14:53 BAUPRAXIS

Korrosion: Pyrrhothin lässt in Donegal Beton einstürzen

Teaserbild-Quelle: Paul Dunlop, Ulster University

Tausende von Häusern sind in Irland derart korrodiert, dass sie praktisch unbewohnbar geworden sind. Bis vor kurzem nahm man an, dass ein zu hoher Glimmeranteil im Beton schuld ist. Doch dem ist nicht so, wie Fachleute der Empa und der Universität Ulster herausgefunden haben.

Korrodiertes Gebäude

Quelle: Paul Dunlop, Ulster University

Dieses Haus ist derart von der Korrosion betroffen, dass es abgerissen werden muss. Rechts im Bild: Andreas Leemann im Interview mit einer Journalistin.

Seit Jahren leiden Tausende von Betonbauten in der Grafschaft Donegal unter massiver Korrosion. Mancherorts sind die Schäden derart gross, dass Häuser praktisch unbewohnbar geworden sind. Sie müssen teuer instandgesetzt oder schlimmstenfalls abgebrochen werden. Geschätzte Kosten für Sanierungen und Entschädigungen: rund drei Milliarden Euro. – Längst demonstriert die Bevölkerung gegen die zum Teil unhaltbare Situation und seit Frühling 2016 befasst sich auch eine Task Force der Regierung mit dem Problem.  

Zu hoher Glimmergehalt im Beton?

Bis vor kurzem war man davon ausgegangen, dass die Ursache für die heftige Korrosion in einem zu hohen Glimmergehalt im Beton liegt. Doch der Grund ist etwas anderes: Pyrrhotin. Dies haben Analysen von Betonproben von vier betroffenen Häusern ergeben, die Andreas Leemann, Leiter der Forschungsgruppe «Betontechnologie» an der Empa, und Paul Dunlop, Umweltforscher von der Universität von Ulster, zusammen mit weiteren Fachleuten durchgeführt haben.

Oxidiert Pyrrhotin im Zementstein des Betons durch anwesenden Sauerstoff, setzt dies Schwefel frei. Dieser führt wiederum zur Bildung von Ettringit, das Mineral entsteht ohnehin bei der Erhärtung von Zement. Doch bildet es sich zusätzlich, hat dies eine Ausdehnung zur Folge, die wiederum für Risse im Beton sorgt. – Wird weiterer Schwefel freigesetzt, bildet sich Thaumasit. Weil bei diesem Prozess wichtige Bestandteile wie Calciumsilikathydrate auflösen, reduziert sich die Festigkeit des Betons was wiederum letztlich in einem Zerfall des Baustoffs resultieren kann.

Obwohl man Proben aus nur vier Häusern im Detail untersucht habe, liege es nahe, dass sich die Resultate verallgemeinern liessen, schreibt dazu die Empa in ihrer Medienmitteilung und verweist auf Daten von irischen Ingenieuren zu beinahe hundert betroffenen Häusern. Diese zeigen alle, dass die Bauten "beachtliche Mengen" Pyrrhotin enthalten.

Frost hatte kaum Einfluss auf Korrosion

Um der gängigen Theorie von Frostschäden durch zu hohen Glimmergehalt auf den Grund zu gehen hatte das Forschungsteam in seinen Untersuchungen auch meteorologische Daten unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich: Wetterphasen von der nötigen Kälte und Dauer, die derartige Schäden hätten auslösen können, seien im atlantisch-geprägten Klima der Region zu selten vorgekommen - nämlich nur zwei Mal: ab Mitte Dezember 2009 und ab November 2010. Zudem hätten sich erste Schäden bereits vor diesen Ereignissen gezeigt, schreibt die Empa in ihrer Medienmitteilung. Zudem stellten die Fachleute bei den betroffenen Häusern auch in Sommermonaten eine Aufweitung der Risse fest. Dabei handelte es sich auch um solche in Innenwänden, die eigentlich vor den Elementen geschützt sind.

Wie es weiter heisst, hat gegen diese Vermutung schon der Augenschein vor Ort gesprochen. Typische, vom Kälteeiunfluss ausgelöste Risse verlaufen parallel zu den Wänden, während sie in Donegal nur senkrecht in die Wände hinein verliefen – oft vom Boden bis hinauf zum Dach. „In manchen Fällen hatten sie sich sogar von oben, wo der Kälteeinfluss geringer ist, nach unten fortgesetzt.“

Zulässigen Pyrrhotin-Gehalt um den Faktor 4 bis 7 überschritten

Doch weshalb wurde der Pyrrhotin-Gehalt und seine Folgen als Ursache bis anhin übersehen? Wie Andreas Leemann erklärt, wird dieser in der betreffenden irischen Bauvorschrift IS 465 nicht berücksichtigt. Derweil schreibt hingegen die entsprechenden EU-Norm EN 12620 vor, dass ein allfälliger Pyrrhotin-Gehalt in den Baustoffen beim Schwefelgehalt berücksichtigt werden muss. Wie Leemann gegenüber der «Irish Times» erklärte, überschritten die Werte der untersuchten Proben den zulässigen EU-Grenzwert um den Faktor 4 bis 7.

An einer internationalen Fachtagung vor rund einem Monat in Letterkenny, an der Leemann über die Forschungsergebnisse informierte, waren auch zwei Betroffene zugegen, die von ihrer Situation berichteten. Denn für Kritik sorgt auch, dass ein Antrag auf staatliche Entschädigungen bisher nur für betroffene Erstwohnsitze möglich ist. Immerhin erhalten besonders stark betroffene Hauseigentümer mittlerweile in einem ersten Schritt bis zu 20'000 Euro staatliche Unterstützung, um auszuziehen und eine vorübergehende Bleibe zu finden oder ihre Besitztümer einzulagern. (mai/mgt)


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