Hyperloop: Schweizer Forscher treiben den Vakuum-Zug voran
In zwei Stunden von Mailand nach Hamburg fahren – das will die Schweizer Stiftung «EuroTube» mit dem sogenannten Hyperloop ermöglichen. Das Hochgeschwindigkeitssystem soll Menschen und Güter in Zukunft schnell, leise und emissionsarm durch Röhren transportieren.
Die Idee, Güter und Menschen in Höchstgeschwindigkeit durch
Röhrensysteme zu transportieren, spukt schon seit langer Zeit durch die Köpfe
unzähliger Ingenieure weltweit – man denke nur an die Rohrpost. Bereits Anfang
des 19. Jahrhunderts hatte
ein britischer Ingenieur die Idee der Fortbewegung ohne Luftwiderstand in einer
evakuierten Röhre. Hyperloop, wie die Technologie
heute weltweit heisst, steht und fällt mit dem
Vakuum in der Röhre: Es reduziert den Luftwiderstand.
Ein Magnetschwebeantrieb hebt zusätzlich die
Reibung des Fahrzeugs – Pod genannt – auf.
«SwissMetro» in den 1970er-Jahren
Auch die Schweiz war dem System schon früh auf der Spur: in
den 1970er-Jahren, als die Menschen mit der «SwissMetro» in wenigen Minuten von
einer zur anderen hiesigen Grossstadt reisen sollten. Das Projekt wurde jedoch
schlussendlich zugunsten anderer Verkehrsprojekte aufgegeben.
Selbst Elon Musk versuchte sich kurzzeitig am Hyperloop. Die
Namensgebung des Hochgeschwindigkeits-Verkehrssystems wird übrigens ihm
zugeschrieben. Nach dem Ende der von Musk organisierten «Hyperloop Pod
Competition», bei der Studententeams aus der ganzen Welt auf der eigens dafür
gebauten, 1,6 Kilometer langen «SpaceX»-Teststrecke in Kalifornien mit ihren
Prototypen gegeneinander antraten, entstanden Start-Ups und universitäre
Forschungsgruppen mit genug Ansporn, um daran weiterzuforschen.
«In den USA wurde auf einer 150 Meter langen Testfahrt mit
Passagieren bewiesen, dass die Hyperloop-Technik funktioniert», erörtert
Antoine Juge aus Genf, Geschäftsführer der 2019 gegründeten
«EuroTube»-Stiftung. Dass die Technologie trotz historischem Vorlauf,
engagierten Tüftlern und bekannten Personen wie Musk noch nirgends auf der Welt
als Verkehrsmittel zum Einsatz kommt, liegt laut der Stiftung vor allem am
Faktor Infrastruktur: Ein Grossteil der Kosten fällt für den Bau der
zukünftigen Hyperloop-Strecken an.
Quelle: zvg
So soll die DemoTube-Anlage in Dübendorf nach der Fertigstellung aussehen. Dazu gehört auch eine 120-Meter Hyperloop-Teststrecke (im Hintergrund).
Schweizer treiben Forschung voran
Die Schweizer Non-Profit-Forschungsorganisation koordiniert
ihre Arbeit mit Forschern verschiedener Universitäten und Start-Ups in ganz
Europa. Um besser und schneller voranzukommen, arbeiten die Teams der
verschiedenen Standorte an unterschiedlichen Komponenten eines
Hyperloop-Systems. Die Schweizer Forscher befassen sich mit der
Infrastruktur.
EuroTube will mit dem Bau der Testanlage «DemoTube» die
nötigen Technologien entwickeln und in der Praxis erproben, mit denen sich
günstigere und nachhaltigere Röhrensysteme für den Hyperloop bauen lassen. Vor
einem Jahr hat die Stiftung ihren Hauptstandort auf dem Gelände des Innovation
Park Zürich in Dübendorf eröffnet. «Dass EuroTube seinen Hauptsitz in der
Schweiz hat, ist durchaus sinnvoll bei einem Land mit einer solch grossen
Infrastrukturbau- und Eisenbahn-Tradition», sagt EuroTube-Sprecher Steffen
Hartmann dem Baublatt bei der Besichtigung der sogenannten «Smart Mobile
Factory» – mehr dazu später.
Teststrecke und Infrastrukturlabor
In Dübendorf entstehen eine Teststrecke und ein
Infrastrukturlabor. Vakuumsystem und Luftschleuse, bestehend aus einer acht
Meter langen Kammer mit Ventil, sowie Container mit Kontroll- und Drucksystemen
sind bereits installiert. Anlässlich des europäischen Hyperloop-Wettbewerbs,
der letztes Jahr in Dübendorf stattfand, wurde hier ein erfolgreicher
Vakuumtest eines von Studierenden gebauten Hyperloop-Fahrzeugs durchgeführt.
