15:43 BAUBRANCHE

Michael Rogenmoser: «Herausforderungen für die Immobilienbranche steigen»

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Philippe Surber, Unsplash

Michael Rogenmoser ist seit letztem September CEO der IAZI AG. In der Interview-Serie «Chefsache» spricht er über Transformation und Innovation, über die Klimakrise und preisgünstiges Wohnen. Und über Unternehmer, die «grün» investieren wollen aber auf zu hohe Hürden stossen.

Baustelle bei der Waid oberhalb von Zürich

Quelle: Philippe Surber, Unsplash

In Zürich dürften die Herausforderungen für Immobilienentwickler und -eigentümer steigen: Hier fordert die kantonale Wohnschutzinitiative unter anderem, dass Gemeinden die Möglichkeit erhalten, eigene Vorschriften zu erlassen, was zum Beispiel eine Bewilligungspflicht für Abbrüche, Umbauten oder Sanierungen betrifft. (Im Bild: Baustelle bei der Waid oberhalb von Zürich im 2022.)

Herr Rogenmoser, Sie sind seit dem letzten September neuer CEO der IAZI AG. Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Freude?

Wir haben ein Team von knapp 140 qualifizierten Mitarbeitenden, und es macht Freude zu beobachten, mit welcher Leidenschaft und Motivation diese täglich arbeiten, um unseren Kunden neue und bessere Produkte und Services anzubieten. Auch ein Dankeschön von langjährigen zufriedenen Kunden zu bekommen, spornt mich persönlich an.

Was muss ein guter Mitarbeiter heute alles mitbringen?

Ein guter Mitarbeiter sollte vier Eigenschaften besitzen: Neugierde und Lern-bereitschaft, Teamfähigkeit, aber auch Ambitionen und Verantwortungsbewusstsein. Die Fachkompetenz wird heute vorausgesetzt. Mein Motto ist daher «Hiring For Attitude». Unsere drei Firmenwerte «Aim High», «Better Together» und «Act Responsibly» enthalten die erwähnten Eigenschaften.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Niemand ist perfekt. Ich sehe Kritik nicht als persönlichen Angriff, sondern als Chance. Konstruktive Kritik hilft jedem, sich zu verbessern. Konkret versuche ich jeweils zuzuhören, die Kritikpunkte sachlich zu verstehen und zu hinterfragen sowie das Ganze aus einer gewissen emotionalen Distanz zu betrachten. Ich bevorzuge eine faktenbasierte Argumentation. Entsprechend frage ich mein Gegenüber stets nach konkreten Beispielen, wenn allgemein kritisiert wird. 

Sie haben gesagt, dass Sie das Wachstum und die Transformation Ihres Unternehmens vorantreiben wollen. Wie setzen Sie dies konkret um?

Um unsere hohen Wachstumsambitionen zu verfolgen, werden wir weiterhin innovative Produkte und Services auf den Markt bringen. Um dieses Ziel effizienter zu erreichen, haben wir eine neue Verkaufsabteilung eingerichtet. Ebenso treiben wir die Diversifikation auf der Ebene der Kundensegmente voran und wollen unseren Marktanteil insbesondere bei den institutionellen Immobilieninvestoren und Versicherungen noch weiter erhöhen.

Wir prüfen auch anorganische Wachstumsopportunitäten, um unser Produkt- und Serviceangebot zu arrondieren. Gleichzeitig entwickeln wir zwei neue Geschäftsideen, um mittelfristig zusätzlich expandieren zu können.

Ein Umschwenken auf höheres Wachstum und eine stärker fokussierte Sales-Orientierung geht nicht von heute auf morgen, es beginnt mit dem Mindset der Mitarbeiter und geht über diverse Prozesse innerhalb der Firma: Von der Kundenbetreuung über das Produktmanagement bis hin zur Softwareentwicklung. Diese Transformation haben wir bereits gestartet, sie wird uns aber sicherlich die nächsten zwei bis drei Jahre noch beschäftigen.

