09:35 BAUBRANCHE

Quartalsbericht 4/2021: Turbulente Zeiten stehen bevor

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
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Das Schweizer Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann im Schlussquartal gesamthaft von guten Vorgaben ausgehen für die künftige Bautätigkeit. Der Wohnbau entwickelte sich robust, der Bürobau erlitt einen Rückschlag. Die hohen Inflationsraten erfordern Interventionen der Zentralbanken, was das Zinsgefüge nachhaltig verändern dürfte.

Das Schweizer Bauhaupt- und Nebengewerbe konnte gesamthaft das Jahr mit einem guten Ergebnis abschliessen und zuversichtlich auf die künftige Bautätigkeit blicken. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte Summe für Hochbauten erhöhte sich im Schlussquartal gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 4,2 Prozent (siehe Diagramm Seite 12). Gleichwohl gab es vereinzelt Anzeichen einer Abschwächung wie bei der Zahl der Objekte (-4,8 %).

Erneut zeigt sich der Wohnbau in der Pandemie robust. Die für Wohnbauten geplanten Investitionen konnten den Wert des Vorjahresquartals egalisieren (+0,2 %). Bei den geplanten Mehrfamilienhäusern (MFH) resultierte im Vergleich zur Vorjahresperiode eine rückläufige Bausumme (-2,6 %). Gegenüber dem Vorquartal mit dem Spitzenwert der letzten zehn Jahre brach die Bausumme sogar um ein Viertel ein. Der Rückgang ist vor allem auf das Neubaugeschäft zurückzuführen. 

Stabilisierend auf die künftige Wohnbautätigkeit wirken dürfte dagegen die für Umbauten vorgesehene Summe, die sich im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel erhöhte. Der für Um- oder Anbauten vorgesehene Anteil der Bausumme macht zwar lediglich etwas mehr als ein Fünftel der MFH-Investitionen aus. Doch wuchsen die projektierten Investitionen in Umbauten in drei Quartalen des vergangenen Jahres zweistellig, während das Neubaugeschäft stagnierte oder zurückging. Der Anteil für Umbauten und energetische Sanierungen ist in diesem Segment bereits in den Jahren davor schneller gewachsen als bei den Einfamilienhäusern (EFH).

Weniger Umbauten im EFH-Segment

Auf eine Abschwächung deutet die geplante Bausumme des EFH-Segments. Im Schlussquartal bewegte sich die Projektsumme zwar weiterhin auf hohem Niveau und konnte im Vergleich zur Vorjahresperiode zulegen (+9,2 %). Doch war die EFH-Summe im Vergleich zum Vorquartal rückläufig, wie schon das Quartal davor.

Profitieren dürfte das Segment vom Neubaugeschäft. Im Schlussquartal erhöhte sich die entsprechende Summe im Vergleich zum Vorjahr um 13,6 Prozent. Weil die Nachfrage das Angebot an EFH-Objekten überstieg, wichen Käufer in der Vergangenheit vermehrt auf Bestandsbauten aus, die nach den eigenen Wünschen umgebaut wurden. Doch scheint sich der während der Pandemie zu beobachtende Boom bei Umbauten in diesem Segment abzuschwächen. Die auf Basis von Gesuchen ermittelte Summe für An- und Umbauten legte im Vergleich zur Vorjahresperiode nur noch um 4,2 Prozent zu. Im Vergleich zur jeweiligen Vorperiode gingen die Umbauinvestitionen in den letzten beiden Quartalen sogar zurück.

Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern bleibt allerdings hoch, wie die Preisentwicklung zeigt. Das Preiswachstum beschleunigte sich im 4. Quartal sogar noch. Um 2,2 Prozent erhöhten sich die EFH-Transaktionspreise (Vorquartal: +1,1 %), wie das Immobilienberatungsunternehmen Iazi eruiert hat. Auf Jahresbasis betrug das Wachstum 7,3 Prozent. Wer sich das eigene Haus im Grünen nicht leisten könne, erwäge immer öfter den Kauf von Stockwerkeigentum, das auf Jahresbasis bei den Preisen ein Plus von 5,1 Prozent verzeichnete.

