08:21 BAUPRAXIS

Nachhaltig, doch kaum bekannt: Dämmen mit Schaumglas

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Owens Corning

Schaumglas ist ein hocheffizienter Dämmstoff, der chemisch betrachtet nahezu ausschliesslich aus Glas besteht. Entsprechend besitzt das Material identische Eigenschaften in Sachen Säurefestigkeit, Masshaltigkeit und Langlebigkeit. Ein Besuch beim Hersteller Owens Corning in Belgien.

Schaumglas-Block in Detailansicht

Quelle: Owens Corning

Dämmstoff mit vorteilhaften Eigenschaften: Schaumglas-Block in Detailaufnahme.

Schaumglas ist ein hocheffizienter, anorganischer Dämmstoff. Gemessen an seinen hervorragenden physikalischen Eigenschaften, ist er allerdings viel zu unbekannt. Erfunden und patentiert wurde das Material bereits 1933. Vier Jahre später gründeten die Pittsburgh Plate Glass Company und Corning Glass Works – zwei führende US-amerikanische Unternehmen der Glasindustrie – die Pittsburgh Corning Corporation. Sie fokussierte fortan auf die Herstellung des besagten Schaumglases. 1942 kam der Dämmstoff unter dem Namen «Foamglas» zur Marktreife. Auf industriellem Niveau wurde der Dämmstoff erstmals in Port Allegany, Pennsylvania (USA) produziert. 

Aus gutem Grund in Belgien

Seine weitgefächerten Anwendungsmöglichkeiten verhalfen dem neuen Dämmmaterial schnell zu beachtlichen Erfolgen. Ab 1957 wurden Foamglas-Produkte auch nach Europa exportiert. Aufgrund der starken Nachfrage im Land wurde schliesslich auch in Belgien die Schaumglas-Produktion lanciert. 1965 ging dafür das logistisch günstig am Albert-Kanal gelegene Produktionswerk in Tessenderlo in Betrieb. Tessenderlo liegt etwa auf halbem Weg zwischen dem Überseehafen Antwerpen und dem Industriezentrum Lüttich.

Schaumglas, die Fabrik in Tenderlo (Belgien).

Quelle: Owens Corning

Seit 60 Jahren wird hier Schaumglas hergestellt: das Produktionswerk im belgischen Tessenderlo, das seit 2017 dem Bauprodukte-Hersteller Owens Corning aus den USA gehört.

Im Jahr 2017 wurde die Pittsburgh Corning Corporation von Owens Corning übernommen, einem führenden Anbieter von Bauprodukten, der sich mittels Materialinnovationen für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. Das Unternehmen mit Sitz in Toledo, Ohio, USA, beschäftigt mehr als 25'000 Mitarbeitende in 31 Ländern.

Ökologische Ausgangsstoffe

Der anorganische Dämmstoff wird aus Recycling-Glas und natürlichen Rohstoffen hergestellt, weshalb das Produkt einen beachtlichen ökologischen Beitrag leistet. Der durchschnittliche Recyclinganteil der Foamglas-Produkte beträgt 50 Prozent. Ausserdem ist es frei von ozonschädigenden Treibhausgasen, Flammschutz- sowie Bindemitteln.

Bei seiner Herstellung wird zunächst in einem Schmelzprozess aus Recycling-Glas, Sand, Dolomit, Kalk, Eisenoxid und weiteren Additiven ein Glas mit genau definierten Eigenschaften gewonnen. Diese Glasschmelze wird als zähflüssiger, noch glühender Hohlstrang nach unten aus dem Hochofen abgeführt und besitzt in diesem Moment die Form eines zähflüssigen Glasschlauchs. Dieser glühende Materialstrahl trifft auf eine mit Wasser benetzte Rinne, die ihn aufnimmt und zu einer Aufrollstation führt, wo er zu einem grossen Knäuel aufgewickelt wird. Dieses wird in regelmässigen Sequenzen von dem fortlaufenden Glasstrang abgenabelt und in eine Kugelmühle eingeführt, wo die kaum erstarrte Glasrohmasse sofort wieder zertrümmert wird. Dieser Zwischenschritt dient dazu, einen maximalen Luftanteil in das Mahlgut einzubringen. 

