12:03 VERSCHIEDENES

Den Salz-Ausblühungen am Marmor auf der Spur

Teaserbild-Quelle: © Rathgen Forschungslabor, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Salzkristalle verunzieren Giuseppe Torrettis Relief «Die Anbetung der Hirten», das heute im Museum für Byzantinische Kunst in Berlin ausgestellt ist. Deutsche Forscher sind ihrer Struktur auf den Grund gegangen und haben Erkenntnisse gewonnen, die helfen, solche Schäden zu verhindern.

Marmorrelief die Anbetung des Hirten von Giuseppe Torretti

Quelle: © Rathgen Forschungslabor, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Giuseppe Torrettis Marmorrelief «Die Anbetung des Hirten» überstand den 2. Weltkrief nur in Fragmenten (bräunliche Teile), die hier mit einem Schwarzweiss-Foto des unversehrten Kunstwerks zu einer Gesamtansicht kombiniert wurden. 

Bei dem Kunstwerk handelt es sich konkret um das Relief «Die Anbetung der Hirten»des italienischen Bildhauers Giuseppe Torretti (1664-1743). Das Marmor-Relief ist etwa 300 Jahre alt und hat eine bewegte Geschichte hinter sich, schreibt das Max-Planck-Institut. Ende des 2. Weltkrieges gelangte es in die Sowjetunion. Dort wurden die kriegsbedingten Schäden des nur noch in Fragmenten erhalten gebliebenen Reliefs mit einem Kleber repariert.

Nach Restaurierung erneut Salzkristalle

Anfang der 1990-Jahre kehrte das Kunstwerk wieder ins Berliner Museum für Byzantinische Kunst zurück. Dort wurde der Kleber von den Restauratoren entfernt und durch Ethylacetat, einen Ester der Essigsäure, ersetzt. Doch genau dies führte wahrscheinlich zu chemischen Veränderungen der Oberfläche. Nach wenigen Jahren bilden sich nadelförmige weisse Ausblühungen, die das Kunstwerk verunstalten. Ähnliche Beobachtungen war auch an anderen alten Kunstwerken gemacht worden.

Experten des Rathgen-Forschungslabors aus Berlin wiesen nun nach, dass es sich dabei um Calciumacetat-Hemihydrat handelt. Dieses Calciumsalz der Essigsäure enthält Wasser. Fazit: Das Calcium aus dem Marmorgestein hat sich mit Acetat-Ionen, die aus dem verwendeten Lösungsmittel entstanden waren, zum Salz verbunden.

Fragment eines Hirten aus Giuseppe Torretties Relief

Quelle: © Rathgen Forschungslabor, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Am Fragment eines Hirten aus Giuseppe Torretties Relief finden sich weisse Ausblühungen von Calciumacetat-Hemihydrat.

Gebündelte Forschungsarbeit

Den Wissenschaftlern gelang erstmals die genaue Bestimmung der Kristallstruktur dieser Verbindung. Um den Schäden an Torrettis Relief besser analysieren zu können, zog Gerhard Eggert vom Institut für Konservierungswissenschaften an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart auch den Leiter der Röntgenographie des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung, Robert Dinnebier, hinzu.

Das Forscherteam ist als eines der wenigen weltweit in der Lage, auch sehr schwierige Strukturbestimmungen vorzunehmen. Gefördert wurde das Projekt „Auf der Suche nach der Struktur“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Zu wenig Probematerial

Auch in diesem Fall gelang der Nachweis, obwohl nicht auf Probenmaterial von den Ausblühungen des Reliefs zurückgegriffen werden konnte, da grössere Mengen für das Röntgendiffraktometrieverfahren benötigt werden.

Die Forscher mussten deshalb eigenes Calciumacetat-Hemihydrat synthetisieren. Dazu liessen sie ein halbes Jahr lang bei geringer Luftfeuchtigkeit eine Calciumacetatlösung in einem abgedeckten Terrakottatopf stehen. Die Lösung durchdrang langsam die Poren der Topfwand und kristallisierte auf deren Aussenwand als Calciumacetat-Hemihydrat aus.

Quelle: © Sebastian Bette

Salz mit ungewöhnlicher Struktur: Wie Max-Planck-Forschende festgestellt haben, kristallisiert das Calciumacetat-Hemihydrat, aus dem die Ausblühungen an Torrettis «Die Anbetung der Hirten» bestehen, in einer Dreifachhelix, wie sie auch von Kollagen gebildet wird.

Dreifachhelix wie Protein

Auch die Struktur konnte nachgewiesen werden: Die Calcium-Ionen bilden spiralförmige Ketten, ähnlich einer Helices. Die Acetat-Ionen wiederum sitzen überbrückend zwischen den Calcium-Ionen. Insgesamt wickeln sich drei Calcium-Schnüre umeinander. Derartige Helix-Strukturen sind in der Natur bekannt, unter anderem bei der DNA. Besondere Ähnlichkeit bestehe laut Dinnebier mit der Struktur von Kollagen-Proteinen.

Die Ähnlichkeit zu Kollagen macht das Calciumacetat-Hemihydrat für die Forscher nun zu einer hochinteressanten Substanz. Sebastian Bette: „Kollagen spielte in der Evolution eine wichtige Rolle beim Übergang von der Ein- zur Mehrzelligkeit und damit auch beim Entstehen von Geweben.“ Mit Calciumacetat-Hemihydrat oder auch einem möglichen Calciumglycinat könnten sich nun ganz neue bioanorganische Möglichkeiten ergeben wie die Herstellung von Proteinen mit helikalen Strukturen. (cb/mgt)

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