Höllgrotten in Baar ZG: Im Reich der Tropfsteine

Quelle: Silva Maier
Wer aus dem grellen Sonnenlicht in die Höllgrotten tritt, wähnt sich in einem märchenhaften Reich.
Eigentlich hatte alles mit dem Bau der Eisenbahnlinie
Zürich-Zug angefangen, oder vielmehr mit den Bauarbeiten für die Teilstrecke
durch das Knonaueramt. Innert weniger Jahre fertiggestellt, war sie 1864 in
Betrieb gegangen, büsste jedochbereits rund dreissig Jahre später mit der
Eröffnung der Strecken Thalwil-Zug und Zug-Arth-Goldau ihre Bedeutung als
Gotthardzubringerin wieder ein. Aber die Region verdankt ihr die
Entdeckung eines einzigartigen, geologischen Schatzes: der Höllgrotten im
Lorzentobel bei Baar. Seit bald 150 Jahren sind sie ein beliebter Ausflugsort,
der mit seinen unterirdischen Seen und bizarren Steingebilden nicht von
dieser Welt zu sein scheint.
Das verwunschene Tobel, durch das die Lorze fliesst, ist vor
rund 18'000 Jahren am Ende
der letzten Eiszeit von Gletscherflüssen im
Zusammenhang mit der Schmelze des Reussgletschers in
den Fels gekerbt worden. Dabei türmte das
kalkhaltige Wasser nach und nach einen rund 30 Meter hohen, 50 Meter tiefen und
200 Meter langen Quelltuffberg auf: Tuff besteht eigentlich aus verkalkten
Pflanzen, Moosen oder Zweigen. Weil sich dieses lockere, poröse Material gut schneiden lässt,
funktioniert es gut als Baumaterial. Und so entstanden
an den Hängen des Tobels Jahrtausende später Steinbrüche. Wann der erste Tuff
dort geschlagen wurde, ist laut der Informationstafel beim Aufstieg zum
Eingang der Höllgrotten nicht bekannt.
Fest steht aber, dass er im 19. Jahrhundert für den Bau der eingangs erwähnten Zugstrecke durchs Knonaueramt verwendet worden ist, etwa für die Auskleidung des Tunnels beim zürcherischen Bonstetten. Und so stiess der Bauer und Steinbruchunternehmer Josef Leonz Schmid 1863 beim Abbau für das Eisenbahnprojekt auf eine spektakuläre Tropfsteingrotte: Wenige Meter unter dem Boden wölbte sich eine hohe Kuppel aus lauter vom kalkhaltigen Wasser gebildeten Stalaktiten über einen kleinen See, an dessen Ufer die stetig herabfallenden Tropfen einen kugeligen, an eine Schildkröte gemahnenden Stalagmiten geschaffen hatten. Daneben scheint ein Krokodil aus dem Wasser zu kriechen; Es ist eigentlich ein Baumstamm, der einst von der Lorze in die Höhle geschwemmt worden ist und der im Laufe der Zeit vollkommen verkalkte. Um das bizarre, kleine Reich zu retten stellte man in der Folge den Tuffabbau ein – und machte es 1887 der Öffentlichkeit zugänglich. Heute liegt die Grotte am Anfang des Wegs durch die Höllgrotten. Ihr Anblick versetzt heute wie damals in Erstaunen.

Quelle: Silva Maier
Stalaktiten bilden eine Kuppel, die bunte Beleuchtung macht ihre Struktur deutlich.
Der «Dom» ist Teil eines Höhlensystems
Denn bald zeigte sich, dass die «Dom» genannte Grotte lediglich Teil eines grösseren Systems aus weiteren Grotten ist, dessen Besonderheit darin liegt, dass es in einer Zeitspanne von gerade mal 3000 Jahren enstanden ist und nur wenige Meter unter der Erdoberfläche liegt. Üblicherweise bilden sich Tropfsteinhöhlen tief im Grund, wo sie über Jahrmillionen von unterirdisch abfliessendem Wasser geformt werden. 1892 und 1902 sind weitere Grotten entdeckt worden. Schliesslich kaufte der Sohn des Entdeckers der Grotten, Ständerat Josef Leonz Schmid, das angrenzende Land. Dies, um die Höhlen zusammenzuführen und damit die unterirdische Märchenwelt auch in Zukunft als Touristenattraktion erhalten bleibt.
Die Grotten erzählen jedoch nicht nur von einem Stück Klima- und Erdgeschichte: Sie sind auch geprägt von der Industrie der Umgebung. Weil die Quellen, die den Tuffberg geformt und die auch die Grotten gebildet hatten, von der Spinnerei an der Lorze in Stollen geleitet worden sind, wurde sein Inneres trockengelegt. Das Wachstum von Stalaktiten und Stalagmiten kam zum Erliegen. Wer die kalküberzogenen Wände genau betrachtet, erkennt an waagrechten Linien, wie hoch das Wasser früher in den Höhlen gestanden hatte. Allerdings: Ganz ohne Feuchtigkeit müssen die Grotten nicht auskommen, sie werden seither künstlich berieselt. Das ist wichtig, sonst werden die fantastischen Gebilde brüchig.
Höllgrotten, 6340 Baar
Geöffnet vom 1. April bis 31. Oktober, täglich von 9 bis 17 Uhr
Weitere Informationen auf www.hoellgrotten.ch
Weiterer Tipp: Schlaufensteg, 6340 Baar
Der Schlaufensteg ist eine Sehenswürdigkeit in der Nähe der Höllgrotten: eine Treppenanlage mit mehreren Aussichtsplattformen auf einer Höhe von bis zu 22 Meter. Informationen zum Holzbau aus der Feder der Baarer «2eck Architekten» und zur Lage auf www.schlaufensteg.ch