Schaumglas-Masse in einem Metallkasten

Quelle: Owens Corning

Recyclingglas, Sand, Dolomit, Kalk, Eisenoxid und weitere Additive, versetzt mit Kohlenstoff: Aus dieser Mischung entsteht Schaumglas. Dies, wenn sie in Metallkästen gefüllt und für mehrere Stunden in einem Durchlaufofen erhitzt, wird.

In der Folge wird die an gröberen Sand erinnernde Masse in geringer Menge mit Kohlenstoff versetzt und in Metallkästen eingefüllt, die eine Grundfläche von zirka 65 mal 50 Zentimeter und eine Höhe von knapp 25 Zentimetern aufweisen.

Mit diesen Kästen wird ein Durchlaufofen beschickt und die Mischung über mehrere Stunden hinweg zu dem Produkt Foamglas «gebacken». Dabei dient Kohlenstoff als Treibmittel, vergleichbar mit der Hefe beim Brotbacken. Kohlenstoff ist auch die chemische Ursache dafür, dass Foamglas leicht faulig riecht, sofern man es durchbricht. Der Geruch belegt, dass beim Backvorgang Schwefelwasserstoffe entstanden sind. Dass der Geruch sich noch nach Jahren bemerkbar macht, resultiert aus der geschlossen porigen Dämmstoffstruktur in Form von Mikrobläschen, in denen das Gas eingelagert ist. Der Geruch fungiert daher auch als Prüfindiz für gut erhaltenes Material. Bei einer korrekten Anwendung kommt es innerhalb des Schaumglases nämlich zu keiner Diffusion und auch zu keiner Ausdünstung. Erst durch mechanisches Aufbrechen der Mikroblasen wird der Schwefelwasserstoff freigesetzt.

Materialschonende Produktion

Um bei der Foamglas-Produktion deren Dampfundurchlässigkeit zuverlässig zu erzielen, ist es erforderlich, dass die entstandenen Glasbläschen nicht zu schnell erstarren und sie keine Risse bekommen. Deshalb müssen die Rohkörper nach dem Durchfahren des Streckofens sehr langsam auskühlen. Dazu werden die Rohlinge unmittelbar nach Verlassen des ersten Ofens aus ihrer Backform entnommen, um anschliessend durch einen zweiten Streckofen geführt zu werden. Darin sinkt die Temperatur langsam von rund 1'000 Grad Celsius auf die normale Aussentemperatur. Nach dem Verlassen dieser Kühlstrasse wird der Foamglas-Rohkörper auf die Standardgrösse von 60 mal 45 Zentimeter bei unterschiedlicher Ausführungsstärke geschnitten. Das Produkt ist lieferbar von 5 bis 20 Zentimetern Dicke in glatten 10-Millimeter-Schritten. Erst mit dem Zerschneiden erhält der Rohkörper die typische, fast schwarze Porenoberfläche, da dabei die dünne, silbergraue Aussenhaut entfernt wird.

Montiert wird der zu flachen Elementen verarbeitete Dämmstoff lose oder durch eine Verklebung mittels bituminösen Klebers oder Heissbitumen. An Wänden wird dies unterstützt mit eigens dafür entwickelten Wandankern aus Metall. Diese werden verdeckt platziert, um eine Wärmebrücke zu vermeiden. Für ein Verkleben der Foamglas-Elemente mit Heissbitumen ist auf den Baustellen ein Wannenofen erforderlich, der am Einbauort aufgestellt wird. Unmittelbar vor der Montage wird das Foamglas-Element mit einem Kleber beschickt oder leicht in das Bitumen eingetaucht und sofort an der vorgesehenen Stelle platziert.