Kapitalpuffer reaktivieren

Wohnimmobilien sind nach wie vor das bevorzugte Anlagesegment. Der Swiss Real Estate Sentiment Index (Sresi) bestätigt ein sehr knappes Angebot adäquater Investitionsmöglichkeiten. Entsprechend erwartet der Markt in diesem Segment stark steigende Preise, wie Beat Seger, Partner Real Estate Advisory beim Beratungsunternehmen KPMG Switzerland, per Video erklärt. 

Sowohl positive Erwartungen zur Wirtschaftsentwicklung als auch weiter steigende Preise für Immobilienanlagen haben dem Index einen signifikanten Auftrieb verschafft mit einem historischen Höchststand im Herbst letzten Jahres. Die negativen Erwartungen im Tief der Pandemie seien mehr als kompensiert worden, heisst es. Der Index misst anhand von Befragungen jeweils die Erwartungen von Marktakteuren wie Immobilienbewertern und -gesellschaften, Privatinvestoren und Versicherungen zu den Entwicklungen in den nächsten zwölf Monaten.

Die «Entwicklungen auf den Immobilien und Hypothekarmärkten» hat seit einigen Jahren auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Fokus. Auf Antrag der SNB hat der Bundesrat zu Beginn des Jahres entschieden, per September den antizyklischen Kapitalpuffer wieder zu reaktivieren. Bei der Einführung zeigten sich damals geringfügige Auswirkungen auf die Kosten für Hypotheken. Das präventive Instrument dient dem Erhalt der Finanzmarktstabilität. Es wurde 2013 eingeführt, aber Ende 2020 wegen der Pandemie deaktiviert.

Die Preisdynamik dürfte zwar auf absehbare Zeit hoch bleiben. Doch wird sich laut Schätzungen der UBS die pandemiebedingte Zusatznachfrage nach Wohneigentum im laufenden Jahr wohl etwas abschwächen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Preissteigerungsrate im laufenden Jahr gegenüber 2021 «ungefähr halbier-en» werde. Als Grund führen die Immobilienexperten der Bank an, dass die Löhne in den letzten Jahren nicht mit den steigenden Immobilienpreisen mithalten konnten. Während sich vor Ausbruch der Pandemie noch rund 20 Prozent der Haushalte ein durchschnittliches Eigenheim leisten konnten, seien es heute nur noch 15 Prozent, so die Bank.

Dank Digitalisierung Büros gefragt

Beim Bürobau hat sich im letzten Jahr während der Pandemie immer mehr gezeigt, dass sich der üblicherweise enge Zusammenhang zwischen dem Wachstum des tertiären Sektors mit überwiegender Büro-beschäftigung und der Nachfrage nach Büroflächen teilweise entkoppelt hat. Trotz der relativ robusten Entwicklung der Bürobeschäftigung hielten sich nämlich viele Nachfrager bei der Anmietung neuer Flächen zurück, wie die Credit Suisse in einer Analyse schreibt. 

Eine grössere Zurückhaltung hätten auch Investoren an den Tag gelegt. Tatsächlich waren sie im 4. Quartal mehr als zurückhaltend. Die Projektsumme für den Bau von Büroflächen brach im Vergleich zum Vorjahresquartal um 56,9 Prozent auf den tiefsten Wert der letzten zehn Jahre ein, gegenüber dem Vorquartal waren es 30,9 Prozent, wie die Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH zeigen. Gesamthaft lag die im Jahr aufgelaufene Summe noch 15,7 Prozent (YTD – Year to Date) unter dem Vorjahreswert.


Auf Basis von Schätzungen der Baubewilligungen wird laut der Credit Suisse die künftige Bürobautätigkeit schweizweit um rund 17 Prozent unter dem langfristigen Mittelwert bleiben. Über einen Horizont von mehreren Jahren erwarten die Immobilienexperten der Bank einen stagnierenden Flächenbedarf.

