Bauregion Graubünden und Glarus: Hier knappe Finanzen, dort zu wenig Wohnraum
Während Glarus mit einem grossen Defizit abschliesst, verzeichnen seine drei Grossgemeinden Überschüsse – und bauen kräftig. In Glarus Nord entstehen aktuell 134 Wohnungen. Graubünden dagegen meldet statt 50 Millionen Defizit fast 90 Millionen Überschuss. Der Bündner Wohnbau kommt aber nur schleppend voran.

Quelle: ESAF / Fotografin: Taria_Hösli
Stolze 182 Tonnenwiegt der Holzmuni des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes - da kann auch das Trojanische Pferd einpacken.
Finanzpolitisch bleibt die Lage in Kanton Glarus angespannt: Das zurückliegende Jahr wurde mit einem Verlust von 9.4 Millionen Franken abgeschlossen, 2.7 Millionen höher als geplant. Fürs laufende Rechnungsjahr sieht der Regierungsrat abermals ein Defizit vor, diesmal 5.3 Millionen. Und in den Jahren 2026 bis 2028 wird der Kanton gemäss integriertem Aufgaben- und Finanzplan Verluste zwischen 6.9 und 9.1 Millionen erwirtschaften: Den Einsparungen durch das «Entlastungspaket 2025+» stehen stark steigende Gesundheits- und Sozialkosten gegenüber.
Trotzdem muss Glarus im laufenden Jahr investieren: Der Regierungsrat hat 1,7 Millionen Franken für die Instandhaltung und 9,6 Millionen Franken für die Instandsetzung der kantonalen Hochbauten budgetiert. Dazu kommen ein kantonaler Anteil von 4.6 Millionen für den Entwässerungsstollen Braunwald in der Gemeinde Glarus Süd und 10 Millionen für den Strassenunterhalt.
Gemeinden im Plus
Etwas besser sieht es in den Kassen der drei Glarner Grossgemeinden aus. Glarus Nord erzielte ein Plus von fast 8 Millionen Franken, nachdem das Budget einen Verlust in sechsstelliger Höhe enthalten hatte – höhere Steuereinnahmen sei Dank. Die Gemeinde hat dieses Jahr diverse kleinere und grössere Bauvorhaben realisiert, die alle im Zusammenhang mit der Durchführung des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests Glarnerland+ stehen. Der 182 Tonnen schwere Muni aus Holz ist nur eines davon.
Neben Holzmunis entsteht aber auch neuer Wohnraum in Glarus Nord: So soll beim Bahnhof Näfels-Mollis gemäss Baupublikation ein Mehrfamilienhaus mit 36 Mietwohnungen realisiert werden. Bereits im Bau ist die Überbauung Erlenpark, die 2027 bis 2028 gestaffelt fertiggestellt und 98 Mietwohnungen bereitstellen wird, aufgeteilt auf zehn Mehrfamilienhäuser.
Quelle: Bundesamt für Statistik

Quelle: Kanton Glarus
Bund, Kantone und die Gemeinde Glarus Süd realisieren zusammen den 36 Millionen Franken teuren Entwässerungsstollen Braunwald.
Neue Wohnungen in Glarus
Auch die Gemeinde Glarus hatte rund eine halbe Million Verlust budgetiert – und immerhin mit einem Plus von 2.9 Millionen abgeschlossen. Dazu darf sie sich über rege Wohnbautätigkeit freuen: Kürzlich wurden 70 neue Eigentumswohnungen auf der Spielhofwiese 70 fertiggestellt, die alle verkauft sind. Und das ist vermutlich erst der Anfang. In den Ortschaften Ennenda, Glarus, Netstal und Riedern könnten in den nächsten Jahren rund 1200 neue Wohnungen entstehen. Per Ende 2024 waren davon 100 im Bau und 342 im Bewilligungsverfahren. Gut 400 Wohnungen sind noch in Planung, die restlichen Projekte sind zurzeit noch durch Einsprachen blockiert.
Finanziell am schwierigsten ist die Lage in Glarus Süd. Zwar betrug der Buchgewinn eine Viertelmillion, wobei zudem 2 Millionen in die finanzpolitische Reserve eingezahlt werden konnten. Doch die Gemeinde leidet weiterhin unter einer hohen Nettoverschuldung, zu der sich auch ein signifikanter Investitionsstau gesellt.
Stollen entwässert Braunwald
Umso wichtiger, dass sich Glarus Süd bei der letzten Gemeindeversammlung im Juni investitionsfreudig zeigte: Sowohl ein Zusatzkredit für den Entwässerungsstollen Braunwald als ein Verpflichtungskredit für den Umbau des Gemeindehauses Schwanden wurden genehmigt. Im Fokus stand dabei der beantragte Zusatzkredit für das Entwässerungsprojekt im Raum Braunwald: Diese geotechnische Massnahme soll den Wasserdruck auf eine 40 Meter unter Terrain liegende Gleitschicht reduzieren, da der Druck zu mehreren Rutschprozessen geführt hatte, zuletzt 1999. Der geplante Stollen wird rund 36 Millionen Franken kosten, wovon Bund und Kanton maximal 80 Prozent übernehmen.
Der Umbau des Schwandener Gemeindehauses soll gemäss Gemeinde 8,4 Millionen Franken kosten, verteilt auf die nächsten zwei Jahre. Allerdings befürchtete ein Einwohner dennoch, dass man damit in eine Schuldenfalle tappt: Wegen der von ihm eingereichten Beschwerde musste das Projekt kurz nach der Zustimmung durch die Gemeindeversammlung schon wieder gestoppt werden.