Die Klimakrise, Digitalisierung sowie Materialknappheit und unterbrochene Lieferketten sind die Heraus-forderungen der Zeit. Befindet sich die Immobilienbranche im grössten Change-Prozess ihrer Geschichte?

Die Immobilienbranche ist nach meinem Dafürhalten immer im Wandel. Als innovativer Wirtschaftszweig ist sie auch der Vorbote des Wirtschaftswachstums und reagiert sensibel auf drohende Krisen. Wenn die Branche alle genannten Herausforderungen gleichzeitig lösen müsste, wäre das eine Herkulesaufgabe. Aus diesem Grund lohnt es sich vielleicht, jedes Thema einzeln oder auch Sachverhalte gemeinsam zu betrachten.

Materialknappheit und unterbrochene Lieferketten waren die Folgen der Corona-Pandemie. Vor allem auf den Baustellen gab es Verzögerungen. Die Materialknappheit liess die Kosten für Baumaterialien in die Höhe schnellen. Jedoch hat die Branche im Grossen und Ganzen die Probleme zu meistern gewusst. Die Klimakrise wirkt sich auf viele Aspekte des Bauens aus, sei es bei energetischen Sanierungen oder bei der Erforschung von umweltfreundlicheren Materialien. Aber auch die Städte sind gefordert, Konzepte wie etwa gegen die zunehmende Hitze zu realisieren, ohne dass dies zu einer Belastung für die Bevölkerung wird.

Bei Finanzierung und Genehmigung sind die Herausforderungen schon seit vielen Jahre die gleichen geblieben, was die Tragbarkeitsregeln anbelangt. Oft heisst es, niemand mehr könne sich eine bezahlbare Wohnung leisten ganz zu schweigen von einem Eigenheim. Doch Umfragen bestä-tigen immer wieder, dass die meisten Menschen mit ihrer Wohnsituation recht zufrieden sind.

Die Politik fordert eine «grüne» Umrüstung des Gebäudeparks und neue Netto-Null-Häuser: Wie sieht das Interesse auf Investorenseite aus?

Grundsätzlich haben Investoren ein Interesse, ihre Liegenschaften energetisch zu sanieren – allein schon wegen der Werterhaltung und Einsparungen bei den Nebenkosten. Die Frage ist mehr, unter welchen Bedingungen.

Einerseits spielen Aufwand und Kosten eine Rolle. Rigide Wohnraumregulierungen einiger Kantone vergällen einem sämtliche Nachhaltigkeitsinvestitionen. Die prominentesten Beispiele sind hier die Kantone Genf, Waadt und Basel-Stadt. In Basel-Stadt zum Beispiel ist jede Sanierung an eine Bewilligungspflicht mit einem anschliessenden Mietendeckel gebunden. Zudem veröffentlicht die Wohnschutzkommission, die Bewilligungen erteilt und den nachfolgenden maximalen Mietzins beschliesst, ihre Entscheide nicht. Das bedeutet, dass der Eigentümer bei der Sanierungsplanung nicht weiss, ob sein Vorhaben überhaupt bewilligt wird und ob es sich finanziell lohnt.

Hochhaus

Quelle: Shutterstock

In einem solchen Hochhaus in Zürich-Oerlikon befinden sich die Büros der IAZI AG und der Muttergesellschaft SMG.

Das heisst, in diesen Kantonen sind Sanierungen mit einem sehr grossen Aufwand verbunden?

Eine SP-Initiative im Kanton Zürich möchte ähnliche Vorschriften wie in Basel oder Genf einführen. Ebenso hat das Parlament der Stadt Luzern letzten November einen solchen Vorstoss angenommen. Darin wird postuliert, Abbrüche, Umbauten und Umnutzungen einer Bewilligungspflicht zu unterstellen. Unter diesen Umständen vergeht selbst den ambitioniertesten Investoren die Sanierungslust. Beispielsweise hat die Firma Allreal 150 Wohnungen verkauft, weil sich diese nicht rentabel sanieren liessen.

