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Baumaschinen: Wie eine Raupe die Welt eroberte und 100 Jahre alt wurde

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: Caterpillar

Zwei konkurrierende amerikanische Erfinder revolutionierten Ende des 19. Jahrhunderts die Arbeit von Landwirten – und wurden nach ihrem Zusammenschluss zum weltweit führenden Hersteller von Baumaschinen. Ihre Produkte erkennt man sofort am Dreieck im Logo in Caterpillar-Gelb. Ja, der Konzern hat seine eigene Farbe. - Das Unternehmen feiert dieses Jahr seinen hundersten Geburtstag.

Traktor mit Dampfmaschine und Kettenantrieb um 1905.

Quelle: Caterpillar

Ein Holt-Tractor mit Gleiskette und Dampfantrieb bei der Arbeit auf dem Feld. An den Tractor liessen sich unterschiedlichste Arbeitsinstrumente anhängen.

Alles begann mit einer erbitterten Rivalität: Im Kalifornien des ausgehenden 19. Jahrhunderts tüftelte die Holt Manufacturing Company an unzähligen Innovationen. Unter anderem wollte Holt das Leben der Bauern erleichtern – mit einer Zugmaschine (englisch: Tractor) als Ersatz von Pferden, die es bislang für anstrengende Aufgaben in der Landwirtschaft brauchte. Die Er-findung sollte die Feldarbeit effizienter machen. Zudem wären die «Tractoren» günstiger im Unterhalt als die Tiere. Die Holt Manufacturing Company setzte auf die damals im Verkehrswesen in Mode gekommene Dampfmaschine. Diese war jedoch so schwer, dass die neuen «Tractoren» (vom Lateinischen «trahere» – ziehen, schleppen) in weichen Böden versanken. Zuerst versuchte Holt dem beizukommen, indem die Zuggefährte mit bis zu vier Meter breiten Rädern aus-gestattet wurden – was das Problem nicht löste. Erst mit der Idee, anstelle von Rädern eine Gleiskette zu benutzen, wurde der «Tractor» einsatzfähig.

Raupe als Name für das Prinzip

Wir schreiben das Jahr 1904. An einer Vorführung für Presse und Bevölkerung verglich ein Fotograf die Bewegung des Vehikels mit der einer Raupe. Die englische Übersetzung lautet «Caterpillar». Der Legende nach mochte Erfinder Holt diese Bezeichnung anfangs gar nicht. Er bevorzugte «Mud Turtle» (Schlammschildkröte). Zum Glück liess er von dem sperrigen Namen ab und patentierte schliesslich «Caterpillar». Nur knapp hatte die HoltManufacturing Co. ihren kalifornischen Konkurrenten, die C. L. Best Tractor Company, überholt. Um Pferde als Zugkraft zu ersetzen, konzentrierte sich dieses Unternehmen vor allem auf Versuche mit Benzinmotoren. Gleichzeitig experimentierte es mit Gleisketten anstelle von Rädern. Die benzinbetriebenen Raupenfahrzeuge von Best erreichten 1912 die Marktreife.


Traktor

Quelle: Caterpillar

Bei seinen Traktoren fokussierte C.L. Best von Anfang an auf einen Benzinantrieb. Seine Maschinen waren dadurch leichter und handlicher, als die mit Dampf betriebenen seines Rivalen Holt.

Vorgänger zum Caterpillar

Quelle: Holt Company

Vorgänger zum Caterpillar: Um zu verhindern, dass das Gewicht des Dampfantriebs den Tractor in weichen Böden versinken lässt, versuchte Holt mit bis zu vier Meter breiten Rädern gegenzusteuern. Da war ihm die Idee der Gleiskette noch nicht gekommen.

Inzwischen hatte Holt seine Caterpillars bereits weltweit im Einsatz, was zu einem lukrativen Grossauftrag führte. Während des Ersten Weltkriegs lieferte die Firma den Alliierten Raupenfahrzeuge als Artillerieschlepper und Transporter. Eine interessante Randnotiz: Britische Ingenieure liessen sich vom Kettenlaufwerk inspirieren und entwickelten auf Basis von Holts Maschinen mit «Mark I» den ersten Panzer überhaupt, der ebenfalls im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam.

