10:04 BAUPRAXIS

Unesco-Weltkulturerbe: Das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth

Teaserbild-Quelle: Achim Bunz © Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de

Im Absolutismus versuchten sich die Adelshäuser mit aufsehenerregenden Bauten gegenseitig zu übertrumpfen. Meist wurden solche in akkordartiger Serienfertigung erstellten Festarchitekturen wieder abgerissen. Mit einer Ausnahme: Dem Markgräflichen Opernhaus im deutschen Bayreuth.

Die Fremdenführer können darauf wetten: Aus jeder Besuchergruppe, die aus der kahlen, weiss gestrichenen Vorhalle ins Logenhaus des Markgräflichen Opernhauses tritt, ertönen spontane «Ohs» und «Ahs». Die überwältigende, schier überschiessende barocke Pracht des Innenraums, gestaltet vom berühmtesten Theaterbaumeister seiner Zeit, lässt niemanden unbeeindruckt. Kein Wunder ist das Opernhaus Unesco-Weltkulturerbe. Aber es ist ein Wunder, dass es noch existiert. Es sollte einst als Kulisse für eine Fürstenhochzeit dienen und keineswegs die Jahrhunderte überstehen.

Windige Architektur

«Im Prinzip ist das ganze Logenhaus des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth recht windige Architektur. Alles ist aus Holz schnell zusammengesteckt und bestimmt nicht für die Ewigkeit gemacht», stellt Alexander Wiesneth fest. Er ist Oberkonservator bei der Bayerischen Schlösserverwaltung und gehört zu denjenigen, die das Haus nach einer mehrjährigen, aufwendigen Sanierung vom Dachstuhl bis zum Keller kennen.
Das Logenhaus entstand in einer ausgefeilten Fertigbauweise. Während der Zeit die es dauerte, bis Aussenmauern und Dach fertig waren, fertigte man die Inneneinrichtung andernorts mehr oder weniger seriell vor. Im Fall des Opernhauses ist bekannt, dass dessen Dach erst im Laufe des Dezember 1747 mit Schiefer fertig eindeckt war. Der Innenausbau begann direkt danach. Er war im Mai 1748 schon «fast vollendet», wie die Bauherrin, Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth begeistert in einem Brief festhielt.

Blick aus dem Logengebäude auf die Fürstenloge, die das Markgrafenpaar allerdings so gut wie nie benutzte. Es verfolgte das Geschehen auf der Bühne gewöhnlich  auf eigens in den Raum gestellten Sesseln in der ersten Reihe des Parketts.

Quelle: Alexandra von Ascheraden

Blick aus dem Logengebäude auf die Fürstenloge, die das Markgrafenpaar allerdings so gut wie nie benutzte. Es verfolgte das Geschehen auf der Bühne gewöhnlich auf eigens in den Raum gestellten Sesseln in der ersten Reihe des Parketts.

In nur etwa fünf Monaten also hatten Giuseppe Galli Bibiena und sein Sohn Carlo ein hölzernes Logenhaus mit drei Zuschauerrängen samt der nötigen Zugänge im Gebäude installiert. «Das war nur dank der umfangreichen Vorarbeiten möglich, die fast schon akkordartiges Vorgehen angenommen haben müssen. Die komplette Innenausstattung musste vor Ort lediglich noch wie ein gigantisches Puzzle zusammengesetzt werden», erzählt der Oberkonservator. «Wir haben bei der Renovierung sogar noch den in Originalgrösse in den Steinboden geritzten Grundriss des Logengebäudes gefunden.» So stellte Galli Bibiena sicher, dass alles am vorgesehenen Ort aufgebaut wurde.