Je nach den U-Wert-Anforderungen kann Foamglas ein- oder zweilagig aufgebracht werden. Die Gesamtstärke orientiert sich an den bauphysikalischen Erfordernissen. Die Foamglas-Schichten werden versetzt zueinander verlegt, um eine Dampfdichtheit in den Stössen sicherzustellen. Bei Dachkonstruktionen wird eine alles abdeckende Bitumenschicht aufgebracht. Diese kann in klassischer Manier mit einer Giesskanne appliziert und mit einem einfachen Abzieher verteilt werden. Es kann aber auch das Produkt Foamglas-Ready-Board verarbeitet werden, das bereits werkseitig eine Bitumenschicht aufweist. Hier braucht es keinen zusätzlichen Bitumen-Ofen, sondern lediglich einen Dachbrenner für eine wasserdichte Verschmelzung der abdeckenden Bitumenlage.

Es altert nicht

Auch nach Jahrzehnten kann Schaumglas noch saniert werden: Dazu wird die Abdichtungsfolie flach zur Seite hin abgezogen, womit in einem Arbeitsgang automatisch eine neue, vollkommen ebene, jedoch gänzlich unbeschädigte Foamglas-Oberfläche freigelegt wird. Akustisch erinnert dieses Abreissen an das Öffnen eines Klettverschlusses. Physikalisch findet hier eine Art Dominoeffekt statt, bei dem eine kollabierende Glasblase die benachbarte in Mitleidenschaft zieht. Dieser Effekt spielt sich jedoch nur auf der vordersten, bzw. der obersten Ebene ab. Es entsteht eine vollkommen gleichmässige und wie neu erscheinende Oberfläche der alten Foamglas-Dämmung. Diese kann nun ohne weitere Massnahmen ertüchtigt werden. Das heisst: Neue Lagen des Dämmstoffs werden direkt darauf aufgebracht.

Einfaches Heissbitumen in einem kleinen Block

Quelle: Robert Mehl

Einfaches Heissbitumen ist bei Raumtemperatur fest und wird in kleinen Blöcken angeliefert. Es muss in einem Baustellenofen aufgeschmolzen werden.

Die steigende Nachfrage in Europa machte 2008 den Ausbau der Produktionskapazitäten für Foamglas-Dämmprodukte erforderlich. Im tschechischen Klásterec ging daher ein weiteres Werk in Betrieb. Dort erfolgt die Produktion auf Basis einer neuen Technologie. Dabei wird das Material nicht mehr in Metallkästen gefüllt, sondern es durchläuft als behälterloses, kontinuierliches Materialband die Öfen. Dieses Verfahren hat die Foamglas-Herstellung revolutioniert. Schliesslich erhöht es die Produktionskapazitäten und reduziert gleichzeitig den Energiebedarf.

Langlebig bauen

Foamglas-Dämmung kann – wie zuvor beschrieben – auf einfache Weise ertüchtigt werden. Soll es hingegen zurückgebaut werden, lässt sich das Material unproblematisch als rein mineralischer Baustoff entsorgen. Zur Anwendung kam es vielfach bei Premium-Objekten, wie etwa dem grossen Umbau des Berliner Reichstags im Jahr 1999 durch Sir Norman Foster oder 1989 beim Bau des bekannten Grande Arche im Pariser Stadtteil La Défense. Auch im 1959 fertiggestellten New Yorker Guggenheim Museum, einem Spätwerk des US-amerikanischen Stararchitekten Frank Lloyd Wright, kam bereits eine Foamglas-Dämmung zur Anwendung.

Dämmen mit Schaumglas an einer Wand im Modell

Quelle: Robert Mehl

So geht Dämmen mit Foamglas: Beispiel für einen Wandaufbau aus dem Ausstellungsraum am Produktionswerk in Tessenderlo.