Rivalen verbünden sich

Weil sich ihre Produkte stark ähnelten und sie dieselbe Kundschaft ansprachen, deckten sich Holt und Best über viele Jahre hinweg gegenseitig mit Patent- und Plagiat-Klagen ein. Insgesamt 26 894 687 Dollar (heutiger Wert) liessen sich die beiden Firmen ihre Fehde kosten. Gerade Holt hätte gut daran getan, die exorbitanten Gerichts- und Anwaltskosten anderweitig zu investieren, wie sich bald zeigen sollte. Als der Krieg der Nationen vorbei war und sich auch jener zwischen den beiden Firmen gelegt hatte, fusionierten die Holt Manufacturing Company und die C.L. Best Tractor Company auf Anraten ihrer Investoren.

So entstand 1925 die Caterpillar Tractor Company. Nun gab es kein Halten mehr.Das Beste aus beiden Firmen in einem Unternehmen vereint, bedeutete eine geballte Wirtschaftsmacht: Best, der sich aus dem Ersten Weltkrieg herausgehalten hatte, verbesserte in dieser Zeit seinen benzinbetriebenen Gleisketten-Traktor stetig und verfügte in den USA über ein umfangreiches Netzwerk von Abnehmern. Finanziell ging es ihm besser als Holt, der noch viele unverkaufte Kriegsfahrzeuge am Lager hatte. Gleichwohl stand Holt nicht mit leeren Händen da. Denn Caterpillar war längst eine weltweit bekannte Marke, verfügte über grosse Produktionsstätten und ein breit gefächertes Sortiment an bewährten Landmaschinen.

Firma behauptet sich weltweit


Traktor (Illustration)

Quelle: Holt Manufacturing

Die Illustration veranschaulicht, wie sich Holt seine «Tractors» bei der Feldarbeit vorstellte. Nicht überliefert ist, aus welchem Jahr die Skizze stammt. Auffällig ist die kompakte Form der Zugmaschine – so eigentlich nurmöglich mit C.L. Bests Benzin-Antrieb.

Eine der ersten Caterpillarfabriken, Aufnahme von 1926.

Quelle: Caterpillar

Eine der ersten Caterpillarfabriken, Aufnahme von 1926.

Der gemeinsam eingeschlagene Weg er-wies sich auf Anhieb als goldrichtig. Gleich nach der Fusion setzte die Caterpillar Tractor Co. in einem ersten Schritt auf die Bauindustrie, stellte Raupenfahrzeuge und andere Maschinen her, die sich speziell für Aushube, Strassen-, Damm-, und Pipeline- sowie Tage- und Untertagebau eigneten. In den 1930er-Jahren dominierten Caterpillars die amerikanischen Grossbaustellen bereits zu einem überwiegenden Teil, etwa bei legendären Projekten wie der Hoover-Staumauer oder der Golden Gate Bridge.

Durch Übernahme zahlreicher kleinerer Konkurrenten und dem gezielten Ausbau des Angebots wurde die Caterpillar Tractor Co. innerhalb von sechs Jahren in Amerika zum führenden Anbieter von Schwerbaugeräten. Ein weiterer, entscheidender Wendepunkt in der Firmengeschichte war der Zweite Weltkrieg: Das Unternehmen zählte zu den wichtigsten Ausrüstern der US-Armee und der Alliierten. Die Produktion der robusten Maschinen, die selbst unwegsamstes Gelände bewältigten, wurde rasch hochgefahren und nach Übersee geliefert. Es gibt Quellen, die behaupten, ohne Caterpillar hätten die Alliierten den Krieg möglicherweise verloren. Die Erfahrungen aus dieser Zeit, betreffend Produktionsweise, Belastbarkeit, Leistungs-fähigkeit, flossen nach 1945 in die zivile Fertigung ein. Gemeinsam mit der Weiterentwicklung des Dieselantriebs führte dies zu einem weiteren Wachstumsschub. Beim Bau des US-Interstate-Highway-Systems 1956 unter Präsident Dwight D. Eisenhower vertrauten praktisch alle beteiligten Bauunternehmen auf Caterpillar-Produkte. Auch international setzte man auf die gelben Giganten. Das panamerikanische Fernstrassennetz oder die Errichtung von Forschungsstationen in der Antarktis sind nur zwei Beispiele für die Leistungsstärke und Zuverlässigkeit von «Cat», funktionierten die Maschinen doch selbst unter Extrembedingungen.

60 Jahre auf dem Spitzenplatz

Der Kurzname wurde lange nur intern verwendet. Seit der Gründung der ersten internationalen Tochtergesellschaft 1950 in Grossbritannien steht «Cat» offiziell für Caterpillars Kernmarke, die ihre wichtigste Produktpalette umfasst: Baumaschinen, Diesel- und Gasmotoren oder Generatoren. Nach London folgten weltweit weitere Niederlassungen. Seit Mitte der 1960er-Jahre ist Caterpillar global der grösste Baumaschinenhersteller. Den Spitzenplatz hält der Konzern bis heute – 2024 verzeichnete er einen Verkaufserlös von rund 65 Milliarden US-Dollar. Mit Attributen wie «leistungsstark», «zuverlässig» und «innovativ», dem markanten Logo sowie einem einprägsamen Namen ist Caterpillar längst Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden. Nicht zuletzt auch der Popkultur.


