Seilbahn Rigiblick: Zürcher Traditionsbahn durchläuft Rundum-Frischzellenkur
Die Seilbahn Rigiblick ist eine von drei Standseilbahnen im hügeligen Zürcher Stadtgebiet. Nach über 45 Jahren im Betrieb weichen die zwei bisherigen Kabinen einem neuen Modell. Auch die technische Anlage erhält eine umfassende Erneuerung.

Quelle: Verkehrsbetriebe Zürich
Generationenwechsel im Standseilbahn-Trassee: Die alte Kabine wartet auf ihren Abtransport, während die neue per Kran an ihren Einsatzort gelangt.
Tagtäglich von 5 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts, alle sechs Minuten, bei grösserem Andrang auch häufiger, machten sich die beiden bisherigen Kabinen der Seilbahn Rigiblick im Stadtzürcher Quartier Oberstrass auf ihren Weg. Seit ihrer Inbetriebnahme Ende Mai 1979 absolvierten sie die 385 Meter lange Strecke mit einer Höhendifferenz von 94 Metern vollautomatisch. Laut der Webseite der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) war die Seilbahn Rigiblick damals die erste konzessionierte Standseilbahn der Schweiz mit Zwischenstationen, die ohne Fahrpersonal in der Kabine auskam.
So modern ihre Technik Ende der 1970er-Jahre auch war – nach vier Jahrzehnten im Dienst näherten sich die von der Maschinenfabrik Habegger AG in Thun gebauten Standseilbahn-Fahrzeuge dem Ende ihres Lebenszyklus. So begannen die VBZ vor rund fünf Jahren, die Modernisierung des Rollmaterials sowie weiterer technischer Komponenten der Anlage zu planen. 2023 erhielt die Garaventa AG den Zuschlag für das Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 4 Millionen Franken.
Arbeiten im Zeitplan
Der traditionsreiche Schweizer Seilbahn-Hersteller mit Sitz in Goldau übernahm unter anderem die Unterbauten der neuen Kabinen, die Demontage und den Abtransport ihrer beiden Vorgänger ins VBZ-Depot sowie die Montage der neuen Fahrzeuge vor Ort. Durchschnittlich rund drei Garaventa-Mitarbeitende stehen dafür seit dem 30. Juni in Zürich im Einsatz. Seit diesem heissen Sommertag ruht der Seilbahn-Betrieb zwischen der Talstation an der Universitätsstrasse und der Bergstation am Rigiblick. Ihren heutigen Namen trägt die Seilbahn Rigiblick übrigens erst seit ihrer Verlängerung um 80 Meter zum bekannten Aussichtspunkt mit dem gleichnamigen Theater im Jahr 1979. In Betrieb gegangen war sie am 4. April 1901 als «Seilbahn Rigiviertel». Laut der VBZ-Webseite sollte die Standseilbahn damals die bauliche Entwicklung im Quartier Oberstrass sowie den Zürichberg als Naherholungsraum fördern.

Quelle: Verkehrsbetriebe Zürich
Wie ein Züri-Tram im Kleinformat: Die neuen Standseilbahn-Kabinen am Rigiblick entsprechen dem aktuellen Corporate Design der Verkehrsbetriebe Zürich.
Aller Voraussicht nach werden Theatergäste, Touristinnen und Ausflügler, die am Rigiblick ihre Touren Richtung Zürichberg und Zoo starten, sowie die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers die von Grund auf modernisierte Seilbahn ab dem Freitag, 26. September, wieder benutzen können. «Wir befinden uns mitten in einer sehr intensiven und anspruchsvollen Zeit bis zur Inbetriebnahme», schreibt Mélanie Kohler dazu. Die stellvertretende Leiterin der Medienstelle der VBZ betont auf Anfrage: «Das Projekt verläuft nach Zeitplan.»

