuft schnell, doch das Fassungsvermögen ist vergleichsweise klein. Beide Technologien werden häufig in Kombination eingesetzt, um sich die jeweiligen Vorteile zunutze machen zu können. Bei einem Elektroauto fangen Superkondensatoren beispielsweise die Bremsenergie schnell auf und geben sie später an die langsameren Batterien zur Speicherung weiter. Auch in Solarfarmen und Windkraftanlagen sowie in Industriemaschinen, die zuweilen schnell viel Strom brauchen, finden sich Superkondensatoren. Sie können auch als eine Art Puffer dienen, indem Verbrauchs- oder Produktionsspitzen von Strom abgefedert werden.

Energiedichte erhöhen

Das Forscherteam hat sich zum Ziel gesetzt, diese allgegenwärtigen «Schnellspeicher» zu verbessern, indem sie neuartige Elektroden aus Graphen entwickeln. Aufgrund der zweidimensionalen Form des Kohlenstoffs sollen die Superkondensatoren wesentlich höhere Energiedichten erreichen. Ähnlich wie bei Batterien besteht ein Superkondensator aus zwei Elektroden, die von einem flüssigen Elektrolyten umgeben sind. Elektrolyte sind im weitesten Sinne Stoffe, die zumindest teilweise als Ionen vorliegen. Zu den wichtigsten Elektrolyten gehören etwa Säuren, Basen oder Salze.

Oberfläche der Elektrode vergrössern

Beim Laden und Entladen transportiert der Elektrolyt die Ionen als Ladungsträger von einer Elektrode zur anderen. Anders als bei der Batterie finden dabei jedoch keine chemischen Reaktionen statt. «Superkondensatoren speichern die Energie elektrostatisch, indem sie so viele geladene Teilchen wie möglich auf der Elektrode ablagern», erklärt Jakob Heier, Leiter der Forschungsgruppe «Functional Thin Film Solution Processing» im Labor für Funktionspolymere, zu der auch Sina Azad gehört. Der Ansatz der Wissenschaftler war es somit, mehr Ionen an den Elektroden anzulagern. Denn je grösser die Oberfläche der Elektrode ist, desto mehr Ionen können daran «andocken» und desto höher ist demzufolge die Energiedichte des Superkondensators.

Nachteilige Aktivkohle

Heute wird laut Empa-Forscher Vahid Charkesht meist Aktivkohle als Elektrodenmaterial verwendet. Allerdings hat das hochporöse Material eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit, was die Speicherkapazität der Elektrode einschränkt. Ein weiterer Nachteil zeigt sich bei der Verarbeitung des Materials. Elektroden werden in der Industrie in einem sogenannten Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf flexible Folien aufgedruckt, geschnitten und zu fertigen Superkondensatoren zusammengerollt. Um die pulverförmige Aktivkohle auf ein Trägermaterial drucken zu können, wird sie mit Bindemitteln und weiteren Zusatzstoffen versehen, die ihre Porosität beeinträchtigen.

Superkondensator mit Graphen

Quelle: Empa

Graphen-Elektrode für einen Superkondensator.

Deshalb nahmen die Wissenschaftler Graphen ins Visier, einer Modifikation von Kohlenstoff mit zweidimensionaler Struktur. Doch mit herkömmlichen Methoden ist oft nur eine sehr geringe Ausbeute reinen Graphens möglich, das zudem noch aufwändig von Abfallprodukten getrennt werden muss.

Sprunghafter Anstieg der Energiedichte

Reines Graphen für industrielle Anwendungen wird meist aus Graphit gewonnen. Hier kam dem Empa-Team zupass, dass auf Basis eines früheren Forschungsprojekts ein Verfahren entwickelt wurde, mit dem sich hochwertiges Graphen kostengünstig und effizient aus Graphit herstellen und zu einer gelförmigen druckbaren Tinte verarbeiten lässt.
Diese Graphen-Tinte bietet einen entscheidenden Vorteil bei der Produktion von Supercap-Elektroden. Durch eine geschickte Mischung zweier unterschiedlicher Graphen-Arten können die Forschenden die Grösse der Poren zwischen den Graphen-Schichten gezielt beeinflussen. «Wenn wir die Porengrösse der Elektrode auf die Grösse der Ionen im Elektrolyten abstimmen, steigt die Energiedichte des Superkondensators sprunghaft an», erklärt Azad. Bei Aktivkohle ist keine derartige Kontrolle möglich.

Superkondensator mit Graphen

Quelle: Empa

Sina Azad, Vahid Charkesht und Jakob Heier mit einer Elektrode aus Graphen. Die neuartigen Elektroden lassen sich im Rolle-zu-Rolle-Verfahren in industriellem Massstab herstellen.

Beim Forschungsvorhaben lag das Augenmerk von Anfang an auf der Skalierbarkeit. Das Forschungsteam setzte daher von Beginn weg auf Materialien und Prozesse, die sich auch im industriellen Massstab umsetzen lassen und nicht nur unter Laborbedingungen funktionieren. Ihr Projekt wird deshalb im Rahmen von «Bridge» unterstützt, ein gemeinsames Förderprogramm des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Innosuisse.

Produkt entwickeln und auf den Markt bringen

Mit der hohen Leitfähigkeit, der präzisen Porengrösse und der grossen Oberfläche dürften die neuartigen Elektroden ein High-Tech-Produkt werden. «Am Ende des Projekts wollen wir unsere Technologie auf den Markt bringen, entweder mit Industriepartnern oder über ein eigenes Spin-off», sagt Jakob Heier. Patente lägen bereits vor.
Das Projekt läuft noch bis 2028. Bis dahin gibt es jedoch noch viel zu tun. Graphen zu drucken könnte eine Herausforderung sein. Nachdem sich die Forschung bisher darauf konzentrierte, die Technologie für die Elektroden zu entwickeln, sollen diese in einem weiteren Schritten auch hergestellt und in funktionierende Prototypen von Superkondensatoren eingebaut werden. «Wir wollen ein echtes, zuverlässiges Produkt entwickeln», resümiert Azad.  (mgt/sts)

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