Nun erstellt EuroTube im Innovation Park eine 120 Meter lange Teströhre für die
europäischen Hyperloop-Forscher. Die Röhre besteht aus einzelnen Komponenten,
die in der Smart Mobile Factory gefertigt werden.
Mit 900 Stundenkilometern oder mehr kann ein Pod durch das
Hyperloop-System flitzen, wie Antoine Juge sagt. Das neue Verkehrsmittel soll
europäische Grossstädte verbinden und damit kontinentale Flüge reduzieren. «Bei
einer solchen Geschwindigkeit kann ein Hyperloop-System locker mit einem
Flugzeug mithalten, was die Reisezeit betrifft.» Und es ist nachhaltiger als
der Luftweg, bei dem nach wie vor massenhaft Kerosin verbraucht wird. Selbst
heutige Hochgeschwindigkeitszüge wie der TGV in Frankreich oder der Shinkansen
in Japan verschwenden viel zu viel Energie im Kampf mit Gegenwind und
Reibung.
Quelle: zvg
Von der Demonstrationsanlage «DemoTube» steht mit der Vakuumkammer mit Ventil der erste Abschnitt am Innovationspark in Dübendorf. Hier wurde erfolgreich ein von Studierenden entwickeltes Hyperloop-Fahrzeug einem Vakuumtest unterzogen.
Beton mit Kunststoffdichtung
Eine wichtige Rolle bei der Emissionsbilanz von EuroTube
spielt der verwendete Beton. Verwendung findet unter anderem der von Eberhard
Unternehmungen entwickelte, umweltfreundliche «Zirkulit». Dieser nutzt als
zirkulärer Beton grosse Mengen an rezykliertem Rückbaumaterial, wodurch Zement
eingespart wird. Dazu lässt sich im feinporigen Material zusätzliches
Kohlendioxid binden, was das Endprodukt noch umweltschonender macht.
Weil die Röhren den niedrigen Druck im Inneren halten können
müssen, wird das ansonsten nicht luftdichte Baumaterial Beton bei EuroTube mit
einer Kunststoffdichtung überzogen. Den Betrieb der Infrastruktur plant man
zukünftig mit erneuerbarer Energie – was ebenfalls zur Nachhaltigkeit des
EuroTube-Hyperloops beiträgt.
Ein weiterer grosser Energiesparer soll die Smart Mobile
Factory sein: Die Forschungsanlage besteht neben einem sieben Meter hohen Zelt
aus Containern, Baumaschinen für die Betonverarbeitung sowie einem
Computersystem mit Kameras und einer Vielzahl von Sensoren. Weil die Fabrik in
wenigen Standardcontainern Platz findet, kann sie künftig direkt entlang von
Infrastrukturprojekten an verschiedenen Orten flexibel aufgestellt werden. Die
Rohrleitungen für die europaweit in Entwicklung befindliche Hyperloop-Technologie
können mittels der Smart Mobile Factory schneller, mit weniger CO2-Emissionen
und geringerem Material- und Platzverbrauch gebaut werden.
Die Bausteuerung wird mittels der Sensordaten an einen
digitalen Zwilling gekoppelt, der während des Baus eine kontinuierliche
Optimierung der Materialströme, Prozesse und CO2-Emissionen ermöglicht und
weitgehend ferngesteuert werden kann.
Quelle: zvg
Schalung für die Herstellung von Betonrohrsegmenten. Für Hyperloop hat EuroTube speziell abgedichtete Betonröhren entwickelt, die eine modulare Fabrikation der Infrastrukturkomponenten an der Baustelle selbst ermöglichen soll.
Modulares Betonröhrenkonzept
Weitere Impulse für die Verbesserung der
Infrastrukturtechnologien erhofft sich EuroTube von dem eigens lancierten
Bildungsprojekt «Real-Labor für Infrastrukturbau». Hier bietet die Stiftung
Studierenden und Start-Ups Möglichkeiten, im laufenden Bauprojekt «DemoTube»
eigene Technologien experimentell zu testen und weiterzuentwickeln. Erste
Projekte zu Sensorik, elektrifizierten Baumaschinen und digitalen Tools für
Baustellensicherheit sind bereits in Planung.
Das erklärte Ziel von EuroTube ist es, als Erste ein
modulares, kostengünstiges, lokal produzierbares Betonröhrenkonzept für das
Hyperloop-System in Europa präsentieren zu können und so den Infrastrukturbau
für Verkehrssysteme entscheidend zu vereinfachen.
«Das Ganze braucht viel Überzeugungsarbeit», sagt Hartmann. «Die Leute müssen es wollen.» Wenn das der Fall ist und EuroTube dadurch immer mehr Unterstützung erhält, könnte das Hyperloop-System 2050 in Europa Realität werden, wie Hartmann und Juge schätzen. «Man muss jedoch bedenken, dass in einer solch langen Zeitspanne auch die Wissenschaft grosse Schritte macht, und unsere heutigen Pläne irgendwann ganz anders aussehen könnten.»