Quelle: Verkehrsbetriebe Zürich
Wenn eine Standseilbahn-Kabine in die Luft geht, könnte ihr Ende nahen. Nach Auskunft der VBZ wird eines der beiden alten Fahrzeuge der Zürcher Seilbahn Rigiblick verschrottet, während für die andere Kabine noch eine neue Bestimmung gesucht wird.
Die Quartierbevölkerung bilde den grössten Anteil an den Passagieren, ergänzt sie. 2024 betrug deren Gesamtzahl rund 700 000. Die neuen Kabinen bieten 33 – statt bisher 30 – Fahrgästen Platz. Neben der erhöhten Kapazität scheinen die beiden Fahrzeuge auch durch ihr äusseres Erscheinungsbild und ihr Interieur zu punkten. Jedenfalls äusserten sich die interessierten Fahrgäste, die Mitte August die Gelegenheit wahrnahmen, um einen ersten Blick ins neue Bähnli zu werfen, in der Reportage des Regionaljournals Zürich Schaffhausen von Radio SRF überaus angetan. So hob eine Anwohnerin das grosszügigere Platzangebot hervor, welches den Transport von Kinderwägen oder Velos vereinfachen werde, und fügte freudig an: «Ja, und es sieht gut aus.»
Design aus einem Guss
Tatsächlich sind die neuen Seilbahnkabinen – im Gegensatz zu den beiden anderen Stadtzürcher Bergbahnen Dolder- und Polybahn – in klassischem Zürcher Blau-Weiss gehalten. Die Farbgebung gleicht dem Aussendesign der neusten VBZ-Tramgeneration, dem auch die vorne und hinten abgerundete Form der Seilbahn-Fahrzeuge stark ähnelt. Das kommt nicht von ungefähr. «Das preisgekrönte Design des Flexity-Trams in Zürich fungiert punkto Aussen- und Innendesign als Massstab für die moderne Fahrzeugflotte der VBZ», erklärt Mélanie Kohler. «Entsprechend orientieren sich neue Fahrzeuge an dessen Design und schaffen so eine Verbindung zu den bestehenden Fahrzeugen im VBZ-Netz.»
Das Design der neuen Rigiblick-Kabinen stammt noch dazu aus demselben Haus wie jenes der Flexity-Trams: Milani Design & Consulting. Die Produktdesign-Agentur mit Sitz in Thalwil konzipierte im Verbund mit den VBZ, Garaventa sowie CWA, dem Produzenten von Seilbahnkabinen und -fahrzeugen, auch das Interieur. Die leicht erhöhte, U-förmige Sitzlounge und zwei ebenerdig angebrachte Sitze sind, ebenso wie jene im Flexity-Tram, aus hellem Holz. Auch das moderne Fahrgastinformations-System dürfte den Passagieren bekannt vorkommen.
Für den eigentlichen Wow-Effekt dürfte indes das zentrale Oberlicht über ihren Köpfen sorgen: ein rundes Dachfenster mit 1,2 Metern Durchmesser, welches das Tageslicht über dem Sitzlounge-Bereich einfängt. In Kombination mit den grossen Panoramafenstern, die teilweise bis zum Boden reichen, soll so laut Milani-Webseite «auch an trüben Tagen eine helle, einladende und offene Atmosphäre entstehen». Im vorderen Bereich sorgt eine ringförmige Deckenleuchte für Licht. Lichter in dieser Form werden sich auch ausserhalb der Seilbahnkabinen wiederfinden. Denn das durchgängige Licht- und Gestaltungskonzept umfasst auch die Haltestellen.
Neues Antlitz für Stationen
Schliesslich wurden respektive werden auch die Tal- und Bergstation sowie die drei Zwischenhalte modernisiert. Laut VBZ-Mediensprecherin Mélanie Kohler werden die Arbeiten dieses separaten, mit 150 000 Franken veranschlagten Projekts mit Ausnahme der Haltestelle Hardlaubstrasse an allen Stationen zeitgleich mit der Modernisierung der Seilbahnanlage ausgeführt. Alle fünf Haltestellen erhalten einen neuen Farbanstrich und ein neues Fahrgastinfo-System. In der Berg-, der Talstation sowie in der Station Germaniastrasse werden darüber hinaus die Decken sowie die Beleuchtung erneuert. An der Germaniastrasse wird zudem der Betonsteg saniert. Die Haltestelle Hardlaubstrasse ihrerseits bekommt einen Schräglift. Mit ihm lässt sich in Zukunft die steile Rampe und die Treppe überwinden. Der Abschluss dieses Teilprojekts ist für den kommenden Dezember vorgesehen. Von da an werden alle Seilbahn-Rigiblick-Haltestellen ausser der Goldauerstrasse hindernisfrei zugänglich sein. Auch die neuen Seilbahnkabinen selbst entsprechen mit ihren breiten Türen und dem grösseren Innenraum nun den Normen des Behindertengleichstellungsgesetzes, was als wichtige Vorgabe für das Modernisierungs-Vorhaben galt.