Quelle: Ben Kron
Der Kanton Chur hat, anders als sein westlicher Nachbar Glarus, auf absehbare Zeit gefüllte Kassen.
Üppiger Überschuss für Bündner
Ziemlich umgekehrt zeigt sich das Bild im Nachbarkanton Graubünden, sowohl bei den Finanzen, als auch im Wohnungsbau: Die Rechnung 2024 schloss mit einem satten Gewinn von gegen 90 Millionen Franken, bei einem budgetierten Defizit von 50 Millionen. Gemäss Regierung ist dieses überraschend gute Ergebnis breit abgestützt: Sowohl der Steuer- als auch der Finanzertrag haben über Erwarten zugenommen. Fürs laufende Jahr erwartet die Exekutive ein ausgeglichenes Ergebnis, wobei sich erstmals die Steuerfusssenkung für natürliche Personen um 5 Prozent auswirken wird. Angesichts der prallen Kassen konnte der Kanton ruhigen Mutes ein grosses Bauprojekt in Angriff nehmen: 180 Millionen Franken kostet der Neubau der Fachhochschule Chur, der 2028 in Betrieb gehen soll.
Auch die Finanzhaushalte der Bündner Gemeinden sind in gutem Zustand, mit einzelnen Ausnahmen (siehe Kasten «Schmitten sucht Bräutigam» unten). Gemäss der neuesten Ausgabe der kantonalen Infobroschüre «Ginfo 1/25» erzielten im Jahr 2023 von damals noch 101 Gemeinden ganze 87 einen Ertragsüberschuss. Und dies, obwohl viele Kommunen in den letzten Jahren ihre Steuern gesenkt hatten. Nur 14 Bündner Gemeinden schrieben im Berichtsjahr Rote Zahlen.
Quelle: Bundesamt für Statistik
Wohnbauprojekte fehlen
Ein grosses Problem ist im Kanton Graubünden der knappe Wohnraum: Es fehlen neue Wohnbauprojekte, oder aber geplante Vorhaben sind durch Einsprachen blockiert. So hat das «Bündner Tagblatt» bei einer Umfrage vor zwei Jahren ermittelt, dass in den Südbündner Gemeinden rund 500 Erstwohnungen geplant waren. Ein Jahr darauf waren indes 360 von diesen Wohnungen von Einsprachen betroffen. Eine externe Grundlagenanalyse bestätigt diese Ergebnisse. Sie kommt zum Schluss, dass eine Entspannung bei der Wohnungsknappheit nicht vor 2026 zu erwarten sei. Und auch die Studie hält fest: «Die Dauer der Planungsprozesse – Stichwort Einsprachen – dürfte hier mitentscheiden.»
Eine Folge des Wohnungsmangels sind steigende Mietpreise: Im Kanton legten diese bei Neuvermietungen letztes Jahr um 4.2 Prozent zu – mehr als doppelt so stark wie im Schweizer Schnitt. Auch die Preise für Wohneigentum bleiben hoch, wenngleich sich der Anstieg etwas verlangsamt hat.
Schmitten sucht Bräutigam
In der Region Albula, an der Strasse zwischen Davos und Lenzerheide, liegt die gut 200 Seelen zählende Gemeinde Schmitten, die mit argen finanziellen Problemen kämpft. Oder genauer: In spätestens 2 Jahren sind die finanziellen Reserven aufgebraucht. Die wohl beste Lösung ist eine Gemeindefusion, wobei für die klamme Braut die drei Nachbargemeinden Davos, Albula und Bergün-Filisur als Bräutigam in Frage kommen.
Das Ganze hätten sich die Stimmbürger von Schmitten ersparen können: Im Rahmen der Bündner Gemeindefusionen 2013 gab es Bestrebungen, das ganze Tal zu einer einzigen Gemeinde Albula zu fusionieren. Doch dies hatten die Schmittener in einer Abstimmung abgelehnt, obwohl die östlich von Schmitten gelegene Gemeinde Wiesen bereits 2009 mit Davos fusioniert hatte und mit dem Entscheid gut gefahren ist. (bk)

Quelle: Visualisierung: Giuliani Hönger Architekten AG
2028 soll der Neubau der Fachhochschule Chur seine Türen öffnen.
Regierung schafft Förder-Instrument
Die Bündner Regierung ihrerseits hat, durch zwei Vorstösse aus dem Grossen Rat beauftragt, ein neues Gesetz zur «Förderung von Wohnraum im Kanton Graubünden» erlassen. Dieses schafft ein neues Instrument zur Förderung von genossenschaftlich organisiertem, gemeinnützigem Wohnungsbau. Zugleich erweitert das Gesetz den Kreis der Personen, die Fördermittel für den Erwerb, den Bau oder die Erneuerung eines Eigenheims beantragen können.
Aber nicht nur der Kanton, auch Gemeinden sind wegen der Wohnungssituation zum Handeln gezwungen. So wurde in Davos kürzlich eine Volksinitiative lanciert, um bestehenden, sogenannten altrechtlichen Wohnraum vor der Umnutzung in Zweitwohnungen zu schützen. Hintergrund: Das Bundesgesetz über Zweitwohnungen lässt Umnutzungen altrechtlicher Wohnungen unbeschränkt zu. Durch dieses gesetzliche Schlupfloch verliert die Gemeinde «jedes Jahr rund 50 Erstwohnungen», so die Davoser Regierung. Sie hat ihrerseits eine entsprechende Revision des kommunalen Zweitwohnungsgesetzes erarbeitet. Diese befindet sich beim Kanton zur Vorprüfung und soll noch 2025 beraten werden.