Dieses Beispiel belegt eindrucksvoll die lange Lebensdauer des Foamglases, die mit mehr als 60 Jahren angesetzt wird. Die hohe Dauerhaftigkeit des Dämmsystems minimiert so auch den Sanierungsbedarf. Die genannten Beispiele dokumentieren den Weitblick der Investoren anschaulich.  Kostengünstigeres Bauen mag zwar eine kurzfristige Rendite einbringen, weniger hochwertige Konstruktionen erhöhen jedoch langfristig die Aufwendungen für die Gebäudesanierung. Auch vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz der Foamglas-Dämmung nicht nur sinn-, sondern auch wertvoll.

Schaumglas, Werk in Tessenderlo (Belgien).

Quelle: Owens Corning

Begehrter Dämmstoff: Schaumglas-Blöcke im Lager des Produktionswerks in Tessenderlo.

Die zehn Pluspunkte

Aufschmelzen einer Dachabdichtungsbahn

Quelle: Robert Mehl

Auch das ist mit Schaumglas möglich: Aufschmelzen einer nachträglich aufgebrachten Dachabdichtungsbahn mit einem Dachbrenner.

Der Dämmstoff Schaumglas besitzt folgende zehn vorteilhaften Eigenschaften, die auch in Produktdatenblättern nachzulesen sind.

Wasserabweisend:

Schaumglas ist wasserabweisend, weil es aus geschlossenen Glaszellen besteht.

Schädlingsresistent:

Schaumglas ist uninteressant für Schädlinge aller Art. Weder Nagetiere, wie Mäuse oder Ratten, noch Insekten, wie etwa Ameisen oder Termiten, verursachen Frass-Schäden an diesem Material.

Druckfest:

Dank seiner Glasstruktur ist Schaumglas stauchungsfrei und druckfest, auch bei Langzeitbelastung. Das Material ist in verschiedenen Druckfestigkeiten erhältlich. Es unterscheidet sich hauptsächlich in den Durchmessern seiner Mikroblasen voneinander. Je grösser diese sind, desto besser dämmt das Material, desto weniger druckstabil ist es aber auch. Grundsätzlich kann die Druckfestigkeit so weit erhöht werden, dass – einen entsprechenden Überbau vorausgesetzt – die Dämmung auch mit Schwerlasten befahrbar ist.

Nichtbrennbar:

Schaumglas kann entscheidend zum vorbeugenden Brandschutz beitragen. Gemäss der Baustoff-Klassifizierung nach EN 13501: A1 wird es als nicht brennbar eingestuft und entwickelt weder Qualm noch toxische Gase. Glimm und Schwelbrände können ausgeschlossen werden.

Dampfdicht:

Schaumglas ist wasserundurchlässig. Bei seiner Verwendung als Dämmmaterial ist eine Dampfsperre, etwa in Form einer eingelegten Folie, nicht erforderlich.

Massbeständig:

Schaumglas ist massbeständig, da Glas nicht die physikalische Eigenschaft besitzt, zu schrumpfen oder aufzuquellen.

Säurebeständig:

Schaumglas ist materialbeständig gegen organische Lösungsmittel und Säuren. Dies, weil es aus Glas besteht, wie etwa chemisch neutrale Reagenzgläser.

Leicht zu bearbeiten:

Schaumglas ist leicht zu bearbeiten, da seine Glaszellen dünnwandig und sehr spröde sind.

Ökologisch:

Schaumglas ist frei von Flammschutzmitteln und Treibgasen. Sein durchschnittlicher Recyclinganteil der Foamglas-Produkte beträgt 50 Prozent*. Hervorragend sind neben den Dämmeigenschaften auch die hohe Lebensdauer (EPD-PCE-20200300-IBB1-EN, veröffentlicht vom IBU).

 Strahlungsschutz:

Foamglas Dämmung hilft beim Schutz vor der radioaktiven Strahlenbelastung, die durch die Zerfallsprodukte von Radon entsteht und oft aus dem Erdreich aufsteigt.

 * Gewichteter Durchschnitt, basierend auf der Gesamtmasse der auf den Markt gebrachten Endprodukte. Berechnung gemäss ISO 22095, Methode des gleitenden Durchschnitts.

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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