Quelle: Milani Design & Consulting
Alles aus einem Guss: Ringförmige Deckenleuchten werden im Innern der Standseilbahn-Fahrzeuge ebenso wie in jenem der Stationen für Licht sorgen und Design-Akzente setzen.
Apropos Kabinen: Die Wagenkästen, sprich alle sichtbaren Fahrzeugaufbauten, wurden von CWA gefertigt. Wie Garaventa gehört das Oltner Unternehmen, das gemäss seiner Webseite jedes Jahr über 2000 Kabinen produziert, zur österreichischen Doppelmayr-Gruppe. Angesichts von massgefertigten Standseilbahn-Kabinen, orientiert am preisgekrönten Corporate Design der VBZ, mag manch aufmerksamer Leser dieser Zeilen am Rigiblick einen typischen Fall des vielzitierten, kostspieligen Züri-Finishs wittern. Doch eine Auskunft von Ueli Sutter, dem zuständigen Projektleiter Verkauf von Garaventa, relativiert den Eindruck. Standseilbahn-Fahrzeuge seien per se Einzelanfertigungen, die auf lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort abgestimmt seien, erklärt Sutter. «Auch im Fall Rigiblick handelt es sich um massgeschneiderte Fahrzeuge. Es sind nicht mal beide Fahrzeuge identisch, sie wurden gespiegelt gebaut.»
Viele Unterhalts-Arbeiten
Von Garaventa selbst stammen die Unterbauten, wie etwa ein selbst entwickeltes Spezialfahrwerk. «Diese Technologie mit geräuscharmen Kunststoffrädern hat sich im städtischen Umfeld bewährt», kommentiert Sutter. «Bei der Seilbahn Rigiblick war sie bereits vorher in Betrieb.» Ihr Einsatz sei allerdings nicht überall möglich, da er von den Geschwindigkeiten und Kräften der jeweiligen Anlage abhänge. Die Arbeiten in Zürich verliefen plangemäss, fügt Sutter an. Die traditionsreiche Seilbahn Rigiblick in die Zukunft zu führen, sei ein schöner Auftrag. Zu den Aufgaben seiner Garaventa-Crew zählten auch der Umbau der Bremshydraulik, der Ersatz aller Lager der Antriebs- und Umlenkräder sowie der Seilkompensation und der Einbau des revidierten Motors und Getriebes.

Quelle: zvg/Garaventa
Massgefertigt für den Einsatz in Zürich: die Wagenkästen der beiden neuen Kabinen der Seilbahn Rigiblick in der Werkshalle des Herstellers CWA in Olten.
Darüber umfasst das Modernisierungs-Projekt laut VBZ-Mediensprecherin Mélanie Kohler weitere Arbeiten, wie etwa den Ersatz von Haus- und Unterverteilungen. Auch die Steuerung der Anlage wurde komplett ersetzt, wofür die Firma Frey aus Stans verantwortlich zeichnete. Bezüglich der Kosten ergänzt Kohler, dass der Nettokredit über 4,2 Millionen Franken, welchen der Zürcher Stadtrat und der Verkehrsverbund gesprochen hatten, zur Finanzierung der neuen Standseilbahn-Kabinen sowie der neuen Steuerung diene. Alle anderen Arbeiten an der Anlage gehörten zum Unterhalt und würden dementsprechend aus dem ordentlichen Budget finanziert.
Zwei Tonnen schweres Zugseil
Eine wichtige Komponente kommt aus der Ostschweiz. Der Romanshorner Seilspezialist Fatzer AG installierte Anfang August das 480 Meter lange, neue Zugseil. Mit einem Durchmesser von 32 Millimetern und einem Gewicht von knapp zwei Tonnen gehörte dessen Montage zu den spektakulärsten Teilarbeiten des gesamten Modernisierungs-Projekts. Gemäss einer Medienmitteilung lieferte das Thurgauer Unternehmen, das zur Aargauer Brugg Group gehört, sein speziell für urbane Anlagen entwickeltes Performa-Zugseil an den Fuss des Zürichbergs.
Dieses Hochleistungs-Stahlseil verfüge über Kunststoff-Profile zwischen den Litzen, welche die Kreisfläche fast vollständig ausfüllten und so eine nahezu zylindrische Oberflächenstruktur aufwiesen. Dadurch laufe das Seil praktisch vibrationsfrei und geräuscharm über Rollen und Scheiben. Dieser Seiltyp eigne sich daher ideal für Anlagen im besiedelten Gebiet, heisst es im Communiqué weiter. Darüber hinaus sei das Seil trotz hoher Beanspruchung besonders langlebig. Das soll auch für den Rest der Anlage gelten. Wie ihr Vorgänger-Modell, so sei die neue Seilbahn ebenfalls für eine Lebensdauer von 40 Jahren ausgelegt, schliesst Mélanie Kohler.