Es gibt aber auch ein paar Lichtblicke. So hat die Regierung des Kantons Genf zusammen mit zahlreichen Interessensverbänden eine Einigung bei der Energiewende erzielt. Die Sanierungsfristen für kleinere Liegenschaften wurden verlängert und die Subventionen für energetische Sanierungen für private Eigentümer auf 350 Millionen Franken erhöht. Ebenso hat der Kanton Waadt die Subventionen für Sanierungen um 15 Millionen Franken aufgestockt.

Vermietern wirft man oft vor, sie würden Mieterinnen und Mieter «abzocken». Den Vorwurf könnten erstere entkräften, indem sie ihre Rendite offenlegen. Viele Eigentümerinnen und Eigentümer weigern sich jedoch. Wieso?

Der Vorwurf lässt sich nicht erhärten. Dies belegen die Zahlen, die wir mit unserem «IAZI Swiss Property Benchmark» ausgewertet haben. Diese Entwicklung hat sich per Ende 2023 drastisch reduziert. Der «Netto Cash Flow Return» beträgt rund drei Prozent. Für die Investoren hat sich das Klima deutlich abgekühlt. Von einem systematischen Missbrauch kann keine Rede sein.  

Gemäss einer Prognose von Wüest Partner wird es 2024 in der Schweiz nicht mehr genügend Wohnraum geben. Was halten Sie davon?

Die Studie wurde meines Wissens nach vom Bundesamt für Wohnungswesen publiziert. Die Publikation hat einige Bewegung in der schon langen anhaltenden Diskussion ausgelöst: Wer sich bezahlbaren Wohnraum leisten kann und ob dieser auch in einem akzeptablen Mass zur Verfügung steht. Für die spezifische Frage nach dem Wohnraum hat nun der vom Bundesrat initiierte «Runde Tisch» Antworten geliefert: in Form eines Aktionsplans gegen die Wohnungsknappheit. Der Aktionsplan ist zweifellos ein wertvoller Schritt in die Richtung der konstruktiven Problemlösungen.

Im Grossen und Ganzen zielt der Plan darauf ab, das Bauen zu verdichten, schneller voranzutreiben und kostengünstiger zu gestalten, indem beispielsweise mehr preisgünstige Wohnungen entstehen. Ausgeblendet wird allerdings die Tatsache, dass sich das Bauen auch für die Investoren rentieren muss. Wenn die Rendite aus Immobilien bereits den Kosten der Hypotheken entspricht, fehlt der Anreiz, weiter zu investieren. Hinzu kommt, dass die Landpreise nicht sinken, da Landbesitzer nicht dazu verpflichtet sind zu verkaufen, insbesondere nicht zu einem reduzierten Preis. Wir sollten auch die steigende Nachfrage nach Einpersonenhaushalten nicht ausser acht lassen. In der Schweiz lebt bereits jede zweite Person in den Zentren allein. Der Bedarf an  Einpersonenhaushalten steigt. Jede Einzelperson braucht «ihre Küche» und «ihr» Bad. Es benötigt mehr Fläche, die für Einzelpersonen geeignet sind.

Sollte mehr auf alternative Wohnformen gesetzt werden, wie Gross-WGs oder vielmehr Cluster-Wohnungen?

Es ist wichtig, dass Menschen die Freiheit haben, über ihre Wohnsituation zu entscheiden, und nicht vorgeschrieben bekommen, wie sie leben sollen. Letztendlich ist es ein Zeichen des Wohlstands und des Erfolgs der Schweiz, dass wir uns unterschiedliche Wohnformen leisten können. Die Herausforderung besteht jetzt darin, Wohnformen zu entwickeln, die die Bedürfnisse von finanziell weniger gut bestellten oder gewissen sozialen Gruppen – Menschen mit Behinderungen, Senioren, Studenten – vollumfänglich abdecken. Hier bietet das Konzept des Generationenwohnens gute Möglichkeiten. Hier sind verschiedene soziale Gruppen im Rahmen einer Wohnsiedlung auf einem schönen, aber verdichteten Raum vereint, und die Flächen für Single-Haushalte sind eingespart.

Laut einer Studie von IAZI brachte der Februar eine minime Entlastung: Mietwohnungen wurden schweizweit zu 0,6 Prozent tieferen Preisen inseriert. Können Mieterinnen und Mieter deswegen aufatmen?