Planierraupe

Quelle: Wikipedia

Planierraupen wie diese entstanden in den USA zwischen den zwei Weltkriegen. Ursprung waren schwere Raupenschlepper, die mit einem Räumschild ausgestattet wurden.

Was die Maschinen ausmacht, gilt auch für Arbeitskleidung und Schutzschuhe, die Caterpillar nach den Bedürfnissen der Baustellenmitarbeiter herstellt. Schuhwerk und Kleidung sind robust, funktional und von hoher Qualität. Von da ist es nur noch ein Katzensprung zu Modeartikeln. Caterpillars Image ist so positiv, dass sich sogar Personen ohne Bezug zur Baubranchen gern mit «Cat» schmücken. Seit 1990 gibt es für Privatpersonen die Kleiderlinien «Cat Footwear» (Schuhe) und «Cat Apparel» (Kleider) im soliden «Utility- oder Workwear-Design», wobei das Farbspektrum einer «Baumaschinenoptik» folgt. Das Grossunternehmen hat mit diesem Nebengeschäft allerdings nur als Lizenzgeber zu tun.

Innovativ auch nach 100 Jahren

Caterpillar ist längst kein reiner Bau-maschinen-Produzent mehr. So hat sich der Konzern in den vergangenen rund zwanzig Jahren auch in der Bahnindustrie etabliert, und bietet den Kunden zugleich Kredite und Versicherungen an. Auch begleitet der Hersteller weltweit lokale Firmen, die eine «Cat»-Baumaschinen-Vermietung aufbauen wollen. An der Baumaschinenmesse (Bauma) in München Mitte April zelebrierte Caterpillar Inc., wie sich das Unternehmen seit Mitte der 1980er-Jahre nennt, sein hundertjähriges Bestehen. Auf 9000 Quadratmetern Fläche konnten die Besucher 48 «Cats» erleben, darunter 17 Neuvorstellungen oder weiterentwickelte Produkte. Am Branchenmeeting skizzierte das Unternehmen seine Ziele für die Zukunft: Eines davon umfasst autonome und Roboter-basierte Lösungen für verstärkte Effizienz und Sicherheit in Caterpillars Tätigkeitsgebieten.

Einen Hauptfokus legt Caterpilllar auf Elektro-Baumaschinen und macht damit den Schritt in Richtung einer umweltfreundlicheren Baubranche. An der Bauma präsentierte Caterpillar erstmals einen seriennahen Elektroantrieb, der Teil eines umfassenden Elektrifizierungsprogramms des Unternehmens ist. Dieses umfasst neben batterieelektrischen Maschinen auch mobile Stromaggregate und modulare Batterie-Energiespeicherlösungen. Diese «Plug-and-Play»-Systeme ermöglichen bereits heute das Laden elektrischer Bau-maschinen direkt an deren Einsatzort. Sie lassen sich kombinieren mit Netzanschlüssen oder Generatoren, die mit unterschiedlichen flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werden – darunter auch erneuerbare Energieträger wie HVO oder Biogas. Dass das Firmenlogo deshalb bald grün wird, wie bei einem anderen globalen US-Konzern, ist mehr als un-wahrscheinlich. 1979 hatte sich das Un-ternehmen eigens das «Caterpillar-Gelb» kreieren lassen.


Britischer Panzer, Aufnahme aus dem Ersten Weltkrieg.

Quelle: Imperial War Museums

Inspiriert von Holts Raupenfahrzeugen bauten die Briten den ersten Panzer. "Mark I" kam bereits im Ersten Weltkrieg zum Einsatz.

Best Tractor

Quelle: Caterpillar

Bests erste Prototypen glänzten noch nicht durch ein straffes Design. Selbst mit Benzinantrieb scheinen sie massig – wenn auch nicht so sehr wie die Dampf-Traktoren von Holt.

Kettentraktor von 1917

Quelle: BulldozerD11

Ein Kettentraktor von der Holt Manufacturing Company aus dem Jahr 1917. Holt hatte da seinen schweren, umständlichen Dampf- gegen den Benzin-Antrieb seines Konkurrenten C.L. Best ausgetauscht.

Geschrieben von

Freie Mitarbeiterin für das Baublatt.

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