10:07 BAUPROJEKTE

Minergie-A-Pavillon bei Camping Fischerhaus in Kreuzlingen

Geschrieben von: Manuel Pestalozzi (mp)
Teaserbild-Quelle: Res Lerch

Seit Saisonbeginn wartet das Camping Fischerhaus in Kreuzlingen mit einem Sanitärgebäude auf, das sich gewaschen hat. Es erfüllt die strengen Bedingungen des Labels Minergie-A und produziert mehr Energie als es benötigt.

Durch Kreuzlingens östlichen Ortsteil Kurzrickenbach fliesst der Chogebach. Kurz vor seiner Mündung in den Bodensee erreicht er das Camping Fischerhaus. Dessen Anlage und Infrastruktur werden seit 2013 in Etappen aktualisiert.

Das ging nicht spurlos am Chogebach vorbei; ihm wurde eine ökologische Aufwertung zuteil, man verbreiterte zudem sein Bett, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Die Campingstellplätze erhielten einen stabileren Untergrund, die Wasser- und Abwasserleitungen entsprechen jetzt dem aktuellen Stand. 2020 soll die Sanierung abgeschlossen sein.

Fels in der Brandung

Campingplätze sind eine spannende Kombination von temporären und dauerhaften Strukturen – es handelt sich um Städtebau im kleinen; alles ist dabei, wenn auch oft in rudimentärer Form, um das Leben von Freizeitnomadinnen und -nomaden angenehm zu machen, im Idealfall strategisch günstig platziert und gleichzeitig ästhetisch befriedigend.

Einer der wichtigen permanenten Bauwerke des sanierten Campings Fischerhaus ist das neue Sanitärgebäude. Es steht im südlichen Teil der Anlage, gleich neben dem baumbestandenen Bachlauf, und wurde im April, zu Beginn der Saison 2019, eröffnet. Der eingeschossige, nicht unterkellerte rechteckige Pavillon ist 20 Meter lang, 10 Meter breit und 3,5 Meter hoch.

Sein Dach kragt nach allen Seiten ein Meter vor. Zudem schützt einen gepflästerten äusseren Umgang vor der Witterung. Im Bereich der Längsachse reihen sich fünf Oblichter. In der Mitte der Westfassade befindet sich der Eingang zum Gebäude, das streng symmetrisch aufgebaut ist und entfernt an einen Sakralbau erinnert.

Über ein zentrales Foyer geht es nach rechts in den Damen-, nach links in den Herrenteil. Die beiden sind nahezu identisch aufgebaut und enden in «Absiden» mit den Duschen. Geht man vom Foyer geradeaus weiter, gelangt man in den Waschraum und einen Nebenraum mit Kochgelegenheiten. Dazwischen gibt es auch geräumige Einzelkabinen für Familien oder Menschen, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind.

Abgesehen von den Absiden in Ortbeton besteht die Gebäudehülle inklusive Dach aus Holzbauelementen, die inneren Trennwände sind mit Kalksandstein gemauert. Unter dem Dach verläuft ein schmales Fensterband, welches unerwünschte Einsichten verhindert, lediglich im Waschraum gegenüber dem Eingang besteht ein direkter Sichtkontakt zwischen innen und aussen.

Es handelt sich bei diesem Gebäude um einen winterfesten, beheizbaren Bau, der trotz seiner konstruktiven Einfachheit klar Permanenz und Stabilität zum Ausdruck bringt. Er leistet einen Beitrag ans «Heimatgefühl», welches das Camping ausstrahlt. Auf dieses Sanitärgebäude wird man viele Saisons zählen dürfen.

Die Stadt Kreuzlingen liess sich dieses Gebäude rund 900'000 Franken kosten, wie Ruedi Wolfender, Leiter Gesellschaft und Liegenschaften in der Stadtverwaltung, in einem Artikel der Kreuzlinger Nachrichten bekanntgab.

Eigen-Energieerzeuger

Der kleine Neubau ist nach Minergie-A zertifiziert. Der Standard bezeichnet und qualifiziert Schweizer Plusenergie-Gebäude (PEG). Der Verein Minergie bezeichnet ihn als «sehr anspruchsvoll und innovativ». Minergie-A-Gebäude müssen eine positive Energiebilanz aufweisen: Der Aufwand für Raumwärme, Wassererwärmung, Lufterneuerung, sämtliche elektrischen Geräte und die Beleuchtung muss durch eigens dafür produzierte erneuerbare Energien gedeckt sein.

Dass diese Ansprüche bei einem Infrastrukturbau für eine Freizeitanlage erfüllt werden, ist sicher nicht alltäglich. Gesetzt hat sich dieses Ziel die Bauherrschaft. «Kreuzlingen hat sich auf die Fahne geschrieben, Energiestadt zu sein. Daher war es von Anfang an klar, dass man bei diesem Objekt nicht nur beim Ausbau einen hohen Standard anstrebt.

Als öffentlicher Bauherr geht die Gemeinde mit gutem Beispiel voran, was private Bauherren überzeugen und animieren kann und soll», kommentiert Architekt Cristiano Pedron den Entscheid. Er ist Miteigentümer der zuständigen LPB Architekten AG aus Kreuzlingen und war zusammen mit seiner Mitarbeiterin Bianca Uhlemann für das Projekt zuständig.

Für die Energieeffizienz wurde mit dem Büro3 aus Amriswil ein versierter Energieberater ins Boot geholt, der mit Wissen und Erfahrungen viel Unterstützung geboten hat und damit zu Optimierungen beitrug.

Der fast sakral wirkende Pavillon steht direkt beim Chogebach.

Quelle: Res Lerch

Der fast sakral wirkende Pavillon steht direkt beim Chogebach.

Befragt nach den wichtigsten Elementen des energetischen Konzepts nennt Cristiano Pedron die Gebäudehülle und die Haustechnik. Letztere sei bei diesem Objekt recht kostenintensiv, was aber nicht nur auf die Energieeffizienz sondern auf den Standort und die Funktion zurückzuführen sei. Elektrische Energie und Warmwasser werden durch Photovoltaik respektive Solarthermie erzeugt.

Dazu hat man auf dem Dach auf einer Fläche von 240 Quadratmetern entsprechende Anlagen montiert, die Photovoltaik nimmt zwei Drittel von ihr ein. Bei voller Sonneneinstrahlung kann sie eine Leistung von 18 000 bis 19 000 kWh pro Jahr erzeugen.

Die Heizleistung wird zu 39 Prozent durch thermische Solarenergie, zu 61 Prozent mit einer Aussenluft-Wärmepumpe erbracht. Eine Komfortlüftung ist beim Standard Minergie-A obligatorisch. Das ausgewiesene Plus an erzeugter elektrischer Energie wird im Winter ins Netz eingespeist.

Das Architekturteam hat auch Raum für den eventuellen, späteren Einbau einer Speicher­batterie eingeplant, sollte die produzierte Energie nicht unmittelbar vollumfänglich eigengenutzt werden. Der Standard Minergie-A sieht ein Energie-Monitoring vor. Es wird also regelmässig geprüft, ob die vom Label verlangten Werte eingehalten werden.

«Das Monitoring wird vom Betreiber des Campingplatzes betreut», sagt dazu Cristiano Pedron. «Wir werden es weiter verfolgen und sind gespannt, wie sich das Gebäude in dieser Hinsicht bewähren wird und wie der Vergleich zwischen den gemessenen und den errechneten Werten ausfällt.»

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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