Bauarbeiterprotest für neuen Landesmantelvertrag in Bern
Fast tausend Baubeschäftigte haben am Freitag in Bern für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag und gegen überlange Arbeitszeiten demonstriert. Statt dem Fachkräftemangel mit besseren Bedingungen zu begegnen, machten die Baumeister das Gegenteil.
 
    Quelle: Manu Friederich
Fast tausend Baubeschäftigte haben am Freitag in Bern für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag und gegen überlange Arbeitszeiten demonstriert.
Die Protestierenden versammelten sich auf dem Berner Waisenhausplatz. Die meisten Baustellen in Bern und Umgebung standen am Freitag still, wie Unia- und Syna-Vertreter an einem Point de Presse sagten. Betroffen waren demnach auch die Grossbaustellen für den Umbau des Bahnhofs Bern und das neue Polizeizentrum in Niederwangen.
Nach der Kundgebung auf dem Waisenhausplatz zog ein
Protestumzug mit fast tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch die
Innenstadt, wie die Gewerkschaften Unia und Syna mitteilten. Auf Transparenten
war zu lesen «Keine 6-Tage-Woche auf dem Bau».
In diesem Jahr läuft der Landesmantelvertrag – der
Gesamtarbeitsvertrag – der rund 80'000 Schweizer Bauarbeitenden aus. Die fünfte Verhandlungsrunde ging diese Woche ergebnislos zu Ende. Kommt bis Jahresende
keine Einigung zustande, droht 2026 erstmals seit über einem Jahrzehnt ein
vertragsloser Zustand. Für Unia und Syna sind in diesem Fall Branchenstreiks
absehbar.
Grosser Fachkräftemangel absehbar
«Ohne Bauarbeiter geht nichts, das zeigen wir heute», sagte
Chris Kelley, Co-Leiter Sektor Bau von Unia auf dem Waisenhausplatz. Dem
Baugewerbe läuft gemäss einer Studie der Baumeister jeder zweite qualifizierte
Maurer davon, wie Nico Lutz erklärte, Verhandlungsleiter und Mitglied der
Unia-Geschäftsleitung. Bis 2030 fehlt demnach jeder vierte qualifizierte
Beschäftigte, bis 2040 jeder dritte.
Gleichzeitig wächst das Bauvolumen. Die Bauarbeiter seien
mit Arbeitstagen von bis zu neun Stunden in der Sommerhitze, Überstunden und
ausufernden Reisezeiten von den Firmen auf die Baustellen am Limit, sagte Lutz.
Überlange Arbeitstage
Dennoch will der Schweizerische Baumeisterverband den Angaben
zufolge die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern. Die Baumeister wollten
400 Überstunden im Jahr und den Samstag als normalen Arbeitstag ohne Zuschlag
festschreiben, erklärte Lutz. Weiterhin verweigerten sie die andernorts normale
bezahlte Znünipause.
Die durch überregionale Aufträge ausufernden Reisezeiten auf
die Baustellen wollten die Arbeitgeber auf bis zu zweieinhalb Stunden am Tag
festlegen. Eine halbe Stunde davon sei unbezahlt.
Auch mit dem Argument der höchsten Löhne nach der Lehre sei
es nicht weit her, fuhr Lutz fort. Die Anfangslöhne nämlich sollten nach dem
Willen der Baumeister um ein Viertel sinken. Von ihren Positionen sei die
Arbeitgeberseite in fünf Verhandlungsrunden nicht im Geringsten abgerückt.
Landesweite Aktionen
Mit Protesten und Arbeitsniederlegungen in allen
Landesteilen machen die Gewerkschaften derzeit auf ihre Anliegen aufmerksam.
Den ersten Protesttag gab es am 20. Oktober im Tessin. Nach Bern folgen nächste
Woche die Romandie und die Nordwestschweiz, später Zürich.
Der Schweizerische Baumeisterverband berät in der kommenden
Woche an der Delegiertenversammlung über das weitere Vorgehen. Die Baumeister
wollen die Wochenarbeitszeit bei 40,5 Stunden belassen und flexible
Arbeitszeiten, damit die Baustellen beispielsweise verlorene
Schlechtwetter-Arbeitszeit kompensieren können. Das bedeutet gemäss den
Gewerkschaften Arbeit am Samstag.
Das komme nur ausnahmsweise vor, beteuerte der Baumeisterverband am Mittwoch in einer Reaktion. An den guten Arbeitsverhältnissen halte man fest. Ein Langzeitkonto solle das Sparen von Mehrstunden ermöglichen. Bei den Reisezeiten sei den Baumeistern eine einfache Lösung für lokal tätige Betriebe wichtig. Die Protestaktionen würden gegen den aktuellen Vertrag und die Friedenspflicht verstossen, wiederholte der Verband. (sda)
 
                                     
                                     
                                     
                
                 
             
                                    