Bei den Mietpreisen für Büroflächen sehe man eine Seitwärtstendenz. Strukturelle Veränderungen seien bisher allerdings noch kaum sichtbar. Die Verlagerung der Arbeit während der Pandemie ins Homeoffice werde dem Büromarkt trotzdem noch einige Quartale Schwierigkeiten bereiten. Langfristig werde die Digitalisierung, die in der Pandemie zusätzlichen Schub erhalten hat, die Nachfrage nach Büroflächen wieder erhöhen, so die Bank. Homeoffice wird sich aber dauerhaft etablieren. Dieser Ansicht sind laut der KPMG-Studie 90 Prozent der befragten Marktakteure.

Kleinstädte profitieren

Trotz der Flexibilisierung mit hybriden Arbeitsformen ist die strukturelle Veränderung der Arbeitswelt ein Megatrend, der sich schon vor der Pandemie ankündigte. Davon könnten Städte wie Thun oder Biel profitieren, wie eine Analyse der Universität Bern zur Lage der Schweizer Kleinstädte ergab. Weil weniger zum Arbeitsort in den grösseren Städten gependelt wird, bleibt den jeweiligen Wohnorten aufgrund des Konsums von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen die Wirtschaftskraft teilweise erhalten, wie Heike Mayer, die als Wirtschaftsgeografin an der Universität tätig ist, in einem Interview mit der Zeitung der «Bund» erklärte. Das eröffne Städten wie Burgdorf oder Langenthal neue Möglichkeiten, denn dort seien die Preise für Immobilien noch günstiger als in den Ballungszentren.

Wachstum in Grossstädten

Obwohl in den letzten zwei Jahren öfters von Stadtflucht die Rede war, sind es jedoch vor allem die grossen Ballungszentren, in denen ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum erwartet wird. Entsprechend muss die Bildungsinfrastruktur ausgebaut werden. Die künftige Bautätigkeit zusätzlich stützen werden daher Investitionen der öffentlichen Hand. Der Bau von Schulen verzeichnete in den letzten Quartalen ausserordentlich hohe Zuwachsraten. 

Die per Ende Jahr aufgelaufene Bausumme (YTD) erhöhte sich um 67,7 Prozent. Für den Spitalbau erwies sich dagegen erst das Schlussquartal als Lichtblick. Die Summe projektierter Bauten im Bereich Gesundheitswesen konnte erst am Jahresende die Einbrüche in den vorangegangenen Quartalen wettmachen, sodass die Segmentsumme schliesslich nur leicht unter dem Vorjahreswert lag (YTD: -2,2 %).

Metropole

Quelle: Stefan Schmid

Das Tourismussegment konnte auch im Schlussquartal ein vergleichsweise gutes Ergebnis ausweisen. Wenn wieder vermehrt Städtereisen gebucht werden, dürfte auch der Bau von Hotels davon profitieren. Bild: Gesamtsanierung des Hotels Metropole in Bern.

Beim Tourismussegment war die Bausumme im Schlussquartal rückläufig (-3,1 %) nach vergleichsweise hohen Wachstumsraten in den Perioden davor. Im Vergleich zum Vorquartal kann das Segment die Bausumme um ein Fünftel ausweiten. Und im 4. Quartal lagen die geplanten Investitionen erstmals seit langem wieder über dem langjährigen Durchschnitt. Auch wenn der Jahresstart nicht gelungen ist, dürfte das Segment das Gröbste hinter sich haben, denn Hotelprojekte werden bereits mit Blick auf die Zeit nach Corona geplant. Mit den Lockerungen der Eindämmungsmassnahmen dürfte der Städtetourismus wieder in Fahrt kommen. Zuversichtlich stimmen auch die Buchungszahlen des Wintergeschäfts.

