Berner Stadtparlament stellt Weichen für Quartier auf Gaswerkareal
Das neue Quartier auf dem Stadtberner Gaswerkareal ist ein Schritt näher an der Umsetzung. Der Stadtrat hat am Donnerstag die planungsrechtlichen sowie finanziellen Voraussetzungen genehmigt und dem Stimmvolk zur Annahme empfohlen.

Quelle: zvg
Visualisierung: Das Richtprojekt zeigt, wie das Gaswerkareal nach der Gesamtentwicklung aussehen könnte.
Vorgesehen sind zwischen 300 und 500 mehrheitlich preisgünstige Wohnungen, öffentliche Nutzungen wie Schulraum, Gewerbefläche sowie Frei- und Grünräume. Ehe das Stimmvolk voraussichtlich Ende November über diese Pläne befinden wird, verhandelte das Stadtparlament die Details der drei Abstimmungsvorlagen.
Den finanziellen Rahmen und somit die erste Vorlage genehmigte der Stadtrat mit 66 zu 6 Stimmen. Damit soll der Verpflichtungskredit für die weitere Projektentwicklung um rund 25,2 Millionen Franken aufgestockt werden. Der Gemeinderat wird in diesem Rahmen ausserdem dazu ermächtigt, Baurechte zu vergeben.
Anstadt bleibt bis Baustart
Zu reden gab dabei insbesondere die Zukunft des alternativen Wohnkollektivs Anstadt, das derzeit auf dem südlichen Teil des Gebiets zuhause ist und gegen die Umzonung Einsprache erhoben hatte. Ein Antrag der Fraktion AL/PdA/TIF, der eine langfristige Nutzung des Kollektivs ermöglichen sollte, fand im Rat aber keine Mehrheit.
«Die Anstadt ist weit mehr als nur günstiger Wohnraum», sagte David Böhner (AL) für seine Fraktion. Als unkommerzieller und soziokultureller Begegnungsort sei die Zwischennutzung wichtig für die Stadt. Dieses Votum quittierten anwesende Mitglieder des Kollektivs mit Applaus und wurden dafür von Ratspräsident Tom Berger (FDP) ermahnt. Die Gäste hatten im Vorfeld der Sitzung vor dem Rathaus für das Weiterbestehen der Anstadt demonstriert.
Die Zwischennutzung soll jedoch bis zum Baustart erhalten bleiben, befand das Stadtparlament. Einen entsprechenden Antrag der Kommission für Ressourcen, Wirtschaft, Sicherheit und Umwelt unterstützten 59 Ratsmitglieder, 9 waren dagegen und 2 enthielten sich. Ausserdem forderte die linke Mehrheit den Gemeinderat dazu auf, eine teilweise Weiterführung der Wohnform zumindest zu prüfen.
75 Prozent günstige Wohnfläche
Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der Fraktion GB/JA, wonach der vorgesehene Wohnraum nicht zu 75 Prozent, sondern vollumfänglich gemeinnützig oder preisgünstig gebaut werden soll. Neben den bürgerlichen Parteien stellte sich auch ein Teil der SP/Juso dagegen, um keine Verzögerung zu riskieren.
Dieser Antrag war Bestandteil der planungsrechtlichen Voraussetzungen, die dem Stimmvolk in zwei separaten Vorlagen vorgelegt werden. Das Parlament empfahl diese mit 63 respektive 62 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen zur Annahme.
Das Gaswerkareal soll einer sogenannten Zone mit Planungspflicht (ZPP) zugewiesen werden, die den Rahmen der künftigen Nutzung festlegt. Neben dem Anteil an preisgünstigem Wohnraum soll darin etwa verankert werden, dass das Jugend- und Kulturzentrum Gaskessel erhalten bleibt.
Das westliche Ende der Monbijoubrücke will die Stadt mit einer weiteren ZPP belegen. Dort soll etwa die bestehende Wohnfläche verdichtet werden und die Möglichkeit eines bis zu 50 Meter hohen Hochhauses entstehen. Weiter will die Stadt in diesem Gebiet den grössten Teil des Parkplatzbedarfs für das Quartier unterbringen.
«Schlagseite macht Sorge»
Gänzlich gegen die Pläne auf dem Gaswerkareal stellte sich lediglich die SVP. Fraktionschef Alexander Feuz forderte «eine massive Verkleinerung» des Projekts. Von den über 20 Rückweisungs- und Ergänzungsanträgen seiner Partei, die etwa mehr hochwertige Wohnungen zum Ziel hatten, wollte die Ratsmehrheit nichts wissen.
Die FDP wiederum stimmte den Plänen entschlossen, aber zähneknirschend zu. «Die Schlagseite macht uns Sorge», sagte Simone Richner für ihre Fraktion. Sie bezeichnete das Quartier als «Spielwiese für Symbolpolitik» und kritisierte, dass mit den mehrheitlich preisgünstigen Wohnungen eine ganze Gesellschaftsschicht ausgeschlossen werde.
Kauf 2020 abgesegnet
Mit besagten drei Vorlagen wird das Berner Stimmvolk zum zweiten Mal an der Urne über die Zukunft des Gaswerkareals befinden. 2020 gaben die Stimmberechtigten der Stadt grünes Licht, das Gebiet für rund 30 Millionen Franken dem stadteigenen Energieunternehmen Energie Wasser Bern zurückzukaufen. Werden die Vorlagen angenommen, dürfte in einigen Jahren eine weitere Abstimmung für den Baukredit nötig sein.
Das Gaswerkareal ist nach dem Viererfeld/Mittelfeld das zweitgrösste laufende Stadtentwicklungsprojekt in Bern. (sda)