14:12 BAUBRANCHE

Was Archäologen nicht schafften, soll die Schwarmintelligenz von Laien richten

Teaserbild-Quelle: Quelle: Stephan Karl | Copyright: Open Reassembly - Stephan Karl | Download

Nachdem Archäologen während Jahrzehnten erfolglos eine zerbrochene frühchristliche Altarplatte aus Lavant in Osttirol zusammenzufügen versuchten, setzt ein Team der TU und der Universität Graz nun auf die Hilfe von interessierten Laien. Die Fachleute haben dazu eine Onlineplattform aufgeschaltet, auf der gepuzzelt werden kann.

Fragmente der zerbrochenen Altarplatte

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Fragmente der zerbrochenen Altarplatte im Institut für Antike der Universität Graz, wo sie digitalisiert worden sind.


Die Bischofskirche am Kirchbichl in Lavant gilt eines der bedeutendsten frühchristlichen Baudenkmäler  Österreichs. Ihre Überreste waren in 1950er-Jahren waren samt Fragmenten einer Altarplatte aus Marmor freigelegt worden. Es seither nicht gelungen, die in 139 Einzelteile zerbrochene Altarplatte wieder gänzlich zusammenzusetzen. Was Fachleute bisher nicht geschafft haben, soll nun mit der Hilfe von Laien gelingen. Dazu hat ein Team der TU und der Universität Graz eine interaktive Onlineplattform aufgeschaltet: Auf „Open Reassembly“ können Interessierte gemeinsam versuchen, die digitalisierten Bruchstücke der Altarplatte zusammenzufügen.

„Die Bruchstücke sind weitgehend texturlos und teilweise erodiert, was die Rekonstruktion äusserst schwierig macht“, sagt Reinhold Preiner vom Institut für Computer Graphik und Wissensvisualisierung der TU Graz. „Ob zwei Fragmente zusammenpassen, lässt sich aufgrund der Erosion nicht immer eindeutig feststellen. Zudem sind nicht mehr alle Fragmente der Platte vorhanden.“  Deshalb können laut Preiner selbst entsprechende spezialisierte Computeralgorithmen diese Aufgabe nicht zuverlässig lösen. Und so liegt die Hoffnung auf der Schwarmintelligenz interessierter Hobbyarchäologinnen und Puzzleexperten.

Einzelteile der Altarplatte wurden detailliert digitalisiert

Für die Plattform sind die Einzelteile der Altarplatte am Institut für Antike der Universität Graz allesamt aufwendig und detailliert digitalisiert worden: „Pro Fragment haben wir rund 100 Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen und diese mit geometrischen Daten aus Messungen eines Streiflichtscanners kombiniert“, sagt Stephan Karl vom Institut für Antike.

Screenhot

Quelle: CGV - TU Graz | Copyright: CGV - TU Graz

Ein Screenhot aus dem virtuellen Raum, in dem man die Bruchstücke zusammensetzen kann. Der Hintergrund zeigt die Umgebung des Ausgrabungsortes am Kirchbichl im Lavant.

 Die derart erstellten digitalen Zwillinge der Bruchstücke können auf der Online Plattform „Open Reassembly“ in alle Richtungen gedreht, von allen Seiten betrachtet und virtuell mit den anderen Teilen zusammengefügt werden. Wer mitmacht, kann nicht nur selbst puzzeln, sondern auch die Anpassungen der anderen bewerten. Gemeinsam, so die Hoffnung, kommt der Schwarm der Lösung Schritt für Schritt näher.

Das Projekt sei aber auch jenseits des archäologischen Puzzles relevant, heisst es in der Medienmitteilung des Institut für Computer Graphik und Wissensvisualisierung.  „In den Computerwissenschaften gibt es bereits Ansätze computergestützter Reassemblies: Meist laufen sie vollautomatisiert, vereinzelt auch unter Einbindung einzelner Userinnen und User, jedoch stets lokal“, so  Preiner.  „Mit der Einbeziehung der breiten Bevölkerung in solch einen Reassembly-Prozess über das Internet betreten wir weitestgehend Neuland.“

Braucht es archäologisches Fachwissen um die Aufgabe zu lösen?

Preiner und Karl möchten herausfinden, ob die kollaborative Herangehensweise an solch ein komplexes geometrisch-kombinatorisches Problem auch ohne archäologisches Fachwissen eine Lösung liefert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt ist. So werden auf der Onlineplattform die Teilnehmerinnen und Teilnehmer automatisch in grössere und kleinere Gruppen aufgeteilt und erhalten in unterschiedlichem Ausmass technische Hilfestellungen. „Durch die Analyse des Lösungsfortschritts, der Bearbeitungsdauer und Lösungseffizienz wollen wir herausfinden, welche Rahmenbedingungen für den kollektiven Reassembly-Prozess am förderlichsten sind“, sagt Reinhold Preiner.

Wie es weiter in der Medienmitteilung heisst,  braucht es für die Teilnahme ist lediglich ein Desktopcomputer mit Internetzugang, Maus und Tastatur. Personenbezogene Daten würden bei der Registrierung nicht erhoben. (mgt/mai)

Hier gehts zu Online-Plattform: https://openreassembly.cgv.tugraz.at/

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