Neuer Landesmantelvertrag: Im Baugewerbe drohen Streiks – Baumeister bleiben optimistisch
Das Baugewerbe steuert laut Gewerkschaften auf einen harten Arbeitskampf zu, nachdem keine Einigung zum neuen LMV in Sicht ist. Bei einer Befragung sprachen sich fast 90 Prozent der Bauarbeiter für einen Streik aus. Der Baumeisterverband bleibt optimistisch.
Das Baugewerbe steuert laut Gewerkschaften auf einen harten Arbeitskampf zu, nachdem keine Einigung zum neuen LMV in Sicht ist. Bei einer Befragung sprachen sich fast 90 Prozent der Bauarbeiter für einen Streik aus. Der Baumeisterverband bleibt optimistisch.
Die Geduld der Bauarbeiter sei am Ende, teilten die
Gewerkschaften Unia und Syna am Donnerstag mit. 20'000 Bauarbeiter hätten sich
an einer landesweiten Streikabstimmung beteiligt. 89,7 Prozent von ihnen hätten
sich für einen Streik ausgesprochen, wenn die Baumeisterspitze weiterhin
familienfreundliche Arbeitszeiten verweigere. Protesttage würden bereits ab
nächster Woche beginnen.
Der Baumeisterverband (SBV) lege einen neuen
Landesmantelvertrag (LMV) mit «massiven Verschlechterungen» vor, hiess es bei
den Gewerkschaften. Gehe es nach dem SBV, sollten die Bauarbeiter künftig noch
längere Arbeitstage haben – bei weniger Lohn: «bis 50 Stunden pro Woche, mehr
als doppelt so viele Überstunden zu tieferer Entschädigung, Arbeit auf Abruf
und Streichung des generellen Lohnzuschlags von 25 Prozent für Samstagsarbeit».
Zudem sollten langjährige Bauarbeiter über 55 Jahren
schneller entlassen werden können. An der vierten Verhandlungsrunde habe die
Baumeisterspitze «noch eins draufgesetzt»: Für ausgelernte Bauarbeiter sollen
die Mindestlöhne demnach während fünf Jahren nach Lehrabschluss um bis zu 25
Prozent unterschritten werden dürfen.
Die ersten Protesttage sind im Tessin am 20. Oktober
geplant, am 31. Oktober in Bern und am 3. und 4. November in der Romandie. Am
7. November sind solche in der Nordwestschweiz und am 14. November in Zürich
sowie anderen Teilen der Deutschschweiz vorgesehen.
Für Baumeister «gute Gespräche»
Der Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe besteht seit dem
1. Januar 2023 und läuft Ende dieses Jahres aus. Er regelt die Löhne und
Arbeitsbedingungen der rund 80'000 auf dem Bau Beschäftigten in der Schweiz.
Die Unia und die Syna verhandeln für die Bauarbeiter, der SBV für die
Arbeitgeberseite.
Am Dienstag fand die vierte von fünf vereinbarten Verhandlungsrunden
statt. Der SBV sprach anschliessend in einer Mitteilung von «guten Gesprächen»
und konstruktiven Diskussionen.
Das schrieb am Donnerstag auch Jacqueline Theiler, die
SBV-Leiterin Kommunikation. Die angekündigten Gewerkschaftsaktionen seien wohl
schon seit Anfang Jahr vorgesehen gewesen und fänden weitgehend unabhängig vom
Verhandlungsfortschritt statt, hielt sie fest. «Wir bedauern das, da der
aktuelle Vertrag und die absolute Friedenspflicht gebrochen sowie die
Verhandlungen verlangsamt werden.»
Der SBV arbeite weiterhin auf einen neuen LMV hin, der per
Januar für allgemeinverbindlich erklärt werden könne. Es bestehe eine gute
Verhandlungsbasis und der Verband sei zuversichtlich, auf dieser Basis auf Ende
Jahr einen Abschluss der Verhandlungen zu erreichen.
Bei der Samstagsarbeit wolle der SBV keine generelle
Aufhebung von Zuschlägen sondern eine praxisnahe Flexibilisierung. Nur in
besonderen Fällen – etwa bei Schlechtwetterausfällen – solle es möglich sein,
an einer beschränkten Zahl von Samstagen zuschlagsfrei zu arbeiten. «Dies wäre
eine Möglichkeit, um beispielsweise in Hitzeperioden die Mitarbeitenden besser
schützen zu können», schrieb Theiler.
Längere Arbeitszeiten seien nicht vorgesehen: «Der
Vertragsentwurf des SBV hält klar fest, dass die Jahresarbeitszeit unverändert
bei 2112 Stunden bleibt, dies entspricht durchschnittlich 40,5 Stunden pro
Woche.»
Das Bauhauptgewerbe kenne mit rund 5000 Franken die höchsten
Mindestlöhne für Handwerker Europas. Seit 2019 seien die Löhne in der Branche
um insgesamt 7,5 Prozent gestiegen – die Teuerung habe im selben Zeitraum nur
6,5 Prozent betragen.
Verhandlungen auf zwei Ebenen
Am 28. Oktober kommt es zur letzten geplanten
Verhandlungsrunde. Die Gewerkschaften sagen, der SBV habe mehrere Vorschläge
der Arbeitnehmerseite abgelehnt, weitere Verhandlungstermine festzulegen.
Theiler sagt, Gespräche seien am Laufen. «Erst auf Anregung
des Baumeisterverbandes haben sich im Oktober nun technische Arbeitsgruppen
zusätzlich zu den bereits fixierten Terminen getroffen. Das bewährt sich aus
unserer Sicht.» (sda)