10:19 VERSCHIEDENES

Eawag-Studie: Quaggamuschel wird sich in Schweiz massiv ausbreiten

Teaserbild-Quelle: California Department of Fish and Wildlife, Flickr, CC BY 2.0

Die invasive Quaggamuschel wird sich in den Schweizer Seen voraussichtlich massiv ausbreiten. Das zeigt eine neue Studie unter anderem von der Eawag. Die Muschel verursacht Probleme bei Wasserentnahmesystemen und Anlagen zur Wärme-/Kältenutzung.

Quaggamuscheln im Genfersee.

Quelle: Linda Haltiner, Eawag

Erobern die Schweizer Seen: Quaggamuscheln im Genfersee.

Die Quaggamuschel habe bereits in zahlreichen Schweizer Gewässern Fuss gefasst, heisst es in einer Mitteilung des Wasserforschungsinstitut Eawag von Donnerstag. Nun wurde erstmals für drei betroffene Schweizer Seen eine Vorhersage erstellt, die zeigt, in welchem Ausmass sich die invasive Muschel dort weiter ausbreiten wird.

Untersucht wurde dies im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Forschern der Eawag, der Universitäten Genf und Konstanz und anderen Institutionen. Gemäss der in der Fachzeitschrift «Environmental Research Letters» publizierten Studie dürfte die Biomasse pro Quadratmeter in Bodensee, Genfersee und Bielersee in den nächsten 22 Jahren um den Faktor 9 bis 20 anwachsen.

Probleme bei Wasserentnahmesystemen

Die Quaggamuschel dürfte damit vermehrt auch in die tieferen Bereiche der Seen vordringen, heisst es weiter. Die Forscher erwarten gemäss Mitteilung in den tiefen Seen des Alpenvorraums eine vergleichbare Dynamik, wie sie in den Grossen Seen Nordamerikas beobachtet wird – hier wurde die Muschel mehr als 20 Jahre früher als in Europa eingeschleppt.

Hier wie dort verursache die invasive Art Probleme bei Wasserentnahmesystemen und Anlagen zur Wärme-/Kältenutzung, indem sie deren Rohre verstopft. Darüber hinaus habe die Muschel auch die Nährstoffdynamik verändert: Der Phosphorkreislauf in den betroffenen Grossen Seen werde nun durch die Populationsdynamik einer einzigen benthischen Art – der Quaggamuschel – gesteuert.

Grafik Biomasse Quaggamuschel

Quelle: Kraemer et al., 2023, überarbeitet

Berechnete Biomasse der Quaggamuscheln pro Quadratmeter über einen Zeitraum von 33 Jahren seit dem ersten Nachweis. Die Punkte repräsentieren den Zustand im Jahr 2022.

Ausbreitung in betroffenen Seen nicht aufhaltbar

In Seen, die bereits betroffen sind, lässt sich die Dynamik laut Eawag aufgrund der Invasivität der Muschel nicht mehr aufhalten. «Das ist leider eine schlechte Nachricht für die tiefen Seen des Alpenvorraums, die von der Quaggamuschel betroffen sind», sagt der Biologe Piet Spaak, Schweizer Quaggamuschel-Spezialist, Gruppenleiter an der Eawag und Letztautor der Studie.

Laut Spaak könne man aber die Folgen abfedern, indem man die Infrastruktur so gestalte, dass die Muscheln und ihre Larven nicht eindringen können. Zum Beispiel beim Zürichsee und Vierwaldstättersee, wo die Muschel noch nicht gefunden wurde. Mit einer Reinigungspflicht für Boote und gezielten Informationskampagnen könnte die Ausbreitung hier noch verhindert werden.

Vergleich mit Grossen Seen in Amerika

In der Schweiz wurde die Quaggamuschel erst 2014 nachgewiesen. In den Seen Nordamerikas breitet sie sich seit den späten 1980er-Jahren aus. In der Studie verglichen die Forscher um Erstautor Benjamin Kraemer von der Uni Konstanz deshalb die Daten vom Beginn der Ausbreitung aus vier der fünf Grossen Seen Nordamerikas (Huron, Ontario, Michigan und Erie) mit Daten aus drei Schweizer Seen.

Dabei zeigte sich, dass das Ausbreitungsmuster tatsächlich weitgehend übereinstimmt. Kraemer: «Wir gehen deshalb davon aus, dass die Ausbreitung der Quaggamuschel in Europa mindestens ähnlich schnell erfolgen wird.» Wie in Nordamerika werde dieser Anstieg durch eine Entwicklung hin zu grösseren Individuen – und somit einer höheren Biomasse pro Fläche – und eine Verlagerung in grössere Tiefen gekennzeichnet sein.

Forscher bestimmen Quaggamuschel-Biomasse

Quelle: Eawag, Esther Michel

Forscher bestimmen die Quaggamuschel-Biomasse in besiedelten Seen.

Durch die Quaggamuschel werden laut Kraemer die Sichttiefe des Wassers erhöht und Nährstoffe und Kohlenstoff durch den Aufbau ihrer Schale gespeichert. Laut dem Forscher gibt es noch viele Unbekannte. «Die endgültige Auswirkung der Quaggamuschel wird davon abhängen, wie sie mit dem Klimawandel und anderen zukünftigen Umweltveränderungen interagiert.»

Mögliche Folgen für betroffene Gewässer könnten sein:

  • Rückgang des Planktons, da Quaggamuscheln grosse Mengen Phytoplankton herausfiltern
  • Zunahme der Sichttiefe durch den Rückgang des Planktons
  • Veränderung der Artengemeinschaften und des Nahrungsnetzes
  • Veränderungen bei den Fischbeständen
  • Erhöhter Wartungsaufwand und höhere Kosten für Wasserinfrastruktur
  • Mehr Muschelschalen im Uferbereich
Ausbreitung Quaggamuschel in Schweizer Seen

Quelle: Eawag, basierend auf REABIC / doi.org/10.3391/ai.2022.17.2.02)

Aktuelle Verbreitung der Quaggamuschel in Schweizer Seen (Rote Punkte). Der erste Fund war in 2014 in einer Umwelt-DNA-Probe vom Rhein in Basel. Die Jahreszahlen neben den Punkten geben das Jahr der Erstentdeckung an.

Monitoring für genauere Daten

Laut Spaak muss der Vergleich etwa alle fünf Jahre wiederholt werden, um die Dynamik laufend zu erfassen. Die Eawag wird gemäss Mitteilung auch für die anderen Schweizer Seen das Monitoring der Quaggamuschel zusammen mit Bund und Kantonen in den nächsten Jahren weiter vorantreiben.

Neue Methoden, etwa via Umwelt-DNA, unterstützen die Forscher dabei. Dadurch sollen Neubesiedlungen in bisher nicht betroffenen Seen möglichst früh erkannt werden und auch Verbreitungsmuster und Populationsdynamik noch besser untersucht werden. (mgt/pb)

Zur Mitteilung der Eawag: www.eawag.ch

Zur Studie in der Fachzeitschrift «Environmental Research Letters»: iopscience.iop.org

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