In der nahe gelegenen Kaserne wurden Pilaster, Säulen, Treppenstufen und Balustraden geschreinert, bemalt und mit Zeichen versehen, die ihre Position bei der Endmontage angaben. Nach der Fertigstellung ging man nochmals mit Pinsel und Farbe durch das gesamte Logenhaus, fügte Höhungen zu, retuschierte wo nötig – und schon schien das Ganze aus einem Guss. «Die Malerei täuscht differenzierte Übergänge in der Architektur vor und überspielt die grobe Stufung der zugrundeliegenden Holzbauweise. Große Effekte wurden mit geringen Mitteln erzielt und die Lichtführung konsequent durchgehalten.», stellt Diplom-Restauratorin Melissa Speckhardt klar, die die restauratorische Co-Fachbauleitung inne hatte.

Im September 1748 musste Galli-Bibiena mit allem fertig sein. Da waren die fast zweiwöchigen Hochzeitsfeierlichkeiten angesetzt. Opern und Bankette reihten sich aneinander und da die musisch begabte Markgräfin als preussische Prinzessin geboren und zudem Schwester Friedrichs des Grossen war, fand sie im neuen Opernhaus einen angemessenen Ort für ihre repräsentativen Ansprüche. Dieser und andere ihrer Bauten wie ihr neues Stadtschloss oder diverse Lustschlösschen vermochten die kleine, rural geprägte Markgrafschaft auch an den Rand des Ruins bringen. Bis zu ihrem Tod, zehn Jahre später, hielt sie sich ein Opernensemble, komponierte und wirkte als Intendantin und Librettistin. Der längst schon äusserst klamme Markgraf entliess die Künstler kurzerhand und nutzte das Opernhaus kaum noch. Die markgräfliche Linie erholte sich von den Schulden nie mehr. Zwei Generationen später fiel die Markgrafschaft an das Königreich Preussen, die sie wenig später an Bayern verkaufte.

Das Markgräfliche Opernhaus im deutschen Bayreuth von Aussen.

Quelle: Thomas Köhler © Bayerische Schlösserverwaltung www.schloesser.bayern.de

Das Markgräfliche Opernhaus im deutschen Bayreuth von Aussen.

Dornröschenschlaf

So hat das prächtige Gebäude die folgenden 260 Jahre in einer Art Dornröschenschlaf verbracht. Es war mit 800 Plätzen viel zu gross für die kleine Provinzstadt, die zur Bauzeit gerade mal 3000 Einwohner hatte. Der riesige Raum war zudem kaum heizbar. Man musste alle Öfen bereits vier Wochen vor der Vorstellung anheizen und ununterbrochen in Betrieb halten, um eine ansatzweise erträgliche Temperatur zu schaffen. Und die drei Zuschauerränge plus die für damalige Zeiten gigantische Bühne mit Talglichtern und teuren Kerzen angemessen zu beleuchten – das war kaum zu finanzieren. So kam das Gebäude unversehrt über die Jahrhunderte, fiel keinem der wegen der offenen Beleuchtung häufigen Theaterbrände zum Opfer, wurde nie dem Zeitgeschmack angepasst und war auch nie derart im Weg, dass man darüber nachgedacht hätte, es abzureissen. So steht es noch heute, obwohl es, wie im Barock gängig, von Anfang an als «ephemerer», also vergänglicher Bau konzipiert war. Es ist heute tatsächlich das letzte seiner Art. Oder, wie die Unesco 2012 anlässlich der Aufnahme auf die Liste des Weltkulturerbes festhielt; «das weltweit bedeutendste und besterhaltene Beispiel barocker Theaterarchitektur.»

Direkt nach der Aufnahme wurde das Haus erst einmal mehrere Jahre für die nötige, lange aufgeschobene substanzerhaltende Sanierung geschlossen, auch Brandschutz, Heizung und Klimaanlage mussten dringend völlig neu installiert werden.