Die Schweizerische Nationalbank hat nun den Leitzins reduziert. Doch dies dürfte sich nicht sofort auf den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirken, denn dieser ist sehr träge. Die gute Nachricht: Handkehrum würde der Referenzzinssatz höchstwahrscheinlich dieses Jahr nicht erhöht werden. Das heisst: Der Vermieter wir nur die letzten beiden Erhöhungen des Zinssatzes weitergeben können. Bezüglich der Weitergabe von Inflation hat der Bundesrat vorgeschlagen, dass der bisherige Prozentsatz von 40 % reduziert werden sollte. Schliesslich haben nicht alle Vermieter die Mieten bei jedem Zinsschritt erhöht, weil dies mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden ist.

Wie sehen Sie die Zukunft?

Sehr interessant für die Branche wird die Digitalisierung in Kombination mit KI sein. Hier stehen wir erst am Anfang einer bahnbrechenden Entwicklung. Stellen Sie sich vor, Sie sehen beim Spazierengehen ihr Traumhaus und kriegen wenige Minuten später einen Kreditantrag auf Ihr Handy geliefert. In diese Richtung dürfte es gehen.

Was wünschen Sie der Schweiz in Bezug auf die Immobilienwirtschaft?

Gerade in Zeiten von Unsicherheiten und Krisen ist es sehr wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich wünsche der Immobilienwirtschaft dafür eine gute Entscheidungsbasis und die richtigen Entscheidungsinstrumente. IAZI setzt sich täglich dafür ein, die dafür nötigen Daten und Softwareprodukte weiterzuentwickeln und der Branche zur Verfügung zu stellen. 

Michael Rogenmoser

Michael Rogenmoser

Quelle: zvg

Michael Rogenmoser ist CEO der IAZI AG.

Michael Rogenmoser (45) ist seit September 2023 CEO von IAZI AG. Er bringt eine breite Erfahrung in der Schweizer Finanz- und Technologiebranche mit, wo er die letzten zehn Jahren verschiedene Management-Positionen innehatte, unter anderem als Länderchef der Schweiz und von Liechtenstein beim Banken-Finanzdienstleister Avaloq, als COO und Head of Business Development beim Hypothekar- und Immobilienspezialisten Moneypark und als Geschäftsbereichsleiter Versicherungen und Hypotheken beim Online-Vergleichs-portal Comparis. 

Zuvor arbeitete er zwölf Jahre als Unternehmensberater und Investmentbanker, unter anderem bei McKinsey, UBS und MilleniumAssociates. Michael Rogenmoser hat einen MBA in Corporate Finance und Information Management der Universität Bern. Ausserdem erwarb er den Titel «Chartered Financial Analyst». Er ist verheiratet und hat eine Tochter. (mgt) 

IAZI AG

Die IAZI AG mit Sitz in Zürich erbringt seit 30 Jahren umfassende Immobiliendienstleistungen aus einer Hand: Von der komplexen Immobilienmarkt-Analyse über Bewertungen von Liegenschaften, Benchmarking und Berechnung von Immobilienindizes bis hin zu umfassenden Softwarelösungen im Real-Estate-Portfoliomanagement oder Hypothekarbereich. Banken, institutionelle Immobilienin-vestoren, Fondsanbieter und die öffent-liche Hand arbeiten schon seit vielen Jahren erfolgreich mit IAZI AG zusammen, um ihre Dienstleistungsqualität im Immobilienbereich zu erhöhen. Rund 140 Spezialisten, verteilt auf die Standorte in der Schweiz und in Asien, garantieren die hohe Verlässlichkeit der Produkte und Dienstleistungen. – Für mehr Informationen: www.iazicifi.ch (mgt)

Chefsache

In der Interview-Serie «Chefsache» nehmen Exponenten der Bauwirtschaft in loser Folge Stellung zu Fragen rund um das Thema Führung und zu ihrem Unternehmen. Die Fragen richten sich nach den spezifischen Anforderungen der betreffenden Branche.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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