Abschwächung vor Erholung

Auch das Industriesegment steht im Vergleich zum Vorjahr besser da. Die geplanten Investitionen in den Gebäudepark von Unternehmen legten gegenüber dem Vorjahresquartal um 13,2 Prozent zu. Zum Vorquartal ergab sich jedoch ein Minus, was bei den Unternehmen eine gewisse Skepsis vermuten lässt in Bezug auf die prognostizierte rasche wirtschaftliche Erholung. Nach den wirtschaftlichen Einbrüchen in der Pandemie sind die Energiepreise während der Erholungsphase in vielen Ländern simultan und massiv angestiegen. 

Lieferengpässe, mit denen fast alle Branchen und Wertschöpfungsstufen konfrontiert waren, führten zu Preisschüben. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) führt die Inflation vor allem auf gestiegene Preise von Energie und Vorleistungsgütern zurück. Im Durchschnitt werde die Inflation in diesem Jahr auf 1,1 Prozent steigen. Der Höhepunkt der Preisentwicklung in der Schweiz wird laut der Konjunkturprognose im aktuellen Winterhalbjahr erwartet (2023: 0,7 %).

Dauerhafte Inflation als Risiko

Die grosse Frage ist, ob die Inflation aufgrund der gestiegenen Güter- und Energiepreise lediglich vorübergehender Natur ist oder ob das Szenario einer dauerhaft höheren Teuerung eintreten könnte. Für Robert J. Shiller haben die Zentralbanken die Möglichkeit, dass die Inflation steigen könnte, unterschätzt. Der Nobelpreisträger und Yale-Professor, der 2007 das Platzen der US-Immobilienblase vorausgesagt hatte, geht davon aus, dass die Notenbanken eine Straffung der Geldpolitik vornehmen werden. Er warnt im Interview mit der «NZZ» allerdings vor der Gefahr steigender Arbeitslosigkeit, wenn die Zentral-banken allzu stark auf die Bremse treten. Allgemein wird erwartet, dass die amerikanische Notenbank in diesem Jahr mehrere Zinserhöhungen vornehmen wird.

Als zu zögerlich erachtet Weltbank-Vizechefin Carmen Reinhart die Zinspolitik der Zentralbanken. Es bestehe die Gefahr, dass steigende Wohn- und Energiekosten und Lebensmittelpreise zu einer dauerhaft hohen Inflation führen werden und die Lohn-Preisspirale in Gang komme. Aufgrund der hohen Verschuldung vieler Länder hält Reinhart die aktuelle Situation für «extrem gefährlich», wie sie in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» erklärte. Mit der wirtschaftlichen Erholung dürfte auch eine höhere Nachfrage nach Energie einhergehen, was nicht auf eine Entspannung bei den Preisen hindeutet. Verschiedene Indikatoren die der «Global Supply Chain Pressure Index» lassen eher nicht auf eine Ent-schärfung der Lieferkettenprobleme in diesem Jahr schliessen.

Doch die hohen Inflationsraten in wichtigsten Absatzmärkten könnten dazu führen, dass in diesem Jahr weniger Industrie- und Konsumgüter nachgefragt werden und sich die wirtschaftliche Erholung verlangsamt. Für das Winterhalbjahr geht das Seco daher von einer deutlichen Abschwächung der Wirtschaftsleistung aus. In diesem Jahr sollten sich die bremsenden Faktoren aber allmählich auflösen. Dann werde sich das Wirtschaftswachstum deutlich beleben, getragen durch Aufholeffekte beim privaten Konsum und bei den Investitionen, aber auch durch die Entwicklung der Exportwirtschaft. 

2022 erwartet die Expertengruppe des Bundes ein deutlich überdurchschnittliches BIP- Wachstum von 3,0 Prozent (bereinigt um Sportevents). Etwas optimistischer ist man bei BAK Economics, im laufenden Jahr wird demnach mit einer BIP-Zunahme von 3,2 Prozent gerechnet. Vorsichtiger ist die Einschätzung der CS-Ökonomen, die für 2022 unverändert von einem BIP-Wachstum von 2,5 Prozent ausgehen. Auf jeden Fall stehen turbulente Zeiten bevor.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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