Neuartige Schallabsorber: Dünnschicht schützt vor Schall
Ein Forschungsteam der Empa hat neuartige Schallabsorber entwickelt. Sie sind rund viermal dünner als herkömmliche Schalldämmer bei gleicher Wirksamkeit. Geeignet für Innen- und Aussenbereiche, lassen sie sich auf unterschiedliche Frequenzbereiche abstimmen.

Quelle: Empa
Die neuen Schallabsorber werden in einer Einfahrt in Zürich getestet.
Mit unterschiedlichsten Massnahmen wird versucht, lästigen Lärmquellen den Garaus zu machen oder zumindest die Lautstärke der Störung auf ein erträgliches Mass zu reduzieren. Oft bestehen Schallabsorber aus Steinwolle oder Melaminschaum. Doch um auch tiefe Schallfrequenzen wirksam dämpfen zu können, nimmt die Schicht bei Verwendung dieser Materialien ein voluminöses Ausmass an, was die Fläche von Räumen reduziert. Daher zählt beim Kampf gegen Lärm bei Bauten jeder Zentimeter.
Die Wirksamkeit der Dämmschicht und der Platzverlust sind ein Dilemma. Als nachteilig erwiesen haben sich in solchen Fällen auch die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten sowie der Umstand, dass Schalldämmlösungen für Aussenbereiche oft nicht geeignet sind. Das Forscherteam der Empa hat deshalb gemeinsam mit dem Unternehmen de Cavis neuartige Schallabsorber entwickelt. Diese sind rund viermal dünner als herkömmliche Schallschutzschichten, sind jedoch auf gleiche Art wirksam gegen akustische Immissionen wie gängige Lärmschutzmassnahmen.
Schallwellen geraten ins Labyrinth
Als Ausgangsmaterial verwendeten die Forscherinnen und Forscher mineralische Gips- oder Zementschäume. Um beim Material von einer dünneren Schicht ausgehen und gleichzeitig eine hohe Schallabsorption erreichen zu können, setzten die Forschenden der Empa schliesslich bei der Porenstruktur an. Entscheidend für die Dämmwirkung ist zudem, dass die Poren möglichst gross sind, die Porenwände zugleich möglichst dünn. «Die variierende Porenstruktur der mineralischen Schäume zwingt die Luftpartikel auf einen längeren Weg, um in die winzigen hohlen Kanäle des Materials einzudringen und wieder hinauszugelangen», sagt um Bart Van Damme. Die Akustikforscher der Empa testeten für die Lärmminderung mehrere poröse Schichten. Zum einen variierten sie die Grösse der Poren und die Stärke der einzelnen Schichten. Zum anderen wurden die Schichten zusätzlich mit kleinsten Löchern versehen.

Quelle: Empa
Die variierende Porenstruktur der mineralischen Schäume zwingt die Luftpartikel auf einen längeren Weg, um ins Material und wieder hinauszugelangen. Trotz geringer Dicke entsteht so für die Schallwellen der Eindruck eines viel dickeren Absorbers.
Auf Basis eines numerischen Modells bildeten die Forscherinnen nach, wie auf kleinster Ebene die Luft durch die Poren der Mineralschäume strömt. «So lässt sich das akustische Verhalten des gesamten Materials simulieren und durch Variation von Porengrösse, Perforation und Schichtaufbau gezielt beeinflussen», beschreibt Van Damme das Vorgehen.
Prototyp in der Hofeinfahrt getestet
Mit der Wahl des Materials sind verschiedene Vorteile verbunden. Schäume lassen sich gezielt auf bestimmte Frequenzbereiche abstimmen. Verkehrslärm bewegt sich typischerweise im Bereich zwischen 500 und 1000 Hertz. Modellrechnungen zeigen, dass für diesen Frequenzbereich vier abgestimmte Schichten aus feinporigem Mineralschaum mit einer Gesamtstärke von rund 5,5 Zentimetern als Dämmmaterial ausreichen.
Ein erster Prototyp der patentierten Konstruktion mit insgesamt zwölf Quadratmetern Fläche wurde bereits in einer Hofeinfahrt zusammen mit dem zuständigen Amt der Stadt Zürich getestet. In der vorgängigen Simulation der Einfahrt optimierten die Forschenden die Anordnung der einzelnen Paneele an den Wänden. Kontrollierte Messungen vor Ort bestätigten die Prognosen. Der Lärmpegel sank dank den 72 Paneelen um bis zu 4 Dezibel. Besonders deutlich war die Wirkung bei vorbeifahrenden Autos, die sich der Einfahrt näherten oder von ihr entfernten, da der Schall auf dem Weg in den Innenhof mehrfach an den Paneelen reflektiert wird.
Die neuen Absorber sind im Vergleich mit Dämmschichten herkömmlicher Steinwolle bei tiefen Frequenzen zuverlässiger, bei höheren dagegen etwas weniger effizient, wie es in der Mitteilung heisst. Zugleich zeigte es sich, dass mineralischen Schallabsorber dennoch die Schallübertragung im Bereich der Spitzenabsorption reduzieren. «Bereits eine so kompakte Installation wie in der Einfahrt senkt also den Lärm deutlich», so das Fazit von Van Damme.
Mehr Gestaltungsfreiheit gewinnen
Die mineralischen Schallabsorber eröffnen aus gestalterischer Sicht Spielräume. Da der poröse Mineralschaum aus demselben Material wie bei vielen Wandoberflächen besteht, lassen sich die Elemente gut in Treppenhäusern oder grossen Innenräumen wie Büros, Kantinen oder Sporthallen integrieren. «Idealerweise werden die Absorber bei Neubauten bereits im architektonischen Entwurf berücksichtigt», erläutert Van Damme.

Quelle: Empa
In diesen Schallabsorbern verirrt sich der Lärm regelrecht. Sie sind daher nur ein Viertel so dick wie herkömmliche Materialien.
Nachträglich montiert werden könnten die neuartigen Schallabsorber künftig auch bei lärmbelasteten Strassen neben Einfahrten, unter Balkonen oder an Fassaden. Wie bei allen offenporigen Absorbern ist dabei jedoch vorauszusetzen, dass ein Schutz vor Witterung und Verschmutzung besteht, etwa durch eine perforierte Deckschicht. Verarbeitung und Montage der Platten vor Ort sind laut der Mitteilung einfach zu bewerkstelligen.
Wetterfeste Zementschäume für Aussenbereich
Hergestellt aus Gips oder Zement, können die neuartigen Absorber feuerfest und recycelbar sein. Weil keine gesundheitsschädlichen Partikel freigesetzt werden, ist der Einsatz von Gips- oder Zementschäumen loaut den Empa-Forschern in Innenräumen unbedenklich. Zementschäume sind zudem wetterfest und damit auch für den Aussenbereich geeignet.
Je nach Bedarf können die mineralischen Absorber beispielsweise besonders tiefe Töne in grossen Sälen dämpfen. Oder adaptiert auf den Mitteltonbereich, könnten sie gegen Verkehrslärm oder in Büros und Unterrichtsräumen Wirkung entfalten.
Lösung für mehrere Ansprüche
Dank der Modellierung lässt sich der Absorber nun flexibel im Masse fertigen. Schäume aus Gips oder Zement mit über 90 Prozent Porenanteil liessen sich mit etablierten Verfahren herstellen, während dagegen die Perforierung noch von Hand durchgeführt werden musste. Aktuell ist die Fertigung daher noch aufwendig. Gemeinsam mit einem geeigneten Industriepartner soll das Material nun weiterentwickelt und in grösserem Massstab produziert werden.
Die Forscher bei Empa und de Cavis sind überzeugt vom vorhandenen Potenzial. Das gilt insbesondere für Spezialanwendungen an Orten, wo ein begrenzter Platzbedarf, vorgeschriebene Brandschutzmassnahmen oder gestalterische Ansprüche gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Die Idee für den Absorber entstand laut Bart Van Damme übrigens bereits vor einigen Jahren. Der Durchbruch gelang jedoch erst durch die Kombination von Materialentwicklung und akustischer Modellierung im Rahmen eines Innosuisse-Projekts. (mgt/sda/sts)