Ein eiserner Vorhang

Die Brandgefahr war auch den barocken Zeitgenossen bewusst. Bei den Renovierungsarbeiten wurden ein bauzeitlicher Brunnen sowie ein Löscheimer aus dem 18. Jahrhundert gefunden – mit dem man wohl wenig hätte ausrichten können. Der Brand des Wiener Ringtheaters von 1881 mit fast 400 Toten löste in ganz Europa eine Renovierungswelle aus, da man erkannte, wie unerlässlich Brandschutzvorkehrungen sind. Auch in Bayreuth wurde man aktiv und schloss das Haus ans städtische Wasserleitungsnetz an. Zudem investierte man in mehrere Hydranten. Auf der Bühne wurde ein «Regenapparat» installiert und 1886 baute man noch steinerne Fluchttreppenhäuser für die oberen Rängen ein. Den ebenfalls von den Behörden geforderten eisernen Vorhang aber mochte man nicht auch noch finanzieren. Der wurde erst 1935 angeschafft.

Mit der aktuellen Renovierung wurde ein neuer, zweigeteilter eiserner Vorhang installiert. «Er schliesst die 10 Meter hohe und 12 Meter breite Bühnenöffnung in dreissig Sekunden feuersicher», erläutert Bernd Schilling, während er das Baublatt durch den dreigeschossigen Dachstuhl führt. Schilling überwacht als technischer Mitarbeiter die komplette Haustechnik.

Blick aus dem Logenhaus aufs Deckengemälde, das vorgefertigt wurde. Dafür wurde Leinen auf Holzrahmen gespannt, bemalt, vor Ort zu einem Ganzen zusammengenäht und mit Eisenbändern an die Zerrbalkenlage des Dachwerks angehängt.

Quelle: Alexandra von Ascheraden

Blick aus dem Logenhaus aufs Deckengemälde, das vorgefertigt wurde. Dafür wurde Leinen auf Holzrahmen gespannt, bemalt, vor Ort zu einem Ganzen zusammengenäht und mit Eisenbändern an die Zerrbalkenlage des Dachwerks angehängt.

Einzigartiger Dachstuhl

Dieser Dachstuhl ist eine typische barocke Hängewerkskonstruktion, die über 25 Meter freitragend ist. «Man muss sich erst einmal trauen, das Holz so zu verarbeiten», würdigt Alexander Wiesneth. «Es ist keine Verbundkonstruktion, obwohl man das erwarten würde. Der Zimmerer hat mutig die maximalen Stammlängen gewählt, die er bekommen konnte und ging damit an die absoluten Grenzen des technisch Machbaren.» Manche Balken konnten nicht einmal mehr bis zum Ende kantig «bebeilt» werden, ohne dass die Stabilität gelitten hätte. Die notgedrungen rund belassenen Zopfenden waren teilweise kaum für die nötigen Konstruktionsverbindungen zu bearbeiten. «Das bautechnisch gewagte Werk ist im Denkmalbestand in Deutschland einzigartig», erläutert Oberkonservator Alexander Wiesneth anerkennend.

Der Zimmerer hatte allerdings auch keine Wahl: Die Markgräfin wünschte einen riesigen Zuschauerraum ohne störende Stützen und zudem eine der grössten Bühnen der damaligen Zeit mit 180 Quadratmeter Spielfläche – und die bekam sie. Dafür musste der Hofzimmerer an die Grenze des technisch Machbaren gehen. Nur durch sein mutiges Vorgehen liess sich die atemberaubende Raumwirkung erzielen, die der Markgräfin vorschwebte – und die bis heute ihre Kraft behalten hat.

Brandschutz fürs Dach

Um also diesen von der Unesco ausdrücklich als schutzwürdig beurteilten Dachstuhl vor Feuer zu schützen, wurde eine Hochdrucknebellöschanlage installiert. Sie arbeitet mit Druckluft auf 200 bar und löscht mit geringen Mengen Wasser einen Brand bereits in der Entstehungsphase. Im Prinzip versprüht sie eine Art Wassernebel, der das Feuer erstickt. Zudem arbeitet sie mit Dreimelderabhängigkeit, um Wasserschäden durch Fehlalarme zu unterbinden. Sie löst erst aus, wenn zwei Rauchmelder angehen und der Druck im Rohrnetz abfällt, weil Glasabdeckungen durch Hitzeeinwirkung springen.

«So hoffen wir, Löschwasserschäden zu minimieren. Grössere Mengen Wasser würden das darunter liegende hölzerne Logenhaus irreparabel schädigen. Deshalb hat man dort sogar auf die Installation einer Löschanlage verzichtet», erklärt Schilling. Auch die Bühnenhaus-Sprühflutanlage arbeitet mit Dreimelderabhängigkeit. Sie ist in fünf Löschgruppen unterteilt. Und sogar der eiserne Vorhang hat eine eigene zur Kühlung, damit er im Brandfall möglichst lange durchhält. «Wenn eine Löschgruppe aktiv wird, wird automatisch der eiserne Vorhang mit Löschwasser geflutet, sobald er ganz heruntergefahren ist», so Schilling.

Die Hauptgefahr für einen Brand sahen die Fachleute unter modernen Bedingungen im Dachstuhl und nicht mehr auf der Bühne wie zu Zeiten des Barock. Entsprechend haben sie den Brandschutz ausgelegt. Ins Dach über dem Zuschauerraum wurden zudem vier Rauch- und Wärmeabzüge eingebaut, die im Brandfall geöffnet werden und den Rauch abziehen lassen.

Um den historischen Dachstuhl des Opernhauses vor möglichem Feuer zu schützen, wurde eine Hochdrucknebellöschanlage installiert, die im Ernstfall Wassernebel versprüht. 

Quelle: Alexandra von Ascheraden

Um den historischen Dachstuhl des Opernhauses vor möglichem Feuer zu schützen, wurde eine Hochdrucknebellöschanlage installiert, die im Ernstfall Wassernebel versprüht. 

Mit dem Wagenheber am Dach

Der massive Renovierungsbedarf am Dachstuhl wurde erst ersichtlich, als man dort das Isolationsmaterial entfernt hatte. An der Mauerkrone war Wasser eingedrungen. Deshalb mussten einige Balken neu angeschuht werden. Das grösste Problem war aber, dass sich das Dach teilweise um zwanzig Zentimeter gesenkt hatte, weil sich an manchen Stellen auch die Fusspunkte gelöst hatten. So musste man das Dach abdecken, auf der Bühne eine Plattform errichten von der aus man das Dach erreichen konnte und den Dachstuhl in einer aufwendigen Aktion mit Wagenhebern und Hebegeschirren behutsam wieder anheben. Die Anschlüsse wurden wo nötig wieder angepasst und fehlerhaft ausgeführte Korrekturen der vergangenen Jahrhunderte entfernt. Oberkonservator Alexander Wiesneth meint anerkennend: «Die Balken haben die Rückverformung mit ihren 270 Jahren tadellos mitgemacht. Welches andere Material hätte das überstanden?»

Sorgenkind Raumklima

Ein weiteres Sorgenkind des Opernhauses war die Klimatisierung. In den 1970ern hatte man eine, wie man heute weiss, nicht ideal konzipierte Klimaanlage eingebaut. Sie führte bald zu sichtbaren Schäden an Malerei und Vergoldung. «Die Luft wurde zu trocken und damalige Versuche, die Malschicht zu festigen und abstehende Schollen mit Bindemitteln zu überstreichen, vergrösserten teilweise das Problem. Diesen Prozess mussten wir rückgängig machen.», so Melissa Speckhardt. Die Restauratoren haben 80 000 Arbeitsstunden darauf aufgewendet, Übermalungsschichten mit Lösungsmittel zu entfernen und die originalen Schichten dort, wo sie sich gelöst hatten, wieder zu festigen. Der Farbe hatte zudem der Holzschutzwahn der 1960er Jahre zugesetzt. Damals hatte man das komplette Logenhaus gründlich mit einem öligen Holzschutz mit PCP- und Lindan-haltigen Wirkstoffen besprüht. In den Skulpturen waren zusätzlich zahlreiche Injektionsbohrungen vorgenommen worden.

«Wir wissen aus Quellen von 20 000 Bohrlöchern in Ornamenten und Skulpturen», erzählt Speckhardt. Das prächtige, eigentlich in hellen Farben gehaltene Logenhaus wurde nach dieser Behandlung bald von einem düsteren dunkelgrün-glänzenden Farbton beherrscht. Erst jetzt, nach der Restaurierung, ist die ursprüngliche Fassung wiederhergestellt, bei der Hellgrün und Blau dominieren. Ein leichter Gelbstich aber blieb. Ganz wird man das Öl nicht mehr los.

Die nicht mehr völlig reversible Holzschutzbehandlung musste auch bei der neuen Klimaanlage berücksichtigt werden. «Wir blasen ständig zwanzig Prozent Frischluft in den Zuschauerraum, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren. Auf der Bühne wird die Luft dagegen nur gewälzt», erläutert Haustechniker Schilling. «Bei Veranstaltungen messen wir ständig den CO2-Anteil und erhöhen nötigenfalls den Frischluftanteil, so dass wir 800 ppm nicht überschreiten», so Schilling weiter. Die Abkürzung ppm steht für «parts per million». Er ist stolz auf einen weiteren Wert: «Wir schaffen es, wie vom Denkmalschutz gewünscht, konsequent 51 Prozent Luftfeuchtigkeit im Raum zu halten.» Das vermeidet Schadenspotential durch Quellen und Schwinden des Holzes. Der Haustechniker zeigt sich zufrieden: «Die Klimaanlage arbeitet zuverlässig gegen Klimaveränderungen durch Besuchergruppen an. Auch die Hitze der Scheinwerfer bekommen wir damit gut in den Griff.»

Haustechnik über Nacht schrottreif

Eine höchst unerfreuliche Überraschung gab es während der Renovierung leider auch. Wenige Monate nachdem die leistungsfähige, aufs Opernhaus massgeschneiderte Haustechnik mit der Steuerung für Klima- und Lüftungsanlage im Keller installiert war, wurde sie über Nacht schrottreif.

Das kam so: Bis zu dieser Bauphase wurde eine alte Hauptwasserleitung im Keller am Netz gelassen, um sie im Notfall für die Löschwasserversorgung zu nutzen. Sie sollte in wenigen Tagen abgeschaltet werden. Kurz davor aber gab es in einer Samstagnacht, als niemand im Haus war, einen Schlag. Eine Million Liter Wasser fluteten den Keller, das benachbarte Café und die angrenzende Synagoge. Irgendwann ging zum Glück die Brandmeldeanlage los und die Feuerwehr rückte mit Pumpen an. «Das Wasser stand mannshoch im Keller. Es hat uns die millionenteuren Anlagen eingedrückt als wären es Blechdosen», berichtet der Techniker. Immerhin erlitt die historische Bausubstanz keinen Schaden.

Man hoffte lange, Teile der teuren Technik wieder in Betrieb nehmen zu können. «Schlussendlich musste alles nochmals neu installiert werden. Keiner wollte eine Garantie übernehmen, dass nicht später doch etwas korrodiert und etwa das ehemals geflutete Notstromaggregat ausfällt, das notfalls Entrauchungsanlage, Notbeleuchtung und Sprinkleranlage am Laufen halten muss. Oder dass sich in der Lüftungszentrale nicht womöglich irgendwann Schimmel bildet», fasst Schilling zusammen.

Wenigstens die Heizung hatte wenig abbekommen und ging bald wieder in Betrieb. Und die provisorische Lüftungsanlage war noch nicht abgebaut, so dass Belüftung und Klimatisierung weitergeführt werden konnten. Dennoch verschob sich die Wiedereröffnung des Opernhauses um ein Dreivierteljahr nach hinten. Den Schaden schulterte der Freistaat Bayern übrigens selbst. Denn für ihn gilt das so genannte «Selbstversicherungsprinzip». Er schliesst grundsätzlich keine Versicherung für derartige Gebäude ab, da es wirtschaftlicher ist, Schäden selbst zu tragen.

Blick auf die für damalige Verhältnisse gigantische Bühne mit einer Rekonstruktion von Kulissen aus der Zeit kurz nach dem Bau.

Quelle: Alexandra von Ascheraden

Blick auf die für damalige Verhältnisse gigantische Bühne mit einer Rekonstruktion von Kulissen aus der Zeit kurz nach dem Bau.

Geschichte des Markgräflichen Opernhauses

Bayreuth, Markgräfliches Opernhaus, Innenansicht nach der Restaurierung. Gesamtansicht des Zuschauerraums, Blick in Richtung Bühne von der Fürstenloge aus.

Quelle: Achim Bunz © Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de

Bayreuth, Markgräfliches Opernhaus, Innenansicht nach der Restaurierung. Gesamtansicht des Zuschauerraums, Blick in Richtung Bühne von der Fürstenloge aus.

Das Markgräfliche Opernhaus ist ein Meisterwerk der barocken Theaterarchitektur. Es wurde vom bekanntesten Theaterbaumeister seiner Zeit, Giuseppe Galli-Bibiena, errichtet. Es sollte mit der Pracht der bestausgestatteten Opernhäuser seiner Zeit wie Wien oder Dresden konkurrieren. Als unabhängige Oper, die nicht, wie im Barock üblich, Teil eines Schlosskomplexes war, markierte das Bayreuther Opernhaus einen Wendepunkt und nahm die Stadttheater späterer Jahrhunderte vorweg. Heute ist es das grösste freistehende Barocktheater, das in seiner Originalsubstanz erhalten ist.

Bauherren waren Markgraf Friedrich von Bayreuth (1711-63) und seine Frau Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth (1709-58), die Lieblingsschwester Friedrichs des Grossen. Die Einweihung erfolgte im September 1748 anlässlich der mehrtägigen Hochzeitsfeierlichkeiten ihrer einzigen Tochter Prinzessin Elisabeth Friederike Sophie mit Herzog Carl II. Eugen von Württemberg. Nach den Festlichkeiten verfügte die Markgräfin endlich über ein passendes Gebäude für ihre beträchtlichen musikalischen Ambitionen. Die kunstliebende Markgräfin holte Schauspieler, italienische Sänger und Musiker nach Bayreuth, komponierte und schauspielerte auch selbst. Bau und Betrieb der Oper verschlangen enorme Summen an Geld. Zehn Jahre nach Fertigstellung des Opernhauses starb Wilhelmine. Der Markgraf stellte den Opernbetrieb umgehend ein und das Haus überdauerte fortan die Jahrhunderte im Dornröschenschlaf und wurde nur noch sporadisch von durchziehenden Wandertheatern bespielt.

Auch den deutschen Komponisten Richard Wagner verschlug es wegen dieses Opernhauses nach Bayreuth. Er reiste an, weil er von dessen berühmter Akustik und der grossen Bühne gehört hatte. Da es ihm dennoch für seine ehrgeizigen Pläne eigener Festspiele ungeeignet erschien, ermöglichten ihm die Stadtväter eilig den Bau eines eigenen Festspielhauses auf dem Grünen Hügel in Bayreuth. Dort werden seitdem die alljährlichen Richard-Wagner-Festspiele ausgerichtet.

Seit 2012 gehört das Markgräfliche Opernhaus zum Unesco-Weltkulturerbe, da es ein «einzigartiges Monument der europäischen Fest- und Musikkultur des Barock» ist. Tatsächlich ist es sogar das letzte seiner Art. Im vergangenen Jahr wurde es nach einer mehrjährigen, 30 Millionen Euro teuren Renovierung, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Führungen finden mehrmals täglich statt. Theateraufführungen gibt es aus konservatorischen Gründen aber nur noch im Sommer. (ava)

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Regelmässige freie Mitarbeiterin für das Baublatt. Ihre Spezialgebiete sind Raumplanung, Grünräume sowie Natur- und Umweltthemen.

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