07:13 MANAGEMENT

Schweizer Unternehmen sind resilient gegen Krisen

Teaserbild-Quelle: NIAID-RML, CC BY 2.0

Dank einer hohen Eigenkapitalquote, eines fortgeschrittenen Digitalisierungsgrades und unkomplizierter staatlicher Unterstützungsmassnahmen kamen Unternehmen in der Schweiz finanziell resilienter durch die vergangenen Krisenjahre als als jene in Deutschland und Österreich. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.

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Quelle: NIAID-RML, CC BY 2.0

Sorgten für beinahe zwei Jahre Ausnahmezustand: Coronaviren. (Gefärbtes Transmissionselektronenmikroskopbild zeigt SARS-CoV-2 - auch bekannt als 2019-nCoV, das Virus, das COVID-19 verursacht.)

Krisenereignisse können sich wirtschaftlich vielfältig auswirken: Sie reichen von Umsatzrückgängen, Kostenanstiegen, Lieferkettenproblemen, Arbeitsplatzverlusten bis hin zu einer Destabilisierung ganzer Branchen und Volkswirtschaften. Solches war während und nach der Coronapandemie, gefolgt von Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation machte sich auch in der Schweiz bemerkbar.

Doch welche Faktoren machen Unternehmen resilient gegen solche Einflüsse? Antworten liefert eine Studie der HSLU und der Fachhochschule Kiel, für die börsenkotierte Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht worden sind. Die Autorinnen und Autoren identifizierten dazu besonders krisenanfällige sowie besonders krisenresistente Unternehmen und verglichen diese miteinander. Dabei stellten sie fest, dass es bezüglich Krisenresilienz nicht nur zwischen den einzelnen Branchen, sondern auch zwischen den Ländern Unterschiede gibt.

Coronakrise zeigte Widerstandsfähigkeit von Unternehmen

«Die Coronakrise erlaubte erstmals seit langem, die Krisenwiderstandsfähigkeit von Unternehmen zu untersuchen», wird Studienleiter Stefan Hunziker in der Medienmitteilung zitiert. Zuletzt sei dies nach der Finanzkrise 2007/2008 möglich gewesen. So machte die Pandemie deutlich, dass Unternehmen die Engpassbereiche ihres Geschäftsmodells kennen müssen, die von externen Krisenereignisse betroffen sind. Diese können zu dramatischen Ertrags- und Liquiditätseinbrüchen sowie Kostenexplosionen führen. «Solche Engpassbereiche nicht nur zu kennen, sondern gezielt zu reduzieren, kann im Krisenfall den Unterschied zwischen erfolgreicher Bewältigung und Insolvenz ausmachen», so der HSLU-Professor.

Schweizer Unternehmen resilienter als jene in Deutschland und Österreich

Was viele bisher vermuteten, zeigt die Studie: Punkto Krisenwiderstandsfähigkeit waren die Schweizer Unternehmen ihren deutschsprachigen Nachbarn voraus - beispielsweise in Sachen Umsatzrendite, einer zentralen Risikokennzahl zur Messung der Krisenresilienz. Sie ist in der Schweiz insgesamt höher. Wesentlich dazu beigetragen habe die hohe Agilität von Wirtschaft und Politik während der Pandemie, heisst es in der Medienmitteilung. So verlief die Umstellung auf Homeoffice und digitale Vertriebskanäle hierzulande schneller. Denn auch wenn der Digitalisierungsgrad in der Schweiz zwar noch einigen Verbesserungsbedarf hat,  ist er laut Hunziker demjenigen in Deutschland in mehreren Bereichen voraus.

Weitere Indikatoren sind die überdurchschnittlich hohe Eigenkapitalausstattung und niedrige Aufwandquote von Schweizer Unternehmen. In beiden Bereichen sind die resilienten Schweizer Unternehmen signifikant besser. Die Eigenkapitalausstattung trägt nicht nur zum Abpuffern einzelner Risiken bei, sondern vermindert auch die Gefahr einer Überschuldung und erleichtert die Cash-Beschaffung. «Eigenkapital signalisiert Vertrauen, Solvenz und Leistungsfähigkeit, und dies interessierte die potenziellen Kreditgeber wie Banken», so Hunziker. Eine hohe Eigenkapitalausstattung sei deshalb ein wirksamer Schutz gegen Liquiditätsengpässe. Die niedrige Aufwandquote ist ein Indikator für ein robusteres Geschäftsmodell sowie eine grössere Kosteneffizienz.

Schnelle, unbürokratische Unterstützung vom Staat 

Zusammen mit einer hohen Diversifizierung der Schweizer Wirtschaft und weiterhin starken Exporten von beispielsweise Pharmazeutika gerieten die Schweizer Unternehmen insgesamt weniger in Liquiditätsengpässe. Das heisst: Die Insolvenzwahrscheinlichkeit war niedriger. Auch seien die staatlichen Unterstützungsmassnahmen in der Schweiz schnell und unbürokratisch initiiert worden und die Corona-Politik vergleichsweise liberaler gewesen als in Deutschland. All dies hätte dafür gesorgt, dass hierzulande die Krisenwiderstandsfähigkeit der Unternehmen während der Coronakrise durchschnittlich höher war. 

Allerdings betont Hunziker, dass nicht alle Branchen gleich und zum selben Zeitpunkt betroffen waren. Während in der Pandemie die konsumnahen Branchen und die Industrie stärker tangiert waren, leiden bei Zinsanstieg und Inflation neben der Industrie auch der Bau- und Immobilienbereich besonders stark. Daher beziehen sich die Aussagen auf die Volkswirtschaft als Ganzes.

Stärkung der Krisenwiderstandsfähigkeit braucht Ressourcen

Insgesamt steht die Stärkung der Krisenwiderstandsfähigkeit in einem gewissen Zielkonflikt zur Verbesserung der Kosteneffizienz, weil der Aufbau von Puffern zusätzliche Ressourcen in Form von Eigenkapital- und Liquiditätskosten verbraucht. Hier besteht die Herausforderung für Unternehmen darin, ein entsprechendes Gleichgewicht zu finden.

Hunziker geht davon aus, dass den meisten Unternehmen nach diesen Krisen klarer geworden ist, wie wichtig entsprechende Vorbereitungen sind. Unternehmen tun gut daran, ihre Engpassbereiche zu kennen und über entsprechende operationale, finanzielle und personelle Puffer und Flexibilität nachzudenken. Denn: Die nächste Krise ist kommt, auch wenn «längere ruhigere Zeiten» für eine Illusion der Unverletzlichkeit sorgen. (mgt/mai)

ERM-Report 2023

Das Ziel des ERM-Report 2023 ist es, börsenkotierte Unternehmen der DACH-Region aus verschiedenen Branchen über einen Zeitraum von fünf Jahren anhand von ausgewählten Kennzahlen in Bezug auf ihre finanzielle Krisenanfälligkeit bzw. -resilienz zu bewerten, mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren und wichtige Implikationen für das Risk Management abzuleiten. Die Unternehmensdaten wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren erhoben und analysiert (2018 bis 2022). Dabei umfasst die Stichprobe insgesamt 505 Unternehmen aus der DACH-Region, von denen 70 Unternehmen aus Österreich, 234 Unternehmen aus Deutschland und 200 aus der Schweiz stammen.

Die Ergebnisse sind nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für die Wirtschaft der gesamten DACH-Region von Bedeutung, da die Stabilität und das Wachstum der Unternehmen eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Region verbunden sind. Aus der umfassenden Datenanalyse unter DACH-Unternehmen leiteten die Studienautorinnen und -autoren Kernbotschaften für die Praxis ab, die Verbesserungspotenziale für die finanzielle Resilienz aufzeigen. 

Die Studie wurde vom Institut für Finanzdienstleistungen IFZ der Hochschule Luzern zusammen mit dem Institut für Controlling der Fachhochschule Kiel verfasst. (mgt)


Den Original-Artikel auf www.hslu.ch lesen.

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