08:02 MEINUNG

Kolumne zum Donnerstag: Teure Schweizer Insellösung

Geschrieben von: Andreas Steffes
Teaserbild-Quelle: libertyslens, Flickr, CC

In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Andreas Steffes, Geschäftsführer von Stahlpromotion Schweiz.

Wir leben heute stark über unsere Verhältnisse. Wie stark, ist genauso umstritten wie die Folgerungen, was zu tun ist. Dies zeigte sich eindrücklich an der politischen Diskussion zur «Grünen Wirtschaft». Einigkeit herrscht aber darüber, dass heute bei allen Entscheidungen Umweltauswirkungen berücksichtigt werden müssen. Um eine Entscheidungsgrundlage zu bieten, wurde das Konzept der Ökobilanzierung entwickelt. Die Schweiz hat dabei eine Vor- reiterrolle übernommen und früh ein praxistaugliches Konzept vorgestellt.

Die Schweizer «Umweltbelastungspunkte» (UBP) der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) bilden die Umweltbelastung einzelner Produkte ab. Die Details können auf der Datenbank Ecoinvent abgerufen werden. Diese UBP können für verschiedene Produkte verglichen und gegenübergestellt werden. Die Praxistauglichkeit stösst jedoch an ihre Grenzen, wenn sich Produktionsprozesse verändern oder nicht eindeutig zugeordnet werden. Für eine Änderung der UBP der Produkte sind heute die Hersteller zuständig. So macht es einen grossen Unterschied, ob Stahl aus Schrott oder aus Primärrohstoffen produziert wird.

Sitzt der Hersteller im Ausland, findet oft keine Anpassung der UBP statt. Für die Importeure und Grosshändler, die eine Vielzahl von Produkten aus Stahl vertreiben, ist die relativ teure Anpassung der UBP nicht tragbar. So unterscheiden sich die UBP für Stahlträger und Bewehrungsstahl erheblich, obwohl das in der Schweiz erhältliche Material quasi identisch produziert wird. Ein Vergleich ist dadurch unmöglich, und die Ökobilanzierung verkommt zur Farce.

Heute bräuchte es diese Schweizer Lösung der UBP nicht mehr. Längst haben sich im europäischen Raum Umwelt-Produktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPD) durchgesetzt. Diese beruhen auf der harmonisierten europäischen Norm EN 15804 und haben damit auch für die Schweiz Gültigkeit. Es werden identische Werte durch die Hersteller erhoben. Die Informationen sind für jedermann zugänglich. Der Ansatz wird zudem kontinuierlich weiterentwickelt, um zum Beispiel auch die Themen der Kreislaufwirtschaft abzubilden. Die Transparenz und Vergleichbarkeit sind nicht nur zwischen einzelnen Produktkategorien möglich, sondern reichen bis zu den verschiedenen Produkten eines Herstellers.

Einmal mehr leistet sich die Schweiz mit den UBP eine Insellösung, die von der Baubranche bezahlt werden muss und unsere Produkte unnötig gegenüber dem Ausland verteuert, ohne dass sie zusätzliche Informationen liefert. Selbst für eine bessere Bewertung von «Swissness» zeigen sich die EPD offen. So können sich kürzere Schweizer Transporte dank den Rechenregeln der Norm EN 15804 in einer besseren Ökobilanzierung niederschlagen. Es wäre dringend angezeigt, dass die KBOB entweder auf die nutzlose Doppelerhebung der UBP verzichtet oder deren Berechnung eigenständig aus den existierenden EPD vornimmt, um vertrauenswürdige Daten zu erhalten.

Geschrieben von

Geschäftsführer der Stahlpromotion Schweiz.

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