15:41 BAUPRAXIS

Hyperloop: Schweizer Forscher treiben den Vakuum-Zug voran

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: zvg

In zwei Stunden von Mailand nach Hamburg fahren – das will die Schweizer Stiftung «EuroTube» mit dem sogenannten Hyperloop ermöglichen. Das Hochgeschwindigkeitssystem soll Menschen und Güter in Zukunft schnell, leise und emissionsarm durch Röhren transportieren.

Die Idee, Güter und Menschen in Höchstgeschwindigkeit durch Röhrensysteme zu transportieren, spukt schon seit langer Zeit durch die Köpfe unzähliger Ingenieure weltweit – man denke nur an die Rohrpost. Bereits Anfang des 19.Jahrhunderts hatte ein britischer Ingenieur die Idee der Fortbewegung ohne Luftwiderstand in einer evakuierten Röhre. Hyperloop, wie die Technologie heute weltweit heisst, steht und fällt mit dem Vakuum in der Röhre: Es reduziert den Luftwiderstand. Ein Magnetschwebeantrieb hebt zusätzlich die Reibung des Fahrzeugs – Pod genannt – auf.

«SwissMetro» in den 1970er-Jahren

Auch die Schweiz war dem System schon früh auf der Spur: in den 1970er-Jahren, als die Menschen mit der «SwissMetro» in wenigen Minuten von einer zur anderen hiesigen Grossstadt reisen sollten. Das Projekt wurde jedoch schlussendlich zugunsten anderer Verkehrsprojekte aufgegeben. 

Selbst Elon Musk versuchte sich kurzzeitig am Hyperloop. Die Namensgebung des Hochgeschwindigkeits-Verkehrssystems wird übrigens ihm zugeschrieben. Nach dem Ende der von Musk organisierten «Hyperloop Pod Competition», bei der Studententeams aus der ganzen Welt auf der eigens dafür gebauten, 1,6 Kilometer langen «SpaceX»-Teststrecke in Kalifornien mit ihren Prototypen gegeneinander antraten, entstanden Start-Ups und universitäre Forschungsgruppen mit genug Ansporn, um daran weiterzuforschen. 

«In den USA wurde auf einer 150 Meter langen Testfahrt mit Passagieren bewiesen, dass die Hyperloop-Technik funktioniert», erörtert Antoine Juge aus Genf, Geschäftsführer der 2019 gegründeten «EuroTube»-Stiftung. Dass die Technologie trotz historischem Vorlauf, engagierten Tüftlern und bekannten Personen wie Musk noch nirgends auf der Welt als Verkehrsmittel zum Einsatz kommt, liegt laut der Stiftung vor allem am Faktor Infrastruktur: Ein Grossteil der Kosten fällt für den Bau der zukünftigen Hyperloop-Strecken an. 

Visualisierung des DemoTube-Testgeländes in Dübendorf

Quelle: zvg

So soll die DemoTube-Anlage in Dübendorf nach der Fertigstellung aussehen. Dazu gehört auch eine 120-Meter Hyperloop-Teststrecke (im Hintergrund).

Schweizer treiben Forschung voran 

Die Schweizer Non-Profit-Forschungsorganisation koordiniert ihre Arbeit mit Forschern verschiedener Universitäten und Start-Ups in ganz Europa. Um besser und schneller voranzukommen, arbeiten die Teams der verschiedenen Standorte an unterschiedlichen Komponenten eines Hyperloop-Systems. Die Schweizer Forscher befassen sich mit der Infrastruktur. 

EuroTube will mit dem Bau der Testanlage «DemoTube» die nötigen Technologien entwickeln und in der Praxis erproben, mit denen sich günstigere und nachhaltigere Röhrensysteme für den Hyperloop bauen lassen. Vor einem Jahr hat die Stiftung ihren Hauptstandort auf dem Gelände des Innovation Park Zürich in Dübendorf eröffnet. «Dass EuroTube seinen Hauptsitz in der Schweiz hat, ist durchaus sinnvoll bei einem Land mit einer solch grossen Infrastrukturbau- und Eisenbahn-Tradition», sagt EuroTube-Sprecher Steffen Hartmann dem Baublatt bei der Besichtigung der sogenannten «Smart Mobile Factory» – mehr dazu später.

Teststrecke und Infrastrukturlabor

In Dübendorf entstehen eine Teststrecke und ein Infrastrukturlabor. Vakuumsystem und Luftschleuse, bestehend aus einer acht Meter langen Kammer mit Ventil, sowie Container mit Kontroll- und Drucksystemen sind bereits installiert. Anlässlich des europäischen Hyperloop-Wettbewerbs, der letztes Jahr in Dübendorf stattfand, wurde hier ein erfolgreicher Vakuumtest eines von Studierenden gebauten Hyperloop-Fahrzeugs durchgeführt. Nun erstellt EuroTube im Innovation Park eine 120 Meter lange Teströhre für die europäischen Hyperloop-Forscher. Die Röhre besteht aus einzelnen Komponenten, die in der Smart Mobile Factory gefertigt werden. 

Mit 900 Stundenkilometern oder mehr kann ein Pod durch das Hyperloop-System flitzen, wie Antoine Juge sagt. Das neue Verkehrsmittel soll europäische Grossstädte verbinden und damit kontinentale Flüge reduzieren. «Bei einer solchen Geschwindigkeit kann ein Hyperloop-System locker mit einem Flugzeug mithalten, was die Reisezeit betrifft.» Und es ist nachhaltiger als der Luftweg, bei dem nach wie vor massenhaft Kerosin verbraucht wird. Selbst heutige Hochgeschwindigkeitszüge wie der TGV in Frankreich oder der Shinkansen in Japan verschwenden viel zu viel Energie im Kampf mit Gegenwind und Reibung. 

Demonstrationsanlage «DemoTube» in Dübendorf

Quelle: zvg

Von der Demonstrationsanlage «DemoTube» steht mit der Vakuumkammer mit Ventil der erste Abschnitt am Innovationspark in Dübendorf. Hier wurde erfolgreich ein von Studierenden entwickeltes Hyperloop-Fahrzeug einem Vakuumtest unterzogen.

Beton mit Kunststoffdichtung 

Eine wichtige Rolle bei der Emissionsbilanz von EuroTube spielt der verwendete Beton. Verwendung findet unter anderem der von Eberhard Unternehmungen entwickelte, umweltfreundliche «Zirkulit». Dieser nutzt als zirkulärer Beton grosse Mengen an rezykliertem Rückbaumaterial, wodurch Zement eingespart wird. Dazu lässt sich im feinporigen Material zusätzliches Kohlendioxid binden, was das Endprodukt noch umweltschonender macht. 

Weil die Röhren den niedrigen Druck im Inneren halten können müssen, wird das ansonsten nicht luftdichte Baumaterial Beton bei EuroTube mit einer Kunststoffdichtung überzogen. Den Betrieb der Infrastruktur plant man zukünftig mit erneuerbarer Energie – was ebenfalls zur Nachhaltigkeit des EuroTube-Hyperloops beiträgt. 

Ein weiterer grosser Energiesparer soll die Smart Mobile Factory sein: Die Forschungsanlage besteht neben einem sieben Meter hohen Zelt aus Containern, Baumaschinen für die Betonverarbeitung sowie einem Computersystem mit Kameras und einer Vielzahl von Sensoren. Weil die Fabrik in wenigen Standardcontainern Platz findet, kann sie künftig direkt entlang von Infrastrukturprojekten an verschiedenen Orten flexibel aufgestellt werden. Die Rohrleitungen für die europaweit in Entwicklung befindliche Hyperloop-Technologie können mittels der Smart Mobile Factory schneller, mit weniger CO2-Emissionen und geringerem Material- und Platzverbrauch gebaut werden. 

Die Bausteuerung wird mittels der Sensordaten an einen digitalen Zwilling gekoppelt, der während des Baus eine kontinuierliche Optimierung der Materialströme, Prozesse und CO2-Emissionen ermöglicht und weitgehend ferngesteuert werden kann. 

Kunststoffabdichtung von Beton für Eurotube

Quelle: zvg

Schalung für die Herstellung von Betonrohrsegmenten. Für Hyperloop hat EuroTube speziell abgedichtete Betonröhren entwickelt, die eine modulare Fabrikation der Infrastrukturkomponenten an der Baustelle selbst ermöglichen soll.

Modulares Betonröhrenkonzept

Weitere Impulse für die Verbesserung der Infrastrukturtechnologien erhofft sich EuroTube von dem eigens lancierten Bildungsprojekt «Real-Labor für Infrastrukturbau». Hier bietet die Stiftung Studierenden und Start-Ups Möglichkeiten, im laufenden Bauprojekt «DemoTube» eigene Technologien experimentell zu testen und weiterzuentwickeln. Erste Projekte zu Sensorik, elektrifizierten Baumaschinen und digitalen Tools für Baustellensicherheit sind bereits in Planung. 

Das erklärte Ziel von EuroTube ist es, als Erste ein modulares, kostengünstiges, lokal produzierbares Betonröhrenkonzept für das Hyperloop-System in Europa präsentieren zu können und so den Infrastrukturbau für Verkehrssysteme entscheidend zu vereinfachen. 

«Das Ganze braucht viel Überzeugungsarbeit», sagt Hartmann. «Die Leute müssen es wollen.» Wenn das der Fall ist und EuroTube dadurch immer mehr Unterstützung erhält, könnte das Hyperloop-System 2050 in Europa Realität werden, wie Hartmann und Juge schätzen. «Man muss jedoch bedenken, dass in einer solch langen Zeitspanne auch die Wissenschaft grosse Schritte macht, und unsere heutigen Pläne irgendwann ganz anders aussehen könnten.»

Geschrieben von

Freie Mitarbeiterin für das Baublatt.

E-Mail

Auch interessant

Anzeige

Firmenprofile

Rollende Werkstatt Kran AG

Finden Sie über die neuen Firmenprofile bequem und unkompliziert Kontakte zu Handwerkern und Herstellern.

Reports

construction-report

Die neuen Baublatt Reports

Neben dem Report Baublatt Project Categories (ehem. Baublatt Analyse), bieten wir ab sofort zwei weitere brandneue Reports als Zusatz. Erfahren Sie hier was Baublatt Top Players und Baublatt Regional Projects zu bieten haben – wie gewohnt digital, prägnant und graphisch auf den Punkt gebracht.

Dossier

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten
© James Sullivan, unsplash

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten

Dieses Dossier enthält die Artikel aus den letzten Baublatt-Ausgaben sowie Geschichten, die exklusiv auf baublatt.ch erscheinen. Dabei geht es unter anderem um die Baukonjunktur, neue Bauverfahren, Erkenntnisse aus der Forschung, aktuelle Bauprojekte oder um besonders interessante Baustellen.

Bauaufträge

Alle Bauaufträge

Newsletter abonnieren

newsico

Mit dem Baublatt-Newsletter erhalten Sie regelmässig relevante, unabhängige News zu aktuellen